Pellagra: Geschichte, Symptome und Verlauf der Vitamin-B3-Mangelkrankheit
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Pellagra: Geschichte, Symptome und Verlauf der Vitamin-B3-Mangelkrankheit

Hautausschläge, Durchfälle und Demenz kennzeichnen die Krankheit Pellagra, die ab dem 17. Jahrhundert in einigen Gegenden Südeuropas grassierte. Lange rätselten Mediziner über die Ursache. Drei Jahrhunderte später stellt sich heraus: Ein Vitamin-B3-Mangel löst Pellagra aus. Was die Entdeckung Amerikas damit zu tun hat, erfahren Sie hier.

Pellagra: Hautveränderung steckt im Namen

Pellagra nennt der italienische Arzt Francesco Frapolli im 18. Jahrhundert eine geheimnisvolle, Krankheit, die seit einigen Jahrzehnten große Teile der Bevölkerung Norditaliens befällt und bisweilen tödlich endet. Die Bezeichnung leitet sich vom Ausdruck „pelle agra“ ab, zu Deutsch: raue Haut. Denn eines der Hauptkennzeichen dieser Krankheit sind auffällige, oft schmerzhafte Hautveränderungen:

  • Rötungen
  • Hautverdickungen
  • Starker Juckreiz
  • Schuppung
  • Bläschen
  • Nässende Ekzeme
  • Krustenbildung
  • Nach einiger Zeit: bräunliche bis braunschwarze Pigmentierung der Haut
Der Casal-Kragen

Typischerweise tritt bei Pellagra die Hautveränderung scharf begrenzt und ringförmig am unteren Hals auf. Dieses Phänomen wird bis heute als Casal-Kragen oder auch als Casal-Kollier bezeichnet, da es im 18. Jahrhundert zuerst von dem spanischen Arzt Gaspar Casal beschrieben wurde.

Weitere Symptome der Pellagra-Krankheit

Neben den typischen Pellagra Hautveränderungen, die vor allem an Stellen auftreten, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, gibt es zahlreiche andere Symptome, die Pellagra kennzeichnen. Sie können im Verlauf der bisweilen Jahre andauernden Erkrankung abwechselnd auftreten. Zum Beispiel:

  • Gliederschmerzen
  • Appetitverlust
  • Abgeschlagenheit
  • Fieber
  • „Löffelnägel“: brüchige Nägel, löffelartig verformt
  • Schädigungen der Schleimhäute, z.B. Geschwüre im Mundraum
  • Zahnfleischentzündungen (Gingivitis)
  • „Himbeerzunge“: Intensiv rote, geschwollene Zunge
  • Appetitlosigkeit
  • Erbrechen
  • Darmstörungen wie Durchfall, aber auch Stuhlverstopfung
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Pellagra kann unter anderem zu Darmstörungen führen.

Zudem zählen Störungen des Nervensystems zu typischen Anzeichen von Pellagra, darunter:

  • Schwindel
  • Kopfschmerzen
  • Konzentrationsverlust
  • Depression
  • Gedächtnisstörungen
  • Lähmungen
  • Krämpfe
  • Tremor
  • Verwirrtheit
  • Demenz
Die vier „D“

Heutzutage werden die vielfältigen Symptome der Pellagra-Erkrankung häufig unter dem Stichwort „Vier D“ zusammengefasst. Gemeint sind damit:·         Dermatitis (Hautstörung)·         Diarrhoe (Durchfall)·         Demenz·         Death (englisch: Tod)

Grund für Pellagra lange ungeklärt: Einseitige Ernährung mit Mais

Nicht nur in Italien, auch in anderen Regionen Südeuropas trat die Pellagra zur Zeit des Mediziners Frapolli gehäuft auf. Was war der Grund?

Schon im 18. Jahrhundert vermuteten Ärzte, dass die Ursache mit der Ernährung zusammenhängen könne. Denn die Pellagra traf vor allem ärmere Regionen, deren Bevölkerung eine einseitige Ernährung mit Mais vollzog. Dieses neue, leicht anzubauende Getreide mit hohem Ernteertrag war nach der "Entdeckung" Amerikas durch Christoph Kolumbus aus Mexiko nach Europa gekommen und hatte sich schnell verbreitet.

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Erste Hinweise auf Pellagra ergaben sich durch die einseitige Ernährung mit Mais im 18. Jahrhundert.

Pellagra: Vitamin-B3-Mangel als Ursache

Zunächst gingen die Mediziner davon aus, dass verschimmelter oder vergifteter Mais die Ursache von Pellagra sei. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten Forscher den wahren Grund für die Entstehung der Krankheit identifizieren.

Demnach handelt es sich bei Pellagra um eine Vitamin-Mangelkrankheit (Hypovitaminose), die durch zu wenig Vitamin B3 (Niacin) ausgelöst wird, in der Regel in Kombination mit einem Proteinmangel. Und tatsächlich war eine sehr einseitige Ernährung mit Mais der Grund für die Verbreitung der Krankheit. Das Getreide aus der „Neuen Welt“ enthält Niacin lediglich in einer gebundenen Form, die der Körper nicht verwerten kann.

Entdecker brachten Mais mit – aber nicht das richtige Rezept

Warum aber war Pellagra in Mexiko nicht verbreitet? Der Grund: Die Konquistadoren hatten zwar das Getreide, nicht aber das Rezept zur Zubereitung von rohem Mais mit nach Europa gebracht. Denn die Bewohner Mittelamerikas behandeln das Getreide vor dem Verzehr mit Kalkwasser. Dank dieser Jahrtausende alten Technik (Nixtamalisation) werden die Inhaltstoffe im Mais für den Körper besser verwertbar. Unter anderem wird das im Mais vorhandene Niacin aus seiner gebundenen Form herausgelöst und kann vom menschlichen Körper aufgenommen werden.

Nixtamalisation

Der Begriff Nixtamalisation entstammt der Sprache der Azteken: Nextli bedeutet „Asche“ und Tamalli „ungeformter Maisteig“. Bei der Nixtamalisation wird gelöschter Kalk oder Asche in Wasser aufgelöst. Dann werden die rohen Maiskörner stundenlang in dieser alkalischen Lösung gekocht, sodass sie aufquellen. Durch diese Behandlung verändert sich die chemische Struktur des Getreides. Unter anderem wird Phytinsäure abgebaut, die bei der rohen Maispflanze Niacin in einer für den menschlichen Körper nicht verwertbaren Form bindet. Ist die Phytinsäure abgebaut, kann Niacin verwertet werden. Zudem werden auch die im Mais vorhandenen Aminosäuren (Protein-Bausteine) durch Nixtamalisation herausgelöst, der Kalziumgehalt nimmt zu. Nach der Nixtamalisation werden die aufgequollenen Maiskörner gewaschen und entweder direkt gegessen oder zu Mehl verarbeitet.

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Auch heute kommt Pellagra vor allem in den Gebieten vor, in denen eine einseitige Ernährung mit Mais betrieben wird.

Auch Stoffwechselstörung kann Pellagra-Symptome auslösen

Heutzutage tritt Pellagra in Europa nur noch sehr selten auf, da die Bevölkerung in der Regel ausreichend mit Vitamin B3 versorgt ist. Gefährdet sind vor allem Menschen, die sich sehr einseitig, nicotinsäurearm ernähren, zum Beispiel Essgestörte. Auch in armen Gegenden Afrikas kommt Pellagra aktuell noch vor. Neben Mais kann auch eine überwiegende Ernährung mit Sorghumhirse der Auslöser sein, da auch das Niacin der Hirse vom Körper nicht verwertet werden kann.

Neben Mangelernährung kann allerdings auch ein genetischer Defekt für das Auftreten von Pellagra-Symptomen verantwortlich sein: Die sogenannte Hartnup-Krankheit, eine Stoffwechselstörung.

Behandlung von Pellagra

Um Pellagra zu behandeln, werden den Patienten in der Regel kurzzeitig hohe Gaben von Nicotinsäure oder Nicotinamid verabreicht, um den Vitamin-B3-Mangel auszugleichen. Oft geschieht dies in Kombination mit weiteren Vitaminen. Parallel ist eine Umstellung der Ernährung angezeigt.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
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