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Sterbehilfe: Wie ist das Gesetz in Deutschland?

In Deutschland ist Sterbehilfe ein umstrittenes Thema. Juristen unterscheiden zwischen aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe sowie assistiertem Suizid. Unter welchen Voraussetzungen ist eine Berücksichtigung des Todeswunsches von Schwerstkranken in Deutschland gestattet? Wie ist die aktuelle Situation zur Sterbehilfe in Deutschland?

Was ist Sterbehilfe?

Der Begriff „Sterbehilfe“ kann unterschiedlich verstanden werden. Er kann zum einen "Hilfe im Sterben", also "Sterbebeistand" oder "Sterbebegleitung" ausdrücken. Dann umfasst er die Unterstützung Sterbender durch Pflege, schmerzlindernde Behandlung sowie menschliche Zuwendung. Andererseits kann „Sterbehilfe“ auch "Hilfe zum Sterben" bedeuten und meint dann das Töten oder Sterbenlassen eines schwer kranken Menschen aufgrund seines ausdrücklichen Wunsches. Mit letzterem befasst sich dieser Artikel. In Deutschland werden verschiedene Begrifflichkeiten bei der Sterbehilfe im Sinne des Sterbelassens unterschieden. Welche Art der Sterbehilfe ist in Deutschland erlaubt – und welche nicht?

Aktive Sterbehilfe: in Deutschland gesetzlich verboten

Von aktiver Sterbehilfe spricht man, wenn ein Mensch auf eindrückliches Verlangen mit Hilfe einer tödlichen Substanz getötet wird, etwa wenn ein Arzt oder Pfleger dem Patienten auf Wunsch ein tödlich wirkendes Medikament verabreicht. Viele Schwerstkranke wünschen sich diese Art der Sterbehilfe, weil sie ihre Krankheit und die damit einhergehende Lebenssituation als quälend erleben und nicht länger ertragen möchten. Viele Patienten mit einer schweren Erkrankung haben daher gegen das Verbot der aktiven Sterbehilfe geklagt. Doch es gilt weiterhin: Ärzte und Pfleger dürfen Patienten auf deren eindringlichen Wunsch hin nicht das Leben nehmen.

Zum Sterben ins Ausland gehen?

Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland als Tötung auf Verlangen strafbar und wird mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet. Anders sieht das in anderen Ländern aus, etwa in den Niederlanden, in Luxemburg, Belgien, der Schweiz und Spanien. Dort ist aktive Sterbehilfe erlaubt. Aus diesem Grund entscheiden manche Schwerstkranke, in diese Länder zu reisen und sich dort ein tödlich wirkendes Medikament verabreichen zu lassen.

Was ist passive und indirekte Sterbehilfe?

Von passiver Sterbehilfe ist die Rede, wenn bei Sterbenden lebensverlängernde Maßnahmen eingestellt werden (Verzicht, Abbruch oder Reduzierung eingeleiteter lebensverlängernder Maßnahmen), etwa die Gabe von bestimmten Medikamenten oder das Abschalten der künstlichen Beatmung. Indirekte Sterbehilfe bedeutet das Inkaufnehmen eines verfrühten Todes aufgrund einer schmerzlindernden Behandlung im Einverständnis mit dem Betroffenen, beispielsweise wenn eine hoch dosierte, lebensverkürzende Schmerzbehandlung mit Morphin durchgeführt wird. Die passive und die indirekte Sterbehilfe dürfen vollzogen werden, wenn der Patient dies in einer guten Patientenverfügung selbst verbindlich festgelegt hat. Auch wenn ein Familienmitglied die Vollmacht für einen Angehörigen hat, darf es entscheiden, wie verfahren wird.

Die passive Sterbehilfe durch Unterlassen oder Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen ist laut Bundesgerichtshofs in Deutschland erlaubt, wenn sie dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht. Der Patientenwillen kann in einer Patientenverfügung festgehalten sein oder der Patient kann diesen Wunsch dem Ärzteteam und den Pflegenden gegenüber einfordern. Kann sich der Patient nicht äußern und liegt keine oder keine hinreichend konkrete Patientenverfügung vor, gilt es, den mutmaßlichen Wille des Patienten zu ermitteln. Auch die indirekte Sterbehilfe ist in Deutschland zulässig.

Assistierter Suizid (Suizidhilfe): Beihilfe zum Selbstmord

Assistierter Suizid bedeutet „Hilfe zur Selbsttötung“ oder „Beihilfe zum Suizid“, etwa wenn ein Patient sterben möchte und ein Gift beziehungsweise tödlich wirkendes Medikament zu Verfügung gestellt bekommt, welches er selbst einnimmt. Die Politik berät derzeit über eine Neuregelung der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe durch Sterbehilfevereine. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 muss der Bundestag das selbstbestimmte Sterben neu regeln. Das Verfassungsgericht hat das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt. Seit dem Urteil befindet sich der assistierte Suizid in einer rechtlichen Grauzone.

Interessant zu wissen: Die Beihilfe zu einem Suizid durch Angehörige des Sterbewilligen, ist straffrei. Da der Suizid in Deutschland straflos ist, wird auch die Beihilfe zur Selbsttötung als solche nicht geahndet. Unter Umständen macht sich jedoch der Suizidhelfer nach dem Betäubungsmittelrecht strafbar.

Braucht es trotz Palliativmedizin Suizidassistenz?

Palliativmedizin bietet, so die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, durch „klinische Behandlung, Versorgung und Unterstützung eine Vorbeugung und Linderung von Leiden für Menschen mit einer lebenslimitierenden oder lebensbedrohenden Erkrankung“. Palliativmedizin als ein Bestandteil von Palliative Care (Palliativversorgung) hat das Ziel, körperliche Symptome zu verbessern, etwa Schmerzen, Übelkeit und Atemnot. Palliativmedizin wird im Sinne einer individuellen und ganzheitlichen Versorgung von multiprofessionellen Teams ausgeführt. Gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen werden palliativ-medizinische Maßnahmen abgestimmt. Doch auch wenn die Symptomlinderung und die Erhaltung der Lebensqualität im Fokus der palliativen Betreuung liegt, ist der Leidensdruck mancher Patienten so groß, dass sie nicht mehr leben möchten. Sie wünschen sich, ein tödlich wirkendes Medikament nehmen zu dürfen, um ihrem Leiden unter der schweren Krankheit ein Ende zu bereiten.

Sterbefasten: Sterben durch nicht mehr essen und trinken

In Deutschland haben Schwerstkranke nur wenige Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Sterben. Eine Art des „Vorverlegen des Sterbens“, ist der „freiwillige Verzicht auf Essen und Trinken“ kurz, FVET. Der Entscheidung des Verzichts, der umgangssprachlich auch als „Sterbefasten“ bekannt ist, liegt oftmals der Wunsch zugrunde, kein Pflegefall sein zu wollen oder einer schweren Krankheit zeitnah und selbstbestimmt ein Ende zu setzen. Schmerzlinderung sowie die Verbesserung anderer krankheitsbedingter Symptome durch die Betreuung eines Palliativteams reichen für Menschen mit Sterbewunsch oft nicht aus. Sie suchen nach anderen Möglichkeiten, um den eigenen Tod herbeizuführen. So wie der Körper im Sterbeprozess Hunger und Durst einstellt, um sterben zu können, so verzichten Menschen, die sich für das Sterbefasten entscheiden, aktiv dafür, nichts mehr zu essen und zu trinken, um sterben zu können.

Freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (FVET) gut vorbereiten

Dieser schwere Weg, der ein Nierenversagen herbeiführt und durch die Ansammlung von Giftstoffen im Körper zum Organversagen und Sterben führt, sollte gut überlegt, vorbereitet und begleitet sein. Ärzte und Pflegende können dabei ebenso unterstützen wie Angehörige. Der erste Kontakt ist der behandelnde Arzt oder die Ärztin. Dieser beziehungsweise diese kann auch Kontakte für die weitere Beratung vermitteln. Der Patient muss entscheidungsfähig sein. Und es braucht eine ausdrückliche Erklärung des Kranken, diesen Verzicht freiwillig zu wählen. Eine Patientenverfügung sowie eine schriftlich verfasste Erklärung des Sterbewunsches sind hierfür wichtige Dokumente.

Ebenfalls kann es ratsam sein, einen anderen Menschen zu bevollmächtigen, Entscheidungen zu treffen, wenn man es selbst nicht mehr kann, etwa was die Gabe von Medikamenten angeht. Hier kann sogar eine rechtliche Beratung sinnvoll sein. Auch Pflegemaßnahmen müssen besprochen und geplant werden, darunter Mundpflege gegen Mundtrockenheit. Sterbefasten braucht nicht nur eine genaue Planung, sondern auch enorme Willenskraft und Mut, die 14 Tage oder länger durchzustehen. Es braucht Begleitung von lieben Menschen. Und auch Verständnis, wenn der Verzicht aufgegeben wird. In den ersten Tagen ist die Entscheidung reversibel. Es gibt einen Weg zurück.

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Die meisten Menschen möchten ihr Lebensende in häuslicher Atmosphäre verbringen. Ob zuhause oder in einer Einrichtung – für die Begleitung beim FVET ist es unabdingbar, dass genügend Personen zur Verfügung stehen, die bereit und entsprechend geschult bzw. vorbereitet sind, diesen Prozess zu begleiten. Wir empfehlen, den FVET aufgrund der zu erwartenden komplexen Belastungen in einer stationären Einrichtung (z. B. Hospiz, stationäre Pflegeeinrichtung mit Hospizkultur) durchzuführen.
— „ZUR BEGLEITUNG BEIM FREIWILLIGEN VERZICHT AUF ESSEN UND TRINKEN (FVET)“ Handreichung der Sektion Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
Im ersten Moment scheint der Verzicht auf Essen und Trinken und damit der bewusst und freiwillig gefasste Wunsch, zu verhungern und zu verdursten ein Suizid, also eine Selbsttötung/ ein Selbstmord zu sein. Es gibt Experten, die dem Begriff „Suizid“ in diesem Zusammenhang kritisch gegenüberstehen. So empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, den „Freiwilligen Verzicht“ als ‚eigene Kategorie‘ zu definieren, da er sich deutlich von einem Suizid oder Behandlungsabbruch unterscheide. Im Gegensatz zum assistierten Suizid sei der FVET ein Prozess, der bis zu einem gewissen Zeitpunkt reversibel sei, wenn der/die Sterbewillige sich dazu entscheide. Gerechter werde der FVET daher die Bezeichnung „Vorverlegen des natürlichen Sterbens“. Dadurch sei die ärztliche Begleitung auch nicht als Begleitung bei der Selbsttötung zu sehen, sondern als Sterbebegleitung. Beim Verzicht auf Essen und Trinken würden Prozesse des natürlichen Sterbens in Gang kommen, was im Totenschein als „natürlicher Tod“ notiert werden dürfe.
Es ist empfehlenswert, den Hausarzt oder die Hausärztin frühzeitig über den Wunsch des Sterbefastens zu informieren. Dies ist zwar nicht zwingend erforderlich, im Rahmen der Versorgung und der vertrauensvollen und unterstützenden Zusammenarbeit aber sinnvoll. Soll der freiwillige Verzicht auf Essen und Trinken im häuslichen Umfeld stattfinden, so „muss sichergestellt sein, dass für den Patienten/die Patientin eine 24-Stunden-Begleitung gewährleistet ist, z. B. mit Sicherstellung einer Rufbereitschaft eines pflegerischen und ärztlichen Teams wie in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV)“, so die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Des Weiteren rät die Gesellschaft ein ärztliches Gesamtkonzept zu erstellen, das die Arzneimittelgabe und Reduktion der Flüssigkeitsgabe berücksichtigt.
Ab einem gewissen Punkt ist die Wiederaufnahme von Essen und Trinken nicht mehr möglich, weil die Organe bereits zu großen Schaden erlitten und ihre Funktion eingebüßt haben. Ein genauer Zeitpunkt lässt sich hierfür nicht festlegen. Wie schnell der Körper „abbaut“ ist unter anderem vom aktuellen Gesundheitszustand und dem Fortschreiten der schweren Erkrankung abhängig. Experten zufolge lässt sich in den ersten Tagen nach dem Verzicht der Weg noch zurückgehen. Je länger der Patient oder die Patientin ohne Essen und Trinken bleibt, desto schwächer wird er oder sie und desto näher rückt das Versagen der Körperfunktionen. Eine Einschätzung kann im individuellen Fall das begleitende Palliativ- oder Pflegeteam geben.

Quellen:

drze.de: „Sterbehilfe“. Online-Information des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (drze).

dgpalliativmedizin.de: „Zur Begleitung beim freiwilligen Verzicht aus Essen und Trinken (FVET)“. Handreichung (PDF) der Sektion Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP).

dgpalliativmedizin.de: „Fragebogen zur Vorbereitung eines freiwilligen Verzichts auf Essen und Trinken (FVET)“. Fragebogen (PDF) der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP).

deutschlandfunkkultur.de: „Nichts essen und trinken bis in den Tod“. Online-Information von Deutschlandfunk Kultur.

stiftung-patientenschutz.de: „Sterbehilfe“. Online-Information der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

caritas.de: „Indirekte Sterbehilfe“. Online-Information der Caritas.

ndr.de: „Wie wird die Sterbehilfe in Deutschland neu geregelt?“. Online-Information des Norddeutschen Rundfunks (NDR).

bundesverfassungsgericht.de: „Leitsätze zum Urteil des Zweiten Senats vom 26. Februar 2020“. Online-Information des Bundesverfassungsgericht.

sterbehilfe.de: „Häufige Fragen zur Sterbehilfe“. Online-Information des Vereins Sterbehilfe.

bmj.de: „Patientenverfügung“. Online-Ratgeber (PDF) des Bundesministeriums für Justiz.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
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