Schwangerschaftsabbruch: Schuldgefühle und Depressionen nach der Abtreibung
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Schwangerschaftsabbruch: Schuldgefühle und Depressionen nach der Abtreibung

Eine Abtreibung ist nach wie vor für die meisten Menschen ein Tabuthema. Um spätere Folgen für die Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, ranken sich Legenden: Führen die Schuldgefühle direkt zu Depressionen? Wir erklären Ihnen, welche zahlreichen komplizierten Faktoren bei diesem Thema zusammenspielen.

Unterschiedliche Reaktionen

Zunächst einmal lässt sich sagen, dass man die Reaktionen von Frauen nach einer Abtreibung nicht verallgemeinern kann. Manche von ihnen kämpfen mit Schuldgefühlen, andere hingegen sind erleichtert. Einige von ihnen haben stark mit ihrer Trauer zu kämpfen und leiden auch Jahre später noch an Depressionen, andere wiederum kommen mit ihrer Entscheidung klar und können sich auch weiterhin akzeptieren. Eines jedoch ist relativ vielen von ihnen gemein, und das ist das Schweigen: Kaum eine Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich hat, redet darüber. Die Scham hindert sie daran. Und das ist ein Punkt, der bei der nachträglichen Bewältigung dieses einschneidenden Erlebnisses nie genug Aufmerksamkeit bekommt.

Die gesellschaftliche Stigmatisierung

Eine Abtreibung wird in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich betrachtet. Dass sie aber irgendwo im Volksempfinden gutgeheißen wird, kann man nicht feststellen. Entsprechend wagen die Frauen häufig nicht, ihre niemals leichte Entscheidung anderen Leuten mitzuteilen: In zahlreichen Fällen wissen nicht einmal die engsten Vertrauten Bescheid. Zusätzlich zu den Schuldgefühlen, die die allermeisten Frauen dem ungeborenen Kind gegenüber haben, kommt die Angst vor Ablehnung und Verurteilung durch diejenigen, die ihnen nahestehen. Wer eine Entscheidung von solcher Tragweite allein treffen muss, hat oftmals Schwierigkeiten mit der Verarbeitung. Trotzdem kommt es nicht zwangsläufig zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen.

Gründe spielen eine Rolle

Obwohl die Möglichkeit zur Abtreibung aus bestimmten Gründen seit 1996 in Deutschland rechtlich gegeben ist, wird das Thema noch immer tabuisiert. Das zeigt sich auch an der insgesamt auffallend dürftigen Studienlage: Etwa 17 Prozent aller Frauen, die aus medizinischen Gründen einen Schwangerschaftsabbruch haben vornehmen lassen, kämpfen später mit Depressionen. Das lässt sich aber nicht auf alle Frauen anwenden, die eine Abtreibung hatten. Liegen medizinische Gründe vor, war das Baby zumeist ein Wunschkind, und es zu verlieren, ist ein harter Schicksalsschlag.

Liegen keine medizinischen Gründe vor, sind es zumeist besonders prekäre Lebensumstände, die die Frauen zum Schwangerschaftsabbruch treiben. Manche von ihnen werden durch eine Vergewaltigung schwanger, andere leben in Umständen, denen sie kein Kind aussetzen möchten.

Dazu kann eine gewaltsame Beziehung zählen oder eine Aufgabe, die eine Schwangerschaft unmöglich macht, etwa die Pflege Angehöriger oder die Tatsache, die einzige Verdienerin in der Familie zu sein. Frauen, die solche Gründe vorbringen können und sich reflektiert und aus freiem Willen zur Abtreibung entschließen, haben später deutlich weniger Schuldgefühle. Sie spüren zwar auch die psychische Belastung durch die Entscheidung, aber die Trauer führt bei ihnen zumeist nicht zu Depressionen.

Abtreibung gegen den eigenen Willen

Ein Schwangerschaftsabbruch aus persönlichen Gründen ist nur dann gestattet, wenn die Frau sich drei Tage lang eingehend hat beraten lassen. Viele Frauen entscheiden sich nach intensiven Gesprächen auch gegen den Eingriff. Vor allem junge und sehr unsichere Frauen aber können von ihrem Umfeld, etwa von den Eltern oder dem Partner, gegen ihren Willen zur Abtreibung gedrängt werden. Haben sie selbst kein Geld, keine Ausbildung und/oder keine Perspektive, glauben viele junge Frauen nicht, dass sie das Baby bekommen können. Wollen sie es aber eigentlich trotzdem haben, sind sehr schwere Schuldgefühle die Folge. Nicht selten kommt es zu lange anhaltenden Schlafstörungen, zu Angst- oder Zwangsstörungen oder zu Depressionen. Ähnliche Reaktionen wurden auch bei Frauen beobachtet, die mit dem Schwangerschaftsabbruch gegen ihre religiösen Überzeugungen handelten.

Allein mit der Trauer

Bei allen sich widersprechenden Thesen zu dem emotional aufgeladenen Thema Abtreibung kristallisiert sich ein Fakt heraus: Es gibt nur wenige Möglichkeiten für die Frauen, Hilfe bei ihrer Trauer- und Bewältigungsarbeit zu bekommen. Selbsthilfegruppen etwa, die den Austausch ermöglichen, sind selten und wenig frequentiert. Das kann unter Umständen daran liegen, dass das gesellschaftliche Stigma die Scham verstärkt; manche Frauen empfinden die Bürde der Schuldgefühle sogar als ausgleichende Gerechtigkeit für das, wozu sie sich entschlossen haben.

Führt das Hadern mit der eigenen Entscheidung sogar bis zu Depressionen, sollten die Betroffenen dringend eine Therapie beginnen, in der sie sich mit den Gründen für ihre Entscheidung auseinandersetzen. Eine Abtreibung ist ein kritisches Lebensereignis, kann aber verarbeitet werden, ohne dass es zu psychischen Langzeitwirkungen kommt. Nicht jede Frau aber schafft das allein. Psychotherapeuten, die Betroffenen weiterhelfen können, finden Sie direkt unter diesem Text.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
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