Der Sterbeprozess: So stirbt ein Mensch
Sterbeprozess des Menschen: Die vier Phasen der Palliativversorgung
In der Palliativpflege werden vier Palliativ-Phasen unterschieden, orientiert an der Arbeit von Ingeborg Jonen-Thielemann, der Begründerin der ersten Palliativstationen in Deutschland:
- Rehabilitationsphase
- Präterminalphase
- Terminalphase
- Finalphase
Die Einordung des Krankheits- beziehungsweise Sterbeprozesses in verschiedene Phasen hilft allen Beteiligten im Rahmen von Palliative Care die Versorgung der Schwerstkranken und Sterbenden angepasst an die jeweilige Situation zu gewährleisten und Hilfemaßnahmen zielgerichtet anzuwenden. Der Sterbeprozess beginnt in der Terminalphase. Die Terminalphase geht der Sterbephase (Finalphase) voran. Kennzeichen dieser Phase, die Tage bis Wochen andauern kann, sind Bettlägerigkeit, Wesensveränderungen, innerlicher Rückzug und Unruhe. In dieser Phase steht der Komfort im Vordergrund. Belastende Behandlungen werden eingestellt. Der Fokus liegt auf der Symptomlinderung und der emotionalen Begleitung des Menschen. Ziel ist es, den Betroffenen bestmöglich zu versorgen und die Lebensqualität zu erhalten.
In der Finalphase ist der Mensch in den Sterbeprozess eingetreten und nicht mehr „richtig da“. Seine Aufmerksamkeit ist bereits auf die „andere Welt“ gerichtet. In der Finalphase durchlebt der Patient verschiedene Bewusstseinszustände: von sehr wachen bis hin zu komatösen Zuständen. Die Behandlung achtet darauf, den Sterbevorgang nicht zu behindern oder zu belasten. Zugleich wird der Patient entlastet, etwa durch schmerzstillende Medikamente. Ziel ist es, einen Abschied unter würdigen Bedingungen zu schaffen. Die Aufmerksamkeit des Palliativ-Teams ist in dieser Phase verstärkt auch auf die Angehörigen und ihre Trauer gerichtet.
Der Sterbeprozess – immer individuell
Welche Symptome im Sterbeprozess auftreten, ist von der individuellen Situation abhängig. So gibt es Symptome, die mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen sowie Symptome, die zu einem „normalen“ Sterbeprozess gehören. Teil des normalen Sterbeprozesses sind Wesensveränderungen, zunehmende Schwäche, Bettlägerigkeit, nachlassender Hunger und Durst, Einschränkungen der Beweglichkeit, Veränderungen des Bewusstseins bis zum Koma sowie der Verlust der Kontrolle über die Ausscheidungen.
Ein „schwieriger“ Sterbeprozess ist oftmals geprägt von schwerer krankheitsbedingter Symptomatik wie Schmerzen, Atemnot, Husten, Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen und Verwirrtheit – und damit einhergehend von großer Angst und Unruhe. Kein Symptom verursacht so viel Angst wie Atemnot. Die Angst zu Ersticken ist neben der Angst vor Schmerzen die häufigste Angst, die Sterbende und ihre Angehörigen haben. Einen „schweren“ Weg frühzeitig zu erkennen, bestmöglich zu begleiten und Symptome zu lindern, ist Aufgabe der Sterbebegleitung und palliativen Versorgung. Im Bedarfsfall können sedierende Medikamente verabreicht werden.
Sterbeprozess-Symptome lindern
Bei Atembeschwerden können eine entspannte Lagerung des Oberkörpers, frische Luft im Zimmer, eine ruhige Atmosphäre, Entspannungsmaßnahmen, Inhalationen, das Befeuchten des Mundes sowie das Vermeiden von starken Gerüchen wie Essen oder Putz- und Desinfektionsmittel in vielen Fällen Linderung verschaffen. Bei akuter, aber auch chronischer Atemnot im Sterbeprozess ist in der Palliativsituation Morphin das Medikament der ersten Wahl. Es dämpft das Atemzentrum, vermindert den Atemantrieb und wirkt beruhigend. Ergänzend können bei Bedarf angstlindernde Medikamente verabreicht werden. Bei sehr massiven Beschwerden hilft eine Sedierung, den Betroffenen von belastenden Symptomen zu befreien.
Was ist Rasselatmung („Todesrasseln“) im Sterbeprozess?
Kurz vor dem Tod kommt es häufig zu Sekretansammlungen in den Bronchien. Aufgrund der zunehmenden Schwäche können die Sterbende diese kaum noch abhusten. Es kommt zu deutlich wahrnehmbaren Atemgeräuschen, auch „Rasselatmung“, „Todesrasseln“ oder „terminales Rasseln“ genannt. Viele Angehörige haben Sorge, dass dieses Symptom ein Hinweis für Atembeschwerden oder Atemnot ist. Pflegende in der Palliativpflege wissen, dass das vor allem bei der Ausatmung auftretende Rasseln, Pfeifen und Brummen kein Hinweis auf eine beschwerte Atmung ist, sondern ein natürliches Zeichen, dass der Tod kurz bevorsteht.
Sterbeprozess: Angehörige auf veränderte Atmung vorbereiten
Das Palliativ-Team bereitet Angehörige in der Regel auf die Veränderungen der Atmung im Sterbeprozess hin und erklärt, dass eine solche Rasselatmung den Sterbenden kaum belastet. Im Bedarfsfall können Medikamente verabreicht werden, welche die Sekretbildung in den Bronchien hemmen. Eine regelmäßige Befeuchtung des Mundes kann ebenfalls helfen, die Atemgeräusche zu reduzieren. Das Palliativ-Team wird den Angehörigen sagen, wie sie aktiv unterstützen können.
Wann stirbt ein Mensch?
Den Beginn des Sterbens zu erkennen, ist eine besondere Herausforderung – auch für Palliativ-Teams. Auch, weil Sterben ein individueller Prozess ist. Es lässt sich nicht vorhersagen, wann ein Mensch stirbt. Oftmals sterben Menschen nachts, wenn sie alleine sind. Manche scheinen noch auf einen Besuch eines Freundes oder Angehörigen zu warten. War dieser da, können sie loslassen. Manche möchten gerne ein ganz bestimmtes Datum erleben, etwa einen Geburtstag oder den Hochzeitstag.
Oftmals sitzen die Angehörigen lange an dem Bett. Gehen sie dann mal kurz raus, etwa um auf die Toilette zu gehen oder einen Kaffee zu holen, lässt der Mensch los und macht sich auf seine letzte Reise. Es scheint, als hätte er auf genau diesen kurzen Moment das Alleinseins gewartet, als würde es ihm leichter fallen, die Welt loszulassen, wenn er alleine ist. Wieder andere sterben dann, wenn alle Angehörigen zusammen am Bett stehen. Jedes Sterben ist ein eigener und ganz besonderer Weg.
Sterben - der intimste Moment im Leben
Immer wieder berichten Menschen, die einen Sterbeprozess begleitet haben, von einer berührenden Atmosphäre, von einem plötzlichen Gefühl der Ruhe und des inneren Friedens, einem stillen Einverständnis und einem tiefen Gefühl der Liebe – neben der Trauer. In diesem intimen Moment können sich alle Beteiligten ein wertvolles Geschenk machen – so traurig und schmerzhaft der Anlass auch ist. Die Begleitung bis zum Schluss kann Liebe und Kraft schenken. Doch auch, wenn jemand es emotional nicht schafft, den Weg bis zum Ende mit dem Sterbenden mitzugehen, ist das in Ordnung. Im Abschiednehmen dürfen und sollen auch eigene Bedürfnisse ernstgenommen werden. Es gibt kein richtig oder falsch. Vieles entsteht aus dem Moment heraus, weil man so tief spürt wie nur selten. Und alles ist richtig, so wie es ist.
Körpersignale: Wie erkennt man, dass ein Mensch stirbt?
Es gibt eine Reihe körperlicher Hinweise, dass der Tod kurz bevorsteht. Allerdings gibt es kein Durchlaufen bestimmter Sterbephasen in einer bestimmten Reihenfolge. Es gibt nur Anhaltspunkte, die für Sterbebegleiter Hinweise auf den nahenden Tod sind. So nimmt die körperliche Energie im Sterbeprozess zunehmend ab, Sterbende schlafen viel oder befinden sich in einem Dämmerzustand. Manchmal fehlt die Kraft, die Augen aktiv offenzuhalten oder zu öffnen. Aber von der Umwelt wird noch viel wahrgenommen, etwa werden Gespräche gehört oder gespürt, wenn jemand die Hand hält. Die Stimme wird zunehmend kraftloser. Die Atmung verändert sich, wird flacher und langsamer, Atempausen können auftreten. Der Puls wird schwächer. Durch die verminderte Durchblutung frieren Sterbende häufig. Warme Decken und warme Kleidung wirken dem entgegen. Andererseits kann verstärktes Schwitzen auftreten. Hunger und Durst lassen nach. Die Kontrolle über Blase und Darm lassen nach.
Was sind Anzeichen des Sterbeprozesses?
Auf den unmittelbaren Tod hinweisen können:
- ein offenstehender Mund
- eingefallene Augen
- Die Pupillen reagieren zunehmend schlechter auf Licht.
- Der Blick scheint in die Ferne gerichtet zu sein, wirkt „weit weg“.
- Die Farbe der Gesichtshaut verändert sich, kann gräulich werden.
- An der Körperunterseite, Händen und Füßen bilden sich dunkle Flecken.
- Der Puls wird zunehmend schwächer.
- Atempausen nehmen zu.
Wie verhält man sich bei einem Sterbenden?
Folgende Tipps können Orientierung für den Umgang mit dem Sterbenden geben:
- Berücksichtigen Sie die Wünsche und Bedürfnisse des Sterbenden.
- Zwingen Sie ihn zu nichts, etwa zu essen oder zu trinken.
- Bedenken Sie, dass der Sterbende alles verstehen kann, was gesprochen wird. Sprechen Sie nur Gutes bei der Sterbebegleitung. Sprechen Sie nicht zu laut, aber so, dass der Sterbende Sie verstehen kann.
- Halten Sie gerne die Hand, wenn Sie das Gefühl haben, dass es den Sterbenden beruhigt.
- Vielleicht spüren Sie, dass der Sterbende leise, ruhige Musik als angenehm empfindet.
- Achten Sie darauf, dass seine Hände und Füße warm sind. Das Zimmer sollte angenehm temperiert sein. Da der Stoffwechsel im Sterbeprozess langsamer wird, frieren Sterbende leicht. Vielleicht tut eine Wärmflasche an den Füßen gut. Schauen Sie, wie der Sterbende darauf reagiert, ob er unruhig wird oder entspannt.
- Bei erschwerter Atmung hilft es, den Oberkörper leicht aufzurichten.
- Erschrecken Sie nicht, wenn der Sterbende wirr redet. Das ist nicht ungewöhnlich.
- Vielleicht ist ein warmes Licht im Zimmer angenehm. Das kann eine kleine Nachtischlampe sein. Grelles Licht wird eher als störend empfunden.
- Viele Sterbende haben Angst, das weltliche Leben loszulassen und haben das Gefühl, ihre Lieben im Stich zu lassen. Geben Sie dem Sterbenden das Gefühl, dass er gehen darf. Sagen Sie ihm, dass Sie ihn lieben und stolz auf ihn sind. Sagen Sie ihm, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht.
- Versuchen Sie, den Sterbenden vor allzu starken Gefühlsausbrüchen zu schützen. Müssen Sie sehr stark weinen, verlassen Sie kurz den Raum. Das kann auch Ihnen helfen, wieder etwas in Ihr Gleichgewicht zu kommen.
- Achten Sie darauf, in den letzten Lebensstunden die Bedürfnisse des Sterbenden zu respektieren und zu erfüllen.
Am Totenbett: Was tun wir jetzt?
Oft wird es als unterstützend empfunden, wenn die Angehörigen – möglicherweise begleitet durch einen ehrenamtlichen Sterbebegleiter – in die Ruhe finden und sich die Zeit nehmen, die sie brauchen, um Abschied zu nehmen. Möglicherweise besteht der Impuls, ein Abschiedsritual zu gestalten. Manchmal besteht der Wunsch, den Verstorbenen zu waschen und neu einzukleiden. Hierbei können Sterbebegleiter oder das Palliativteam unterstützen. Vielleicht möchten einzelne Angehörige nochmal mit dem Verstorbenen allein sein und sich verabschieden. Aufkommende Gefühle dürfen zugelassen werden.
Wichtig zu wissen: Verstirbt der Patient nachts zuhause, ist es rechtlich gesehen ausreichend, am kommenden Morgen den Hausarzt des Verstorbenen zu kontaktieren. Dieser hat die Aufgabe, den Tod des Patienten festzustellen und die Todesbescheinigung auszustellen. Auch muss nicht sofort das Bestattungsunternehmen kontaktiert werden. Die Angehörigen dürfen sich hierfür 36 Stunden Zeit nehmen – nach Genehmigung der Behörden sogar 96 Stunden. Dies zu wissen ist wichtig, wenn das Bedürfnis besteht, noch Zeit mit dem Verstorbenen zu verbringen. Oder wenn Angehörige anreisen möchten, um sich vom Verstorbenen zu verabschieden. Allerdings muss dann am kommenden Morgen das zuständige Standesamt informiert werden – was sonst in der Regel das Bestattungsunternehmen übernehmen würde.
Lesetipp: In alle Stille: Was spricht für eine anonyme Bestattung?
Was ist eine Aufbahrung?
Viele Bestattungsunternehmen bieten an, eine Aufbahrung/ Aussegnung zu organisieren. Hier wird der Verstorbene zurechtgemacht, trägt die Kleidung, welche die Familie ausgesucht hat und kann in der Trauerhalle, im Sarg liegend, nochmals besucht werden. In diesem Rahmen kann, wenn gewünscht, beispielsweise ein Pfarrer dabei sein, welcher ein Gebet spricht und die Seele bei ihrem Weg in die neue Welt begleitet. Der anschließende Austausch mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin wird von vielen Trauernden als wertvoll und unterstützend erlebt. Dieser Trauerritus wird meist wenige Tage vor der eigentlichen Beerdigung durchgeführt.
Lesetipp: Trauerrede: Ablauf, Inhalt und Kosten einer Grabrede.
Meine Trauer ist so stark – wer hilft mir?
Manchmal reicht der Austausch mit der Familie und Freunden
nicht mehr. Lässt die Intensität der Trauer über einen längeren Zeitraum nicht
nach; bestimmt die Trauer den Alltag so stark, dass Aufgaben nicht erledigt
werden und sich der Trauernde wie gelähmt fühlt; empfinden Trauernde starke
Schuldgefühle; oder wurde der geliebte Mensch durch eine traumatische Situation
genommen, kann eine spezialisierte Trauertherapie hilfreich sein. So bietet
beispielsweise der Bundesverband
Trauerbegleitung e. V. eine Suchfunktion für qualifizierte Trauertherapien
an. Ebenso können Sie über die Suche der
Gelben Seiten einen Trauerbegleiter finden.
Quellen:
H. Christof Müller-Busch: Studienheft „Palliativbegleitung. Schwerstkranke und Sterbende begleiten“. Lernheft 4 des Fernstudiengangs „Palliativbegleitung“ der Fernschule sgd.
Jan Gramm, Daniel Berthold: Studienheft „Angehörige begleiten“. Lernheft 6 des Fernstudiengangs „Palliativbegleitung“ der Fernschule sgd.
Marion Jettenberger: 1 x 1 der Sterbebegleitung. Am Ende wissen, wie es geht… . Manuela Kinzel Verlag 2022.
organspende-info.de: „Hirntoddiagnostik: Feststellung des unumkehrbaren Ausfalls der gesamten Hirnfunktion“. Online-Information der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
organspende-info.de: „Wann ist ein Mensch tot?“. Online-Information der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
bv-trauerbegleitung.de: „Unterstützung für trauernde Menschen“. Online-Information des Bundesverbands Trauerbegleitung e. V.
deutschefriedhofsgesellschaft.de: „Wenn das Leben endet: Die fünf Phasen des Sterbens“. Online-Information der Deutschen Friedhofsgesellschaft.
dhpv.de: „Trauer und Trauerbegleitung. Eine Handreichung des DHPV“. Online-Broschüre (PDF) des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes e. V.
bundesgesundheitsministerium.de: „Versorgung von schwerstkranken Menschen und Sterbenden (Palliativversorgung)“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.
msdmanuals.com: „Linderung der Symptome für den sterbenden Patienten“. Online-Information von MSD Manual. Ausgabe für medizinische Fachkreise.