Diabetes Typ 1: Wenn die Bauchspeicheldrüse versagt
Was ist Diabetes Typ 1?
Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung. Das körpereigene Immunsystem stuft die Betazellen, welche Insulin in der Bauchspeicheldrüse bilden, fälschlicherweise als feindlich ein – und bekämpft sie. Die Angriffe der Autoantikörper verursachen anhaltende Entzündungsprozesse, welche die Betazellen schädigen. Schließlich können die Betazellen nur noch sehr geringe Mengen oder gar kein Insulin mehr bilden. Das führt dazu, dass die Glukose aus der Nahrung nicht mehr von den Körperzellen aufgenommen wird: Der Blutzucker steigt. Es kommt zu einer gefährlichen Überzuckerung (Hyperglykämie). Betroffene mit Typ-1-Diabetes müssen daher täglich Insulin spritzen – angepasst an ihre Ernährung und ihr Bewegungsverhalten. Denn ohne Insulin kann der Körper keine Nahrung verwerten und den Blutzuckerspiegel nicht stabil halten.
Ursachen: Wann bekommt man Diabetes Typ 1?
Ein fehlgesteuertes Immunsystem spielt als Auslöser von Diabetes Typ 1 die Hauptrolle. Da das Immunsystem die eigenen (auto) Körperzellen der Bauchspeicheldrüse – die Betazellen – angreift, sprechen Ärzt:innen von einer Autoimmunerkrankung. Eine Autoimmunkrankheit ist durch die Attacke der Abwehrzellen des Immunsystems gegen körpereigene Gewebe gekennzeichnet. Eine genetische Veranlagung erhöht das Erkrankungsrisiko: In einigen Familien tritt Diabetes Typ 1 gehäuft auf. Ist die eigene Mutter, der eigene Vater, der Bruder oder die Schwester an Typ-1-Diabetes erkrankt, ist das eigene Risiko ungefähr 15-fach höher. Interessant zu wissen: Mithilfe eines Gentests kann das Risiko, Typ-1-Diabetes zu entwickeln, bereits bei Säuglingen bestimmt werden.
Eine genetische Veranlagung bedeutet jedoch nicht, dass Typ-1-Diabetes in jedem Fall ausbricht. Von 100 Menschen mit erhöhtem genetischem Risiko erkranken nur zehn Personen. Was letztendlich zum Ausbruch des Diabetes Typ 1 führt, ist noch nicht abschließend geklärt. Wissenschaftler:innen diskutieren verschiedene Umweltfaktoren wie Infektionen (etwa mit Coxackie-Viren) sowie die Ernährung im frühen Säuglingsalter (etwa die Fütterung glutenhaltiger Lebensmittel). Auch ein Kaiserschnitt scheint das Risiko bei genetisch vorbelasteten Kindern zu erhöhen, einen Diabetes Typ 1 zu entwickeln. Wichtig: Typ-1-Diabetes hat nichts mit einer ungesunden Ernährung, Übergewicht oder Bewegungsmangel zu tun. Diese Risikofaktoren begünstigen Diabetes Typ 2, umgangssprachlich auch als „Altersdiabetes“ bezeichnet. Allerdings erkranken immer mehr jüngere Menschen an dem erworbenen Diabetes.
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Die drei Stadien der Krankheitsentstehung
Die Angriffe des Immunsystems gegen die insulinbildenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse bleiben im Frühstadium der Erkrankung meist unerkannt. Mediziner unterscheiden drei Stadien der Krankheitsentstehung von Diabetes Typ 1:
Stadium 1: Es sind noch keine Auffälligkeiten im Stoffwechsel feststellbar und die Betroffenen sind beschwerdefrei. Allerdings lassen sich im Blut bereits charakteristische Antiköper nachweisen.
Stadium 2: Erste Störungen des Zuckerstoffwechsels sind feststellbar, doch die Betroffenen sind meist noch beschwerdefrei.
Stadium 3: Typische Diabetes Typ 1-Symptome sind feststellbar. Der Körper bildet deutlich zu wenig Insulin. Jetzt ist eine Insulingabe notwendig.
Symptome: Wie macht sich Diabetes Typ 1 bemerkbar?
Anhaltend zu hohe Blutzuckerwerte sind das klassische Symptom eines Diabetes Typ 1. Die zu hohen Zuckerwerte selbst kann man allerdings nicht direkt spüren. Vielmehr sind es unspezifische Symptome, welche die Betroffenen plötzlich bemerken, etwa:
- starker Durst
- vermehrter Harndrang
- Müdigkeit
- Antriebsschwäche
- Gewichtsabnahme
- Muskelschwäche
- schlechte Wundheilung
- trockene Haut
- Sehstörungen
- Übelkeit
- Schwindel
- Bewusstseinsstörungen bis hin zu Bewusstlosigkeit
Diabetes Typ 1: Wann treten die Symptome auf?
Starker Durst und vermehrter Harndrang über eine längere Zeit hinweg sind „klassische“ Warnsymptome. Der Körper versucht, den Glukoseüberschuss über die Nieren auszuscheiden. Hierfür braucht er eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr – was in Folge zu häufigem Harndrang führt. Bei Typ-1-Diabetes können sich die genannten Symptome innerhalb von wenigen Wochen oder sogar Tagen entwickeln. Relativ schnell droht dann durch die anwachsende Überzuckerung des Körpers eine schwerwiegende Stoffwechselentgleisung, eine sogenannte diabetische Ketoazidose. Diese kann in ein ketoazidotisches Koma münden, das schlimmstenfalls tödlich ist.
Was ist bei Diabetes Typ 1 gefährlich?
Diabetes birgt zwei akute Risiken: eine Überzuckerung und eine Unterzuckerung. Bei einer Überzuckerung, auch Hyperglykämie genannt, steigt der Blutzuckerwert stark an. Bei sehr hohen Blutzuckerwerten handelt es sich um einen akuten Notfall, da dann ein diabetisches Koma droht. Bei einer Unterzuckerung, auch Hypoglykämie genannt, sinkt der Blutzuckerwert – meist bedingt durch die Diabetes-Medikation – zu stark ab. Schwere Unterzuckerungen können zur Krämpfen, Bewusstlosigkeit bis hin zum Koma führen und sind lebensbedrohlich.
Auch die möglichen Langzeitfolgen eines Diabetes sind gesundheitskritisch. Wird ein Diabetes Typ 1 nicht behandelt beziehungsweise gut eingestellt und sind die Blutzuckerwerte anhaltend zu hoch, nehmen die Blutgefäße Schaden. Besonders die kleinen Blutgefäße der Augen, der Nerven und der Nieren sind gefährdet. Doch auch die großen Blutgefäße des Herzens und des Gehirns können Schaden nehmen, was das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht. Außerdem können Durchblutungsstörungen und Nervenstörungen auftreten, welche Empfindungsstörungen zur Folge haben. Gefährlich ist das vor allem am Fuß, wenn kleine Wunden übersehen werden und sich diese chronisch entzünden. Da bei Diabetes zudem die Wundheilung beeinträchtigt ist, kann es in schlimmen Fällen passieren, dass Teile des Fußes oder der gesamte Fuß amputiert werden muss. Ärzt:innen sprechen von diabetischem Fuß.
Risiko für Augen, Füße, Nieren und Nerven: Folgekrankheiten von Diabetes
In Folge eines unbehandelten oder schlecht eingestellten Diabetes Typ 1 ist das Risiko unter anderem für folgende Erkrankungen stark erhöht:
Diabetischer Fuß: Der Begriff „diabetischer Fuß“ umfasst alle diabetesbedingten Veränderungen am Fuß, die zu Wunden und Gewebsschäden führen. Die Wunden können, werden sie nicht frühzeitig erkannt und behandelt, sehr groß werden und tief in das Hautgewebe hineinreichen. Im schlimmsten Fall müssen Zehen oder sogar der Fuß abgenommen (amputiert) werden.
Diabetische Retinopathie: Diabetes kann die kleinsten Blutgefäße in den Augen und damit auch die Netzhaut schädigen. Augenerkrankungen, die mit einer Diabetes-Erkrankung in Zusammenhang stehen, sind vielfältig: Es können Veränderungen der kleinen Gefäße der Netzhaut (Retinopathie) und des gelben Flecks (Makulopathie) auftreten. Der gelbe Fleck, die Makula, ist der Netzhautbereich des schärfsten Sehens. Dort befinden sich die meisten Sehsinneszellen, darunter auch jene für die Farbwahrnehmung und die Lesefähigkeit. Auch kann sich Grauer Star (Linsentrübungen, Katarakt) oder Grüner Star (Glaukom) entwickeln. Ebenso sind Entzündungen an Ober- und Unterlid möglich. Diabetische Augenschäden können zur Erblindung führen.
Diabetesassoziierte Nephropathie: Hierbei handelt es sich um eine diabetesbedingte Schädigung der Nieren. Anhaltend zu hohe Blutzuckerwerte schädigen die feinen Blutgefäße in den Nierenkörperchen. Die Gefäßwände werden durchlässiger, die Durchblutung verschlechtert sich und die Funktion der Nieren wird schlechter. Im schlimmsten Fall droht ein Nierenversagen.
Diabetische Neuropathie: Unter dem Begriff „diabetische Neuropathie“ sind Krankheitsbilder zusammengefasst, bei denen diabetesbedingt Nervenschäden entstanden sind. Sind mehrere Nerven betroffen, sprechen Ärzte von einer Polyneuropathie. Betroffene spüren Nervenschädigungen häufig in Form von Missempfindungen der Haut, Taubheitsgefühlen, Kribbeln, Brennen und Schmerzen.
Sexuelle Funktionsstörungen: Da anhaltend zu hohe Blutzuckerwerte die feinen Gefäße schädigen, zu Durchblutungsstörungen führen und das Hormongleichgewicht stören, sind Diabetes-Betroffene häufiger von sexuellen Funktionsstörungen wie Erektionsstörungen, Ejakulationsstörungen und Orgasmusstörungen betroffen als Menschen ohne Diabetes.
Wie stellt der Arzt die Diagnose Diabetes Typ 1?
Meistens bricht die Autoimmunerkrankung im Alter zwischen zehn und 15 Jahren aus. Plötzlich starker Durst, häufiger Harndrang und intensive Erschöpfung sollten Betroffene ärztlich abklären und sich an ihre Hausarztpraxis oder eine Kinderarztpraxis wenden. Bei Verdacht auf einen Diabetes mellitus wird der Arzt oder die Ärztin mehrere Blutproben nehmen und den Zuckergehalt des Blutes im Tagesverlauf messen – nüchtern, kurz nach dem Essen und vor dem nächsten Essen. Zudem wird der Arzt oder die Ärztin den Langzeitblutzucker, genauer: den HbA1c-Wert, im Labor bestimmen lassen. Der HbA1c-Wert im Blut gibt an, wie hoch der durchschnittliche Blutzuckerwert in den letzten zwei bis drei Monaten war.
Diabetes-Therapie: Wie wird Diabetes Typ 1 behandelt?
Menschen mit einem Diabetes Typ 1 müssen ihrem Körper mehrmals täglich Insulin zuführen. Das kann über einen Insulin-Pen, eine Spritze oder eine Insulinpumpe geschehen. Es gibt verschiedene Insuline und Behandlungskonzepte. Außerdem müssen Betroffene ihren Blutzuckerwert im Blick behalten, um Über- oder Unterzuckerungen zu vermeiden. Spezielle Blutzuckermesseräte helfen dabei. Überzuckerung ist die Folge eines unzureichend behandelten Diabetes mellitus. Unterzuckerung ist meist eine Nebenwirkung der Behandlung mit blutzuckersenkenden Medikamenten.
Vor jedem Essen, aber auch im Rahmen von sportlichen Aktivitäten müssen Betroffene den Blutzuckerwert bestimmen und dem Körper entsprechend Insulin verabreichen. Da die Insulintherapie einiges an Aufwand erfordert, fühlen sich Betroffene, vor allem junge Menschen, oft stark durch die Stoffwechselkrankheit beeinträchtigt. Dennoch sind Disziplin und Sorgfalt wichtig. Durch die Insulin-Therapie lassen sich der Blutzuckerspiegel stabilisieren und das Risiko für langfristige Komplikationen senken.
Lesetipp: Expertenrat. Essen richtig planen: Was Diabetespatienten vor dem Essen beachten müssen.
Wie lange kann man mit Diabetes Typ 1 leben?
Diabetes Typ 1 ist nicht heilbar. Dennoch können Betroffene mit einer gut eingestellten Insulin-Therapie ihr Leben fast normal gestalten. Auch wenn die Therapie viel Disziplin braucht, ist der Tagesablauf der Betroffenen nicht mehr so stark beeinflusst wie noch vor mehreren Jahren. Eine konsequente Diabetes-Behandlung senkt das Risiko für Langzeitschäden. Auch mit einem Typ-1-Diabetes können Betroffene heute alt werden. Früher war das anders: Ohne die Insulin-Therapie führte die Autoimmunkrankheit zum Tod.
Quellen: