Autogenes Training: Wie es funktioniert, wie es hilft
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Autogenes Training: Wie es funktioniert, wie es hilft

Autogenes Training (AT) gehört zu den Entspannungsverfahren. Die Methode umfasst die Besinnung auf die Eigenschwere und ‑wärme der Glieder sowie auf den Eigenrhythmus von Puls und Atem. Durch die Konzentration kann es gelingen, leichter in die Entspannung zu finden und zur Ruhe zu kommen. Autogenes Training: Woher es kommt, wie es funktioniert und wie es wirkt.

Was ist Autogenes Training?

1932 entwickelte der deutsche Arzt Johannes H. Schultz (1884–1970) das Autogene Training. Schultz hatte sich lange mit der Hypnose beschäftigt und kannte die Wirkung von Suggestionen. Sein Ziel war es, sich über die Selbstbeeinflussung in den Zustand der Entspannung zu versetzen. Autogenes Training, kurz AT, ist eine Methode zur konzentrierten Selbstentspannung. Mit den Körperübungen des AT kann es gelingen, selbstbeeinflussend (autosuggestiv) in die innere Ruhe zu finden. AT ist somit eine Art Selbsthypnose. Anders als bei der Progressiven Muskelentspannung wird die Entspannung nicht über An- und Entspannung bestimmter Körperbereiche erreicht, sondern allein über gedankliche Konzentration.

Organübungen für mehr Körperbewusstsein

Die AT-Trainierenden lernen, über das vegetative Nervensystem Entspannungsimpulse zu den Muskeln, zum Kreislauf und zu den Nerven zu senden. Hierfür lenken die Übenden ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Körperregionen, mit dem Ziel, dort eine Zustandsveränderung zu bewirken. Bei diesen Organübungen konzentrieren sie sich beispielsweise auf ihren linken Arm, spüren hin und nehmen wahr. Dann beeinflussen sie mit Leitformeln wie „Mein linker Arm wird ganz schwer“ (Schwereübung) oder „Mein linker Arm ist angenehm warm“ (Wärmeübung) diese Körperregionen.

Wie wirkt Autogenes Training?

Autogenes Training wird häufig eingesetzt, um Stress entgegenzuwirken. AT kann helfen, durch Stress verursachte Verspannungen, Schlafstörungen, innerer Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungsminderung, Ängsten und Durchblutungsstörungen entgegenzuwirken. Zudem sollen die Organübungen des Autogenen Trainings die Anspannung der Körpersysteme regulieren und das stressbedingte Erregungsniveau senken können. Regelmäßig geübtes Autogenes Training kann die Entspannung des Körpers nach einer Anspannungssituation unterstützen, den Umgang mit Belastungssituationen erleichtern und das eigene Stressempfinden im Allgemeinen lindern.

AT-Übungen gegen Migräne

Teilweise nutzen auch Migräne-Patienten die Übungen des AT, um ihre Kopfschmerzattacken zu lindern. Hierbei stellen sie sich intensiv vor, wie sich ihre Gefäße weiten, die Durchblutung verbessert wird und die Kopfschmerzen nachlassen. Auch zur Vorbeugung von Kopfschmerzattacken können Entspannungstechniken angewendet werden: So steht in der Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), dass verschiedene Studien darauf hindeuten, dass Entspannungstraining wie Autogenes Training, Meditation und Progressive Muskelentspannung moderate Effekte in der Migräneprophylaxe zeigen. Auch bei anderen chronischen Schmerzen kann Autogenes Training möglicherweise die Symptome lindern.

Wie funktioniert Autogenes Training?

Autogenes Training kann sowohl allein als auch in Gruppen praktiziert werden. Entspannungsexperten empfehlen, die Übungen des Autogenen Trainings unter professioneller Begleitung zu erlernen und durchzuführen. Schritt für Schritt lernen die Übenden mit Hilfe der eigenen Konzentration den Organismus entspannend zu beeinflussen. Die Übungen werden in spezieller Körperhaltung ausgeführt: entweder in der „Droschkenkutscher-Haltung“ im Sitzen oder im Liegen. Zu den sechs Grundübungen gehören:

Schwereübung: Nach und nach konzentrieren sich die Übenden auf einen Körperteil nach dem anderen mit der Vorstellung, es sei ganz schwer. Es stellt sich eine allgemeine Schwere und Beruhigung ein.

Wärmeübung: Im Anschluss stellen sich die Übenden in der Wärmeübung vor, dass ein bestimmtes Körperteil ganz warm wird. Dies löst eine Erweiterung der Blutgefäße aus und der Körper wird warm.

Atemübung: Sind die Körperteile schwer und warm, konzentrieren sich die Übenden auf den Atem und atmen langsam ein und aus. Die Atemübung verstärkt die Entspannung.

Herzübung: Die Übungsformel „Mein Herz schlägt ganz ruhig und gleichmäßig“, beruhigt den Herzschlag und führt tiefer in die Entspannung.

Sonnengeflechtsübung (Solar-Plexus-Übung): Hier liegt die Konzentration auf dem Sonnengeflecht, also auf der Entspannung der Verdauungsorgane.

Kopfübung: Zum Abschluss richten die Übenden ihre Konzentration auf den Kopf. Mit der Übungsformel „Meine Stirn ist angenehm kühl und mein Kopf klar“ beispielsweise, wird die Kopfübung durchgeführt und soll die Gedanken sortieren helfen.

Oberstufe des Autogenen Trainings: Wach-Traum-Technik

Erst mit entsprechender Praxis und Erfahrung kann AT ohne Anleitung selbst erfolgreich angewendet werden. Im AT-Unterricht werden in mehreren Treffen die verschiedenen Grundübungen des Autogenen Trainings vermittelt und deren Ausführung geübt. Ein ebenso wichtiges Element ist die abschließende Aktivierungsphase, um aus der tiefen Entspannung wieder „in die Realität“ und „in die Energie“ zurückfinden zu können.

Wer die Grundstufe des AT beherrscht, kann in die zweite Stufe, in die Oberstufe des Autogenen Trainings weitergehen. Hier wird die Wach-Traum-Technik vermittelt. Die Übenden entwickeln Bilder in ihrer Vorstellung, die ins Bewusstsein gelangen und reflektiert werden können. Die Wach-Traum-Technik kann unter psychotherapeutischer Begleitung beispielsweise zur Konfliktbewältigung herangezogen werden. Sie ermöglicht eine vertiefte Selbsterkenntnis sowie die Erarbeitung von Lösungswegen.

Wo lerne ich Autogenes Training?

Anfängerkurse für AT sowie Oberstufenkurse für Autogenes Training werden von Krankenkassen, Volkshochschulen, Bildungseinrichtungen und privaten Trägern angeboten. Die Kursleiterinnen und Kursleiter sollen der Deutschen Gesellschaft für Entspannungsverfahren zufolge von ihrer Grundausbildung her PsychologInnen oder ÄrztInnen sein, die sich mit Gruppenprozessen, psychischen Effekten, Diagnostik, psychischen und psychosomatischen Krankheiten und so weiter angemessen auskennen. So könnten sie bei eventuell auftretenden Übungsschwierigkeiten Störungen fachgerecht ausräumen und den Entspannungsweg offenhalten. Dies sei beispielsweise bei den anerkannten KursleiterInnen der DG-E e.V., der Psychologischen Fachgruppe Entspannungsverfahren oder der einschlägigen ärztlichen Gesellschaften gewährleistet.

Autogenes Training wird unter anderem eingesetzt bei chronischen Schmerzen, Verspannungen, Schlafstörungen, Stress, Konzentrationsschwierigkeiten, innerer Unruhe, Ängsten, Unsicherheiten, Reizbarkeit, Durchblutungsstörungen sowie bei vielen psychischen und psychosomatischen Störungen.
Es gibt keine festen Regeln, wie oft AT geübt werden sollte. Aber es ist eine Übungsmethode, die erlernt werden muss und regelmäßiger Praxis bedarf, um eine entsprechende Wirkung entfalten zu können. Wer die einzelnen Übungsschritte erlernt hat, sollte zuhause regelmäßig die Selbstbeeinflussung (Autosuggestion) trainieren. Zum einen, um in Übung zu bleiben, zum anderen um die Wirkung spüren zu können. Je öfter Sie trainieren, desto leichter fällt es Ihnen, auch in sehr stressigen Situationen loszulassen und in die Entspannung zu gehen.
Die Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz empfehlen, bei übermäßigen physiologischen Fehlregulationen, etwa Herzrasen oder Ohnmachtsanfälle, AT nur mit Vorsicht anzuwenden. Zudem seien die imaginativen Verfahren nicht für Patienten und Patientinnen mit Psychosen geeignet. Bei körperlichen und psychischen Vorerkrankungen ist es daher ratsam, die AT unter professioneller Anleitung und Begleitung zu erlernen und vor Kursanmeldung mit dem Kursleiter oder der Kursleiterin das Gespräch zu suchen.

Quellen:

Autogenes Training. Online-Information der Deutschen Gesellschaft für Entspannungsverfahren (DG-E e. V.).

Entspannungsverfahren: Autogenes Training. Online-Information der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz.

Entspannungsverfahren und verhaltenstherapeutische Interventionen zur Behandlung der Migräne. Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG).

Autogenes Training. Online-Information des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten e.V. (BDA).

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
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