Harninkontinenz: Blasenschwäche in den Wechseljahren
© Muhammad Safuan/ iStock
Letztes Update am: 

Harninkontinenz: Blasenschwäche in den Wechseljahren

Mit den Veränderungen im Hormonspiegel, genauer: dem Abfall der Östrogene, zeigen sich in den Wechseljahren verstärkt Veränderungen im Intimbereich. Nicht nur die Scheide wird trockener und empfindlicher, auch das Risiko für Blasenentzündungen und andere Infektionen der Scheide steigt aufgrund der schwächeren Abwehr. Eine Blasenschwäche kann die Wechseljahre ebenfalls begleiten. Warum die Blase in der Lebensmitte oft schwächelt und was Frauen bei Blasenschwäche in den Wechseljahren hilft.

Was ist Blasenschwäche?

Betroffene einer Harninkontinenz, umgangssprachlich als Blasenschwäche bezeichnet, verlieren unkontrolliert kleinere oder größere Mengen Harn. Die beiden häufigsten Formen der Blasenschwäche sind die Belastungsinkontinenz und die Dranginkontinenz. Möglich ist auch, dass eine Kombination beider Blasenschwäche-Arten auftritt. Bei der Dranginkontinenz ist die Blase überreizt und überaktiv. Sie signalisiert „voll“, obwohl sie noch nicht gefüllt ist. Ursache ist eine Überreaktion der Nerven in der Blase. Die Betroffenen verspüren plötzlich einen so intensiven Harndrang, dass sie es oftmals nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette schaffen. Da die Blasenmuskulatur durch die Überreizung plötzlich lockerlässt, geht bei der Dranginkontinenz der Harn meist schwallartig ab.

Bei der Belastungsinkontinenz hingegen ist es ein verstärkter Druck auf den Bauchraum, der zum ungewollten Harnabgang führt. Dieser Druck auf den Beckenboden und die Blase entsteht beispielsweise durch Husten, Niesen, Lachen und schweres Heben. Auch bei sportlicher Belastung kann es bei einer Belastungsinkontinenz zu Harnabgang kommen. Meist sind es kleinere Mengen Urin, die ungewollt abgehen. Experten zufolge handelt es sich oftmals um wenige Tropfen bis hin zu einem Teelöffel. Frauen sind besonders häufig von Belastungsinkontinenz betroffen.

Lesetipp: Hausmittel gegen Blasenschwäche: Hilft das was?

Viele Frauen merken, dass in den Wechseljahren vermehrt Harndrang auftritt und sie häufiger auf die Toilette müssen. Die Blase reagiert aufgrund der hormonellen Veränderungen bei vielen Frauen empfindlicher auf reizende Stoffe. Die Suche nach der nächsten Toilette wird nicht selten zum ständigen Begleiter einer überaktiven Blase.
— Matthias Zeisberger, erster Vorsitzender der Inkontinenz Selbsthilfe e. V.

Warum das Risiko für Blasenschwäche in den Wechseljahren steigt

Die Ursache für eine Belastungsinkontinenz ist meist ein geschwächter und/oder geschädigter Beckenboden. Besonders bei Frauen wird der Beckenboden im Laufe des Lebens stark belastet: durch Schwangerschaften und Geburten, Operationen im Beckenbereich, Übergewicht sowie Pressen beim Wasserlassen oder Stuhlgang (Verstopfung). In den Wechseljahren wird das Bindegewebe nochmals schwächer, da das bindegewebsstärkende Hormon Östrogen abnimmt. Das können sowohl die Beckenbodenmuskeln als auch die Muskulatur der Harnwege zu spüren bekommen. Auch viel Sitzen kann den Beckenboden schwächen.

Wie hängen Beckenboden und Blasenschwäche zusammen?

Der Beckenboden besteht aus Muskeln und Bändern und schließt den Bauchraum und die Beckenorgane von unten ab. Diese Muskelplatte mit ihren Bändern ist wie eine Art Stütznetz. Ist der Beckenboden geschwächt oder beschädigt, wird der Halteapparat anfälliger für Funktionsstörungen. Anatomisch bedingt ist der Beckenboden der Frau anfällig: Für den Enddarm, die Harnröhre und Scheide führen Öffnungen durch die Muskelplatte hindurch. Egal ob beim Stuhlgang, Wasserlassen, Geschlechtsverkehr oder bei der Geburt – die Beckenbodenmuskulatur ist gefordert.

Ein geschwächter Beckenboden…

  • kann den Bauch- und Beckenorganen nicht mehr den nötigen Halt geben.
  • kann die Schließmuskulatur von Harnröhre und After nicht mehr richtig unterstützen.
  • hält dem Druck beim Husten, Niesen, Lachen und Pressen beim Stuhlgang sowie körperlicher Belastung nicht mehr stand.
Gewebe und Bänder werden über die Jahre hinweg gedehnt, verlieren an Elastizität und haben irgendwann nicht mehr die Stabilität und Flexibilität wie noch in jungen Jahren. Der sinkende Östrogenspiegel lässt das Gewebe zusätzlich weicher werden. Es ist vor allem die Belastungsinkontinenz, die in den Wechseljahren auftritt.
— Matthias Zeisberger, erster Vorsitzender der Inkontinenz Selbsthilfe e. V.

Blasenschwäche in den Wechseljahren: Was Frauen hilft

Unwillkürlicher Harnabgang, Nachtröpfeln auf der Toilette, Blasenentzündungen, eine trockene Scheide: All das kann in den Wechseljahren Frauen zu schaffen machen. Doch keine Frau sollte Beschwerden im Intimbereich einfach hinnehmen und stillschweigend leiden. In den meisten Fällen kann zusammen mit einem Urologen oder einem Gynäkologen eine medizinische Behandlung gefunden werden, welche die Beschwerden lindert.

Zu den Therapien einer Blasenschwäche in den Wechseljahren, die Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung stehen, gehören unter anderem:

  • Beckenbodentraining zur Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur und der Blasenmuskulatur.
  • Toilettentraining und Harnhaltestrategien, um die Blase dahingehend zu trainieren, mehr Harn zu halten.
  • Das Erlernen einer guten Haltung sowie bestimmter Hebetechniken, um die Belastung auf den Beckenboden zu reduzieren.
  • Die Einnahme von Medikamenten, welche über das Nervensystem die Signale einer überreizten Blase hemmen.
  • Elektrotherapie oder Akupunktur, welche der Blase helfen können, zu entspannen.
  • Der weitestgehende Verzicht auf harntreibende und blasenreizende Getränke und Nahrungsmittel, etwa Kaffee, Schwarztee, Alkohol, Säfte, Spargel, Zitrusfrüchte und scharfe Gewürze.
  • Entspannungsmethoden, wie Meditation oder Autogenes Training, die einen besseren Umgang mit seelischem Druck ermöglichen können.
  • Botox-Behandlung zur Lockerung der Blasenmuskulatur, wenn die plötzliche Verkrampfung der Blase immer wieder zu schwallartigem Harnverlust führt.
  • Östrogentherapie in Form östrogenhaltiger Salben oder Zäpfchen zum Ausgleich des körperlichen Östrogenabfalls.

Lesetipp: Blasenschwäche: Übungen, die Harninkontinenz verbessern können.

Blasenschwäche bedeutet einen großen Verlust an Lebensqualität. Scheuen Sie sich nicht, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, wenn plötzlich ungewollt Harn abgeht. Wer sich ärztliche Hilfe von Seiten eines Frauenarztes oder Urologen holt, dem kann in den meisten Fällen geholfen werden. Zudem ist es wichtig, der Ursache des Harnverlusts nachzugehen. Ein gesunkener Östrogenspiegel, wodurch der pH-Wert im weiblichen Genitaltrakt steigt, kann Harnwegsinfektionen begünstigen. Kommt es aufgrund des Mangels von Hormonen zu einer verminderten Spannkraft des Bindegewebes, kann die Senkung von Blase und Gebärmutter ebenfalls eine Harninkontinenz auslösen beziehungsweise fördern.
— Matthias Zeisberger, erster Vorsitzender der Inkontinenz Selbsthilfe e. V.
Bei der Aufpolsterung der Harnröhre, auch Bulking genannt, wird ein Gel in die Harnröhre gespritzt, um dort das Gewebevolumen zu vergrößern. Das injizierte Bulking-Mittel soll den Schließmechanismus der Harnröhre unterstützen und die Harnkontrolle verbessern. Die Harnröhre kann sich ganz normal zum Wasserlassen öffnen. Die Injektion wird unter örtlicher Betäubung in einer Klinik durchgeführt.
Durch das zunehmende Gewicht des Kindes kann es zu einer Dehnung und Verminderung der Beckenbodenmuskulatur kommen und auch der Druck auf die Blase nimmt zu. Etwa 50 Prozent der schwangeren Frauen entwickeln eine Belastungsinkontinenz. Meist bildet sich die Blasenschwäche nach der Geburt des Kindes zurück. Etwa sechs Prozent der Frauen behalten die Blasenschwäche auch nach der Geburt.
Ursachen der Überlaufinkontinenz sind meist Nervenschädigungen, welche das Gleichgewicht zwischen Blasen- und Harnröhrendruck stören. Wird die Blase zu stark gedehnt, fließt der Urin ungehindert aus der Blase ab, bis zwischen Blase und Harnröhre ein Druckausgleich hergestellt ist.

Quellen:

Interview mit Matthias Zeisberger, erster Vorsitzender der Inkontinenz Selbsthilfe e. V. 

inkontinenz-selbsthilfe.com: „Inkontinenz Frau – Weibliche Harninkontinenz“. Online-Information der Inkontinenz Selbsthilfe e. V.

frauenaerzte-im-netz.de: „Harninkontinenz Therapie & Behandlungsmöglichkeiten“. Online-Information des Berufsverbands der Frauenärzte e.V. (BVF) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).

frauenaerzte-im-netz.de: „Wechseljahrsbeschwerden/ Klimakterische Beschwerden“. Online-Information des Berufsverbands der Frauenärzte e.V. (BVF) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).

profamilia.de: „Wechseljahre“. Online-Ratgeber (PDF) von pro familia.

inkontinenz-selbsthilfe.com: „Inkontinenz-Forum“. Online-Angebot der Inkontinenz Selbsthilfe e. V.

gesundheitsinformation.de: „Wie funktioniert Beckenbodentraining?“. Online-Information des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

kontinenz-gesellschaft.de: „Harninkontinenz“. Online-Information der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e. V.

kontinenz-gesellschaft.de: „Ärztliche Beratungsstellen sowie Kontinenz- und Beckenboden-Zentren“. Online-Suche der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e. V.

menopause-gesellschaft.de: „Urogenitale Beschwerden“. Online-Information der Deutschen Menopause Gesellschaft e.V.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
Wie finden Sie diesen Artikel?