Nahrungsergänzungsmittel: gegen Krebs oder krebserregend?
Krebsvorbeugung durch Nahrungsergänzungsmittel?
Nahrungsergänzungsmittel sind beliebt. Angaben des Marktforschungsunternehmens Mintel zufolge ist der Umsatz des deutschen Nahrungsergänzungsmittelmarkts von 1,27 Mrd. Euro in 2019 im vergangenen Jahr um 6 Prozent auf 1,35 Mrd. Euro gestiegen. Infolge der COVID-19-Pandemie greifen 14 Prozent der Befragten häufiger zu Nahrungsergänzungsmitteln. Vor allem bei Älteren sind NEM beliebt. Laut der Mintel-Studie nehmen 34 Prozent der deutschen Verbraucher über 55 Jahre täglich Nahrungsergänzungsmittel zu sich.
Die drei beliebtesten Vitamine sind:
- Vitamin D
- Vitamin C
- Multivitamin
Die beliebtesten Mineralstoffe sind:
- Magnesium
- Kalzium
Die beliebtesten Spurenelemente sind:
- Eisen
- Zink
Viele hoffen, durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ihre Gesundheit zu stärken und Erkrankungen wie Krebs vorzubeugen. Doch eine Vielzahl verschiedener Studien schmälert diese Hoffnung: Eine präventive Wirkung lässt sich nicht erkennen. Im Gegenteil: Nahrungsergänzungsmittel können das Krebsrisiko sogar erhöhen.
Brauche ich Nahrungsergänzungsmittel?
Wer sich gesund und ausgewogen ernährt, braucht keine Nahrungsergänzungsmittel. Die Einnahme von NEM kann dann sinnvoll sein, wenn ein ärztlich diagnostizierter Mangel vorliegt. Dies kann beispielsweise bei Mangelernährung, Essstörungen, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Älteren der Fall sein. Haben Sie den Verdacht, einen Nährstoffmangel zu haben, suchen Sie Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt auf und lassen Sie ein Blutbild anfertigen. Wichtig zu wissen: Viele Blutuntersuchungen auf bestimmte Vitamine oder Mineralstoffe müssen Patientinnen und Patienten selbst bezahlen, etwa den Test auf Vitamin B12 oder Vitamin D.
Schützen Nahrungsergänzungsmittel vor Krebs?
Immer mehr Studien zeigen, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht vor Krebs schützen können – und auch eine Krebstherapie nicht positiv beeinflussen. Die Wirkung der isolierten Stoffe scheint sogar gesundheitsschädliches Potenzial zu haben. Krebsexperten sind sich daher einig: Eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung, dazu zählen beispielsweise ballaststoffreiches Getreide sowie Obst und Gemüse, ist ungeschlagen und kann das Krebsrisiko für einige der häufigeren Tumorarten nachweislich senken, darunter Brustkrebs und Darmkrebs. Allerdings gibt es auch Krebsarten, die durch eine gesunde Ernährung nicht beeinflussbar sind.
Welche Nahrungsergänzungsmittel das Krebsrisiko erhöhen können
Studien, welche den Einfluss von Vitaminen auf das Krebsrisiko untersuchten, zeigten wenig bis keine günstigen Effekte. Dafür brachten die Studien vermehrt negative Einflüsse auf das Krebsrisiko ans Tageslicht. So untersuchte beispielsweise die CARET-Studie den Einfluss von Vitamin A auf das Lungenkrebsrisiko von Rauchern. Die Raucher, die Beta-Carotin (Vorstufe von Vitamin A) einnahmen, zeigten eine höhere Lungenkrebsrate. Die Studie musste abgebrochen werden. Auch eine Studie, die Auswirkungen von Vitamin B6 und Vitamin B12 auf das Lungenkrebsrisiko untersuchte, zeigte: Statt wie erhofft das Krebsrisiko zu senken, erkrankten zumindest die männlichen Studienteilnehmer häufiger an Lungenkrebs.
Die amerikanische Krebspräventionsstudie „SELECT“ untersuchte den Einfluss der Einnahme von Selen und Vitamin E auf das Krebsrisiko. Auch diese Studie musste abgebrochen werden, da der erhoffte Schutz vor Prostatakrebs ausblieb. Im Gegenteil: Von den Männern, die Vitamin E eingenommen hatten, erkrankten mehr an einem Prostatakarzinom als in der Kontrollgruppe. Selen erhöhte ebenfalls das Prostatakrebsrisiko.
Nahrungsergänzung als Begleitung der Krebstherapie?
Die Krebsexperten des Krebsinformationsdienstes (KID) am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) betonen, dass Krebspatienten auf keinen Fall auf eigene Faust zu Vitaminpräparaten oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln greifen sollten. Unter Berücksichtigung der aktuellen Studienlage sei weder gesichert, dass isolierte Vitamine und Mineralstoffe den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen, noch sei eine Schutzwirkung vor einem Rückfall (Rezidiv) belegt. Manche isolierten Vitamine würden das Krebsrisiko sogar erhöhen. So deuteten Studien darauf hin, dass Vitamin E das Risiko für Metastasen (Tochtergeschwüre) erhöhe.
Ebenso rät das KID Krebspatientinnen und -patienten, mit Nahrungsergänzungsmitteln vorsichtig zu sein, weil unerwünschte und kritische Wechselwirkungen mit den Krebsmedikamenten auftreten können. Nahrungsergänzungsmittel für Krebskranke könnten dann eine Krebsbehandlung ergänzen, wenn eine ausreichende Nährstoffzufuhr nicht gewährleistet sei, etwa wenn der Erkrankte aufgrund der Therapie starken Appetitverlust habe. Dann könne unter ärztlicher Kontrolle die Substitution bestimmter Vitamine und Mineralstoffe angebracht sein.
Vitamin B und K: möglicherweise Schutzwirkung gegen Krebs
Hinweise auf einen möglicherweise positiven Effekt zeigen die Vitamine B und K. Vitamin B6 hat Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge womöglich einen vorbeugenden Effekt vor Lungenkrebs – bei Rauchern und Nichtrauchern gleichermaßen. Das habe eine Untersuchung ergeben, bei der Blutproben von an Lungenkrebs Erkrankten und gesunden Kontrollpersonen miteinander verglichen wurden. Nahrungsergänzung braucht es hierfür aber nicht. Vitamin B6 kommt in Hülsenfrüchten, Fisch, Fleisch, Hefe, Nüssen, Vollkornprodukten, Bananen, Aprikosen, Johannisbeeren, Grünkohl, Rosenkohl und Spinat vor.
Bezüglich Vitamin K stellten Wissenschaftler aus Heidelberg in einer Studie mit fast 25.000 Teilnehmern im Alter zwischen 35 und 64 Jahren fest: Durch eine hohe Aufnahme von Vitamin K2, den sogenannten Menachinonen, kann das Krebs- und das Sterberisiko sinken. Bei Männern war der Effekt stärker als bei Frauen. Vitamin K2 kommt vor allem in Käse vor. Auch hier kann über eine gesunde und ausgewogene Ernährung der Körper ausreichend mit wichtigen Vitaminen versorgt werden. Und genau das entspricht den Empfehlungen der Krebsexperten: Den Körper mit natürlichen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen aus einer gesunden und ausgewogenen Ernährung zu versorgen. Dann sind auch keine Wechselwirkungen, Überdosierungen und kein erhöhtes Krebsrisiko durch NEM zu befürchten.
Quellen:
Deutscher Markt für Nahrungsergänzungsmittel erreicht 2020 Umsatz von 1,35 Mrd. Euro. Online-Information des Marktforschungsunternehmens Mintel.
Vitamine und Spurenelemente: (K)ein Plus für die Gesundheit? Online-Information des Krebsinformationsdienstes (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).
Ernährung und Krebsvorbeugung. Online-Information des Krebsinformationsdienstes (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).
Gesundheitliche Bewertung von Aminosäuren. Online-Information des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).
Nahrungsergänzungsmittel: Große Versprechen, k(l)eine Wirkung. Online-Information des Krebsinformationsdienstes (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).
Mit Vitaminen Krebs vorbeugen? Online-Information der Deutschen Krebsgesellschaft.