Herpes behandeln: Experte Beim ersten Kribbeln sofort reagieren
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Herpes behandeln: Experte "Beim ersten Kribbeln sofort reagieren"

Herpes behandeln mit Aciclovir bis Zahnpasta: Herpes-Geplagte probieren eine Menge aus, um die schmerzhaften Bläschen loszuwerden. Gelbe Seiten hat bei Dr. Dirk Meyer-Rogge, Dermatologe aus Karlsruhe und Mitglied im Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) nachgefragt, welche Herpes-Therapien er empfiehlt und wie sich Herpes am effektivsten behandeln lässt.

Gelbe Seiten: Fast jeder trägt das Herpes-Virus in sich – wie kommt das?

Dr. Meyer-Rogge: Meist kommen Kinder im ersten Lebensjahr mit dem Virus in Kontakt – in der Regel wird es durch Familienmitglieder übertragen. Die Erstinfektion zeigt sich oft durch Fieber und Bläschen im Mund. Sie ist bekannt als Mundfäule. 80 Prozent sind danach immun gegen das Herpesvirus. Bei 20 Prozent setzt sich das Herpes-simplex-Virus Typ 1 im Gehirn fest, genauer gesagt am fünften Hirnnerv. Zu einer Infektion kommt es, wenn das Virus über die Nervenbahnen in den Gesichtsbereich wandert. Dann löst es an den typischen Stellen wie Lippe, Nase, Kinn oder Auge die Herpesbläschen aus. Mediziner sprechen von Lippenherpes oder Herpes labialis.

Gelbe Seiten: Welches Virus verursacht Herpes genitalis?

Dr. Meyer-Rogge: Herpes genitalis wird durch Geschlechtsverkehr übertragen. In den meisten Fällen ist das Herpes-simplex-Virus Typ 2 der Auslöser. Es setzt sich im Rückenmark fest und wandert über die Nervenbahnen in den Intimbereich. Da das Immunsystem weder an die Viren im Gehirn noch an die Viren im Rückenmark herankommt, können die Bläschen jederzeit wieder aufs Neue auftreten. Ist das Virus erst einmal im Körper, wird man es nicht mehr los.

Gelbe Seiten: Wann wird das Virus aktiv?

Dr. Meyer-Rogge: Die Herpesviren sind auf ständiger Wanderschaft über die Nervenbahnen. Ein starkes Immunsystem zerstört die Viren und die Infektion bleibt aus. Ist das Immunsystem aber geschwächt, etwa durch eine Erkältung, Schlafmangel oder bei Frauen häufig durch die Menstruation, entwischen dem Immunsystem Viren. Sie erreichen den Infektionsort, vermehren sich und Herpes entsteht.

Gelbe Seiten: Herpes ist schmerzhaft und auch optisch für die meisten sehr unangenehm. Welche Herpes-Therapien können Sie empfehlen?

Dr. Meyer-Rogge: Die Standardtherapie bei Herpes ist die Behandlung mit dem Wirkstoff Aciclovir. Dieser Arzneistoff ist aus der Gruppe der Virostatika und bekämpft gezielt Viren. Bei sehr stark ausgeprägtem Herpes gibt es Aciclovir auch in Tablettenform. Die Tabletten können in einigen Fällen allerdings dazu führen, dass die Herpesinfektionen nach Absetzen der Präparate einige Zeit verstärkt auftreten. Diese Beobachtung habe ich in meiner Praxis öfter gemacht. Eine mögliche Erklärung ist, dass das Immunsystem durch die Unterstützung der Tabletten kurzzeitig verlernt, die Viren zu bekämpfen.

Gelbe Seiten: Wie wirkungsvoll sind Salben mit antiviralen Wirkstoffen wie Aciclovir?

Dr. Meyer-Rogge: Die Salben können, werden sie richtig aufgetragen, die Bläschenbildung verhindern. Ohne Bläschen gibt es keine Krusten und das Herpesknötchen bleibt aus. Der Erfolg der Herpes-Salben hängt aber stark von der Anwendung ab. Sie wirken nur, wenn sie sofort beim ersten Jucken oder Kribbeln an der Lippe aufgetragen werden. Die Anwendung sollte fünf Mal über den Tag verteilt erfolgen. Haben sich die Bläschen bereits gebildet, lässt sich die Krustenbildung nicht mehr verhindern. Betroffene sollten daher immer eine Salbe bei sich tragen, um im Bedarfsfall keine Zeit zu verlieren. Herpes labialis und Herpes genitalis werden übrigens beide mit den gleichen Wirkstoffen behandelt.

Gelbe Seiten: Welche Möglichkeiten gibt es für die Herpes-Behandlung noch?

Dr. Meyer-Rogge: Wir machen in unserer Praxis gute Erfahrungen mit einer Therapieform, die ein wenig einer Hyposensibilisierung ähnelt. Der Patient bekommt die Herpesviren in homöopathisch geringen Mengen über eine Spritze verabreicht. Die Herpes-Behandlung dauert zehn Wochen. Das Ziel ist, dem Immunsystem beizubringen, das Virus noch besser zu bekämpfen. Diese Behandlung ist für Patienten geeignet, die häufig Herpes bekommen und bei denen das Erscheinungsbild stark ausgeprägt ist. Viele berichten, dass die Herpes-Symptome danach weniger intensiv sind.  

Gelbe Seiten: Herpes behandeln lässt sich auch mit dem Hitzestift. Was hat es damit auf sich?

Dr. Meyer-Rogge: Den Hitzestift bekommen Sie in der Apotheke. Dabei handelt es sich um einen kleinen Stift der mit Hitze arbeitet. Die kleine Kontaktfläche wird auf die betroffene Stelle an der Lippe gedrückt und für wenige Sekunden auf etwas über 50 Grad erhitzt. Durch die Hitze soll die Ausschüttung von Histamin und Abbauenzymen beeinflusst und die Entzündungsreaktion verringert werden. Wer empfindlich ist, kann die Hitze an der Lippe allerdings als unangenehm empfinden.

Gelbe Seiten: Was halten Sie von Hausmitteln wie Zahnpasta, Honig, Melissenöl oder Teebaumöl?

Dr. Meyer-Rogge: Viele Patienten greifen lieber auf pflanzliche Wirkstoffe zurück. Besonders Melisse wird im Zusammenhang mit der Herpes-Behandlung immer wieder genannt. Manche berichten, dass Melissenöl und Teebaumöl oder Hausmittel wie desinfizierender Honig und austrocknende Zahnpasta besser wirken als medizinische Präparate. Das muss jeder für sich ausprobieren – und herausfinden, was ihm hilft. Was bei dem einen Erfolg zeigt, kann bei dem anderen nutzlos sein. Dass die Bläschenbildung durch die Anwendung von Hausmitteln wie Zahnpasta verschlimmert wird, kann ich nicht bestätigen. Was aber gesagt werden muss: Pflanzliche Mittel wie Melisse haben ein hohes Allergiepotenzial. Gelangen sie auf die beschädigte Haut, ist es möglich, dass es zu allergischen Reaktionen kommt.

Gelbe Seiten: Vielen Dank für das Gespräch.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
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