Strabismus: Formen, Ursachen & Behandlung von Schielen
Definition: Was ist Strabismus?
Strabismus ist die medizinische Bezeichnung für das Schielen. Bei gesunden Menschen stehen beide Augen parallel, das heißt, sie schauen und bewegen sich in dieselbe Richtung. Klappt das nicht, kommt es zum Schielen – mal sehr deutlich sichtbar, mal von außen kaum erkennbar. Oft ist die Fehlstellung dauerhaft, manchmal tritt sie aber auch nur unter bestimmten Umständen auf.
Arten & Ursachen: Warum schielen Menschen?
Die direkte Ursache für das Schielen ist ein Ungleichgewicht der Augenmuskeln: Die Kraft, mit der die Muskulatur den Augapfel in verschiedene Richtungen zieht, ist nicht symmetrisch verteilt. Durch das unterschiedlich starke beziehungsweise schwache Ziehen weicht das Auge von der normalen Sehachse ab. Das macht die Fusion schwierig bis unmöglich.
Wann tritt das Schielen auf?
- nur unter bestimmten Bedingungen: latentes Schielen (Heterophorie)
- immer: manifestes Schielen (Heterotropie) in verschiedenen Formen
Verschiedene Arten des Schielens
Das latente Schielen (Heterophorie) fällt in der Regel weder Betroffenen noch Außenstehenden auf, weil die ungleiche Funktion der Augenmuskeln vom Gehirn kompensiert werden kann. Wenn aber erhöhte Belastungen die Fusion zusätzlich erschweren, klappt das nicht mehr. Müdigkeit, Stress oder Alkoholkonsum sind deshalb klassische Ursachen für das Auftreten des sonst versteckten Schielens.
Beim Begleitschielen (Strabismus concomitans) kann das Ungleichgewicht nicht kompensiert werden – das Schielen ist immer da. Es handelt sich also um eine Heterotropie. Die Abweichung von der Normalstellung ist hierbei immer gleich groß, egal in welche Richtung der Blick sich wendet. Häufig ist diese Fehlstellung angeboren. Die genauen Ursachen sind dann oft unklar.
Das Lähmungsschielen (Strabismus paralyticus oder Strabismus incomitans) tritt recht plötzlich auf, wobei der Schielwinkel je nach Blickrichtung unterschiedlich stark ausgeprägt ist – je nachdem, welche Augenmuskeln für die jeweilige Bewegung benötigt werden. Die Ursache dafür ist entweder eine Lähmung der äußeren Augenmuskeln oder ein Nervenschaden. Der Auslöser dafür wiederum können Verletzungen, Entzündungen, Tumore, Muskelerkrankungen oder auch Durchblutungsstörungen sein. Abhängig von der Lähmungsursache kann der Strabismus paralyticus dauerhaft bleiben oder nach der Behandlung der Grunderkrankung wieder verschwinden.
Symptome: Schielrichtungen
Schielen ist nicht gleich Schielen. Die Schielrichtung wird danach benannt, in welche Richtung die Sehachse verschoben ist.
Horizontales Schielen:
- Strabismus convergens (Esotropie): Beim Innenschielen rutscht die Sehachse nach innen.
- Strabismus divergens (Exotropie): Beim Außenschielen rutscht die Sehachse nach außen.
Vertikales Schielen:
- Hypertropie: Beim Höhenschielen steht ein Auge höher als das andere.
- Hypotropie: Beim Abwärtsschielen steht ein Auge tiefer als das andere.
Zyklotropie: Beim Verrollschielen sitzen beide Augen scheinbar richtig, die Sichtachse ist allerdings gekippt. Diese Form des Schielens ist oft nur aus einem bestimmten Blickwinkel von außen zu erkennen.
All diese Formen können auch als sogenannter Mikrostrabismus auftreten: Die Abweichung von der Sehachse ist so gering, dass sie von außen nicht erkennbar ist. Das ist besonders tückisch, da auch diese minimalen Abweichungen zu immensen Beschwerden führen können, wenn die Augenfehlstellung nicht behandelt wird.
Symptome: Begleiterscheinungen des Schielens
Dauerhaftes Schielen ist kein rein kosmetisches Problem, sondern kann eine ganze Reihe körperlicher Beschwerden mit sich bringen:
- Verringerung der Sehkraft
- Verschlechterung des räumlichen Sehens
- Sehen in Doppelbildern
- Kopfschmerzen
- zitternde Augen (Nystagmus)
- verstärktes Blinzeln
- hohe Lichtempfindlichkeit
- brennende Augen
- Leseschwierigkeiten
- Konzentrationsprobleme
Wie stark die Symptome sind, hängt nicht zuletzt davon ab, wie stark das Schielen ausgeprägt ist:
- Beim latenten Schielen leidet nur etwa ein Zehntel der Betroffenen unter spürbaren Beschwerden.
- Bei starkem Schielen kann das räumliche Sehen so stark eingeschränkt sein, dass die Koordination beeinträchtigt wird – die Betroffenen wirken dadurch häufig ungeschickt.
Auch die Art des Schielens verändert die Symptomatik:
- Bei einseitigem Schielen ist das betroffene Auge oft schwachsichtig (Amblyopie).
- Begleitschielen geht oft mit Weitsichtigkeit einher.
- Menschen mit Lähmungsschielen halten häufig den Kopf schief – das entlastet den ausgefallenen Muskel und mindert das Doppeltsehen. Alternativ kneifen sie das betroffene Auge zu.
Mitunter sind es diese Begleiterscheinungen, die dabei helfen, eine Fehlstellung der Augen zu diagnostizieren, auch wenn die Verschiebung der Sehachse nicht erkennbar ist.
Therapie: Ist Schielen heilbar?
Strabismus ist behandelbar. Wie gut, hängt von der Ursache ab. Zunächst muss daher abgeklärt werden, ob es sich um eine muskulär bedingte Augenfehlstellung handelt oder ob das Schielen ein Symptom einer anderen Erkrankung ist. Infrage kommen etwa Fehlsichtigkeit, Hornhautverletzungen, neurologische Probleme oder sensorische Störungen bei der Kopplung zwischen Augenmuskel und Gehirn.
Schielende Babys sind übrigens keine Seltenheit – und oft nur eine optische Täuschung, weil die Augenlider bei den Kleinen noch recht tief sitzen. Dennoch sollte der Kinderarzt einen Blick darauf werfen, um ein ernsthaftes Sehproblem auszuschließen.
Therapie: Was kann man gegen das Schielen machen?
Bei der Schieltherapie sind zwei Aspekte wichtig:
- Verhindern oder Eindämmen einer Schwachsichtigkeit
- Korrektur der Sehachse
Bei Kindern wird Schielen zunächst mit nicht invasiven Mitteln therapiert, die aber von den jungen Patienten und ihren Eltern viel Disziplin verlangen:
- Brille gegen mögliche Sehfehler
- Fusionsschulung – Augentraining, um Doppelbilder zu verringern
- Okkulationsbehandlung – hierbei wird immer abwechselnd ein Auge abgeklebt, um auch das schwache Auge zur Arbeit zu zwingen.
Mit einer solchen Therapie muss möglichst früh begonnen werden, denn Schielen kann schädlich sein, wie die zahlreichen möglichen Symptome zeigen. Daher sind die Sehtests im Zuge der U-Untersuchungen bei Kindern so wichtig. Die Behandlung dauert meistens bis zum zwölften Lebensjahr. Ein verbleibender Schielwinkel kann danach operativ korrigiert werden.
Für Erwachsene sieht die Behandlung ganz ähnlich aus – allerdings verspricht die Okkulationstherapie hier keinen Erfolg mehr. Stattdessen kommt bei einseitigem Schielen häufiger eine Prismenbrille zum Einsatz: Ein Glas wird mit Spezialfolie abgeklebt. Der veränderte Lichteinfallswinkel verhindert das Doppeltsehen.
Therapie: Schiel-OP oder Augen-Lasern?
Eine Schiel-Operation kommt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene infrage. Dabei verändert der Chirurg die Länge oder Position einzelner Augenmuskeln. Das kann unter zwei Gesichtspunkten sinnvoll sein:
- Durch eine Manipulation des Augenmuskels lassen sich die körperlichen Beschwerden lindern.
- Die kosmetische Korrektur der Blickrichtung soll dem Patienten psychischen Druck nehmen.
Bei Kindern wird unter Vollnarkose operiert, bei Erwachsenen reicht in der Regel eine örtliche Betäubung. Manchmal braucht es mehrere OPs, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Der Eingriff gilt als relativ risikoarm.
Mit einer Laserbehandlung kann ausschließlich Fehlsichtigkeit korrigiert werden. Das ist grundsätzlich auch mit schielenden Augen möglich – aber das Schielen selbst verschwindet durch das Lasern nicht!