Expertenrat: „Vergesslichkeit im Alter – kaum jemand denkt an die Schilddrüse“
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Expertenrat: „Vergesslichkeit im Alter – kaum jemand denkt an die Schilddrüse“

Vergesslichkeit – eine ganz normale Begleiterscheinung im Alter, oder? "Nein", sagt Frau Barbara Schulte, Vorstand der Schilddrüsenliga Deutschland e.V. Die Expertin weiß, warum Schilddrüsenerkrankungen bei Älteren immer wieder unbemerkt bleiben - und wie man eine kranke Schilddrüse erkennen kann.

Gelbe Seiten:Wie häufig sind Schilddrüsenerkrankungen in Deutschland?

Barbara Schulte: Schätzungen zufolge leiden rund 30 Millionen Deutsche unter einer Fehlfunktion der Schilddrüse. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Allerdings wissen die meisten nichts davon, denn die Schilddrüse und ihr Einfluss auf wichtige Körperfunktionen gerät oft in Vergessenheit – auch bei Ärzten. So kann es passieren, dass die Betroffene jahrelang unspezifische Beschwerden plagen und ihnen nichts hilft. Ich habe es selbst erfahren: Bis meine Störung der Schilddrüse erkannt wurde, hat es Jahre gedauert.

Gelbe Seiten: Wie zeigt sich eine kranke Schilddrüse?

Barbara Schulte: Eine Schilddrüsenunterfunktion zum Beispiel zeigt sich häufig durch Vergesslichkeit, Zittern und Müdigkeit. Bei älteren Menschen werden diese Symptome meist dem Alter zugeschrieben. An die Schilddrüse denkt kaum wer. Das gilt auch für eine Gewichtszunahme, Muskelschwäche, trockene Haut, Verstopfung, Kälteempfindlichkeit, Haarausfall und sogar Depressionen.

Gelbe Seiten: Welche Symptome sind für eine Schilddrüsenüberfunktion typisch?

Barbara Schulte: Typische Beschwerden bei einer Schilddrüsenüberfunktion, die meist die Basedowsche Krankheit als Auslöser hat, sind unter anderem Schwitzen, Unruhe, Gewichtsverlust, brüchige Haare, Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche, Schwellungen, Bindehautentzündungen, Muskelschmerzen und Zittern.  

Gelbe Seiten: Was sind die Folgen, wenn eine kranke Schilddrüse dauerhaft unerkannt bleibt?

Barbara Schulte: Gerät die Schilddrüse aus dem Takt, etwa aufgrund eines Jodmangels oder einer Erkrankung, hat das Folgen für die Gesundheit. So kann es beispielsweise zu Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck kommen. Die Drüse bildet unter anderem Hormone, die das Herz-Kreislauf-System, das Nervensystem, die Verdauung und das Knochenwachstum beeinflussen. Der Punkt ist: Eine kranke Schilddrüse tut nicht weh. Außer den Symptomen gibt es keine Anhaltspunkte. Meine Empfehlung ist daher, bei unspezifischen Beschwerden die Schilddrüse gründlich untersuchen zu lassen. Bei älteren Menschen ist es hilfreich, wenn die Angehörigen einen Blick auf die Beschwerden haben. Besonders aufmerksam sollte man sein, wenn in der Familie bereits Schilddrüsenerkrankungen vorliegen.

Gelbe Seiten: Was macht der Arzt, wenn der Patient mit dem Verdacht zu ihm kommt?

Barbara Schulte: Der Hausarzt wird im ersten Schritt den TSH-Wert im Blut untersuchen. TSH ist ein Hormon, das die Schilddrüse zur Arbeit anregt. Ist der ermittelte Wert zu hoch, kann das auf eine Unterfunktion hinweisen. Geht er nahezu gegen Null, kann es sich um eine Überfunktion handeln. Verhärtet sich der Verdacht, solle der Hausarzt eine Überweisung zu einem Nuklearmediziner oder Endokrinologen ausstellen. Dieser kann neben weiteren Untersuchungen auch eine sogenannte Szintigraphie durchführen. Das ist ein spezielles bildgebendes Verfahren, mit dessen Hilfe Knoten in der Schilddrüse erkannt werden können.

Gelbe Seiten: Wie geht es weiter, wenn tatsächlich eine Schilddrüsenerkrankung vorliegt?

Barbara Schulte: Bestätigt sich der Verdacht und liegt eine Schilddrüsenerkrankung vor, wird der Arzt in den meisten Fällen Medikamente verschreiben, die den Hormonhaushalt wieder regulieren. Mit den entsprechenden Präparaten lassen sich die Beschwerden in der Regel gut in den Griff bekommen. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind wichtig, um die Dosierung der Medikamente bei Bedarf anpassen zu können. Manchmal kommen die Patienten um eine Operation allerdings nicht herum. Mein Tipp: Lassen Sie sich in diesem Fall ausführlich beraten und denken Sie auch über eine zweite Expertenmeinung nach.

Gelbe Seiten: Vielen Dank für das Gespräch.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
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