Pflege im Alter: Herausforderungen für Pflegebedürftige
© Drs Producoes/ E+
Letztes Update am: 

Pflege im Alter: Herausforderungen für Pflegebedürftige

Eine schwere Erkrankung, bleibende körperliche Beeinträchtigungen in Folge eines Unfalls oder geistige Einschränkungen aufgrund eines Schlaganfalls: Eine Pflegebedürftigkeit verändert das Leben erheblich und ist mit vielen Einschränkungen und Herausforderungen verbunden – körperlich wie seelisch. Das eigene Rollenbild verändert sich. Sich (teilweise) nicht mehr alleine versorgen zu können, Hilfe zu brauchen und Abhängigkeiten zu erfahren, ist eine enorme Umstellung. Das anzunehmen, ist für viele schwer. Pflege im Alter: Herausforderungen, vor denen Pflegebedürftige stehen.

Was ändert sich mit der Pflege für Betroffene?

Pflegebedürftigkeit im Alter ist für Betroffene mit vielen Veränderungen im Erleben und Bestreiten des Lebens und des Alltags verbunden. Was bedeutet es für Betroffene, Pflege zu brauchen? Ein paar Beispiele:

  • (zunehmender) Verlust der Selbständigkeit
  • Angewiesensein auf Hilfe von außen
  • Veränderung der Lebenssituation
  • Wünsche und Ziele können eventuell nicht mehr erfüllt/umgesetzt werden
  • möglicherweise Umzug in ein neues Umfeld
  • Unsicherheiten und Sorgen mit Blick auf die eigene Gesundheit und die Versorgungssituation
  • Frust und Traurigkeit darüber, nicht mehr alles so umsetzen zu können, wie man möchte
  • körperliche Beschwerden/mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten
  • möglicherweise Aufenthalt im Pflegeheim in einem Doppelzimmer
  • Verlust bislang gekannter Privatsphäre
  • Abhängigkeit von anderen
  • Gefühle von Hilflosigkeit und möglicherweise Scham (im Rahmen des Pflegekontextes)
  • möglicherweise innerfamiliäre Konflikte in Bezug auf die Pflegebedürftigkeit
  • möglicherweise das Gefühl „zur Last zu fallen“
  • eingeschränkte Bewegungsfähigkeit
  • das Gefühl „ans Bett gefesselt zu sein“
  • Hobbies nicht mehr ausüben können (etwa Wandern oder Gartenarbeit)
  • schlechtes Gewissen, weil Angehörige viel Zeit aufwenden
  • finanzielle Sorgen (Kann ich mir die Pflege leisten?)
  • (zunehmender) Rückzug aus sozialen Kontakten/Verlust sozialer Kontakte (Freundschaften können auseinandergehen, man kommt nur selten unter Menschen.)

All das erschwert die Akzeptanz und den Umgang mit der Pflegebedürftigkeit. Oft brauchen Betroffene lange, bis sie die Pflege-Situation angenommen und ihr Leben neu strukturiert haben und als lebenswert empfinden. Wie die Pflegebedürftigkeit empfunden wird, hängt nicht nur vom Grad der Einschränkung, dem sozialen Umfeld und den damit einhergehenden Veränderungen ab. Auch ob die Pflegesituation plötzlich und unerwartet auftritt, spielt eine Rolle.

Lesetipp: Pflegeheim: Sichere Umgebung rund um die Uhr.

Pflege im Alter: Betroffene erleben Pflegebedürftigkeit oft plötzlich

Wie können sich Betroffene auf die Pflegesituation einstellen? Bahnt sich die Pflegebedürftigkeit aufgrund eines fortschreitenden Alters langsam an, haben Betroffene Zeit, sich auf die zunehmenden Einschränkungen vorzubereiten und sich auch emotional auf Veränderungen einzustellen. Sie können planen, welche Maßnahmen sie wann ergreifen möchten und dies in einer Patientenverfügung festhalten und/oder eine Vorsorgevollmacht beziehungsweise Betreuungsverfügung erstellen. Auch bleibt Zeit, mit den Angehörigen zu besprechen, wie die künftige Pflegesituation gestaltet sein kann. Entwicklungen, die in einem Prozess stattfinden, sind meist leichter anzunehmen und die Bedarfe leichter umzusetzen.

Anders ist das, wenn die Pflegebedürftigkeit plötzlich das Leben der Betroffenen verändert, etwa nach einem Sturz, einer Operation, einer Krankheit oder aufgrund anderer Ursachen. Dann geschieht alles schnell und die Ereignisse überschlagen sich. Plötzlich abhängig von anderen zu sein und möglicherweise sogar das eigene Zuhause verlassen und in eine Pflegeeinrichtung ziehen zu müssen, ist emotional in der Regel schwer zu fassen. Zumal oft keine Zeit bleibt, aktiv die Situation zu gestalten. Die plötzliche Pflegebedürftigkeit „passiert“ mit einem – was in der Regel mit Gefühlen wie Angst, Hilflosigkeit, Kontrollverlust und Unsicherheit verbunden ist.

Pflegebedürftigkeit im Alter: Schon in gesunden Tagen darüber nachdenken

Es kann für alle ein wertvoller Prozess sein, bereits in gesunden Tagen im familiären Rahmen über eine mögliche spätere Pflegebedürftigkeit zu sprechen. Das kann Orientierung geben und schafft Raum für die Klärung wichtiger Fragen. Vorstellungen und Wünsche können ausgesprochen werden. Auch ist es empfehlenswert, sich mit den Themen Patientenverfügung, Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht und möglicherweise auch über das eigene Begräbnis und das Testament Gedanken zu machen. Liegen die entsprechenden Dokumente (zum Beispiel in einer Notfallmappe) vor, sind Betroffene und ihre Angehörigen auf eine mögliche Notsituation besser vorbereitet.

Aus dem Krankenhaus in die Pflege

Häufig ist es so, dass Betroffene während einer Krankenhausbehandlung erfahren, dass sie im Anschluss Pflege benötigen. Um die neue Situation zu organisieren, helfen der Sozialdienst oder die Pflegeüberleitung im Krankenhaus. Zuerst muss geklärt werden: Wie und wohin wird die pflegebedürftige Person entlassen? Ist eine Rehabilitation (Reha) geplant? Soll die Person nach Hause und muss eine häusliche Pflege organisiert werden? Soll der:die Pflegebedürftige vorübergehend in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung betreut werden – was den Angehörigen Zeit für die weitere Organisation verschafft. So kann die Wohnung in der Zwischenzeit mit wichtigen Hilfsmitteln zur Pflege ausgestattet werden, etwa mit einem Pflegebett, oder Umbauten für eine barrierefreie Wohnung durchgeführt werden, falls diese notwendig sind.  

Der Sozialdienst kann auch beim Ausfüllen des Antrags auf Pflegegeld aus der Pflegeversicherung für die Pflegekasse helfen. Ebenso muss geklärt werden, welche Leistungen wann zur Verfügung stehen. Auch kann der Sozialdienst möglicherweise Kontakt zu einem Pflegedienst oder Pflegeheim herstellen.

Übrigens: Im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt kann für sieben Tage eine häusliche Krankenpflege verschrieben werden, um die Erstversorgung zu gewährleisten. Und Angehörige können im Krankenhaus von Pflegetrainer:innen geschult werden, um zuhause die wichtigsten Handgriffe für die Versorgung durchführen zu können.

Wichtig zu wissen: Wird ein Rollator benötigt, ist der Sozialdienst im Krankenhaus oder der:die behandelnde Ärzt:in der richtige Kontakt. Sie können den Rollator ärztlich verordnen beziehungsweise bei der Krankenkasse beantragen. Für einen Rollator benötigen Sie immer die Genehmigung von Seiten der Krankenkasse.

Lesetipp: Hausnotruf für Senioren: Schnelle Hilfe im Notfall.

Fragen zum Thema Pflege im Alter – wohin wende ich mich?

Fragen rund um das Thema Pflegebedürftigkeit im Alter können unter anderem die Pflegekasse sowie Pflegestützpunkte und Seniorenbüros in der Nähe beantworten. Außerdem bietet das Bundesministerium für Gesundheit online verschiedene Ratgeber als PDF an. Das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums (Telefonnummer: 030 20 17 91 31, montags bis donnerstags von 9 Uhr bis 18 Uhr) bietet telefonische Beratung rund um das Thema Pflege an und richtet sich an Pflegebedürftige, pflegende Angehörige, Dienstleister im Pflegesektor sowie die Arbeitgeber und das Umfeld von pflegenden Angehörigen. Auch die Verbraucherzentralen bieten umfassende Informationen: Übersicht über die Pflege-Ratgeber. Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) ist eine gemeinnützige Stiftung, welche eine Datenbank anbietet, die Informationen über Beratungsangebote rund um die Pflege in Deutschland bereithält. Über die Suche von Gelbe Seiten können Sie ebenfalls nach Pflegeangeboten in Ihrer Nähe suchen.

Lesetipp: Expertenrat: „Vergesslichkeit im Alter – kaum jemand denkt an die Schilddrüse.

Die Pflege ist organisiert – wie geht es der Psyche?

Es muss viel organisiert werden, bis die pflegebedürftige Person gut versorgt und der neue Lebensalltag geregelt ist, sodass Gefühle häufig eine Zeitlang in den Hintergrund rücken. Kommen die Beteiligten langsam aus dem „Funktionsmodus“ heraus und kehrt mehr Ruhe ein, rückt die neue Situation verstärkt in das Gewahrsein – und nicht selten brechen eine Menge Emotionen hervor – bei den Betroffenen und ihren Angehörigen. Möchte sich der:die Betroffene mal „alles von der Seele reden“ oder haben Angehörige den Wunsch nach Austausch, ist es wichtig, den Raum dafür zu schaffen. Nicht nur die innerfamiliäre Kommunikation kann dann wertvoll sein. Möglicherweise tut auch ein Gespräch mit einem:r Seelsorger:in gut. Ist die Person gläubig, lässt sich vielleicht ein Gespräch mit einem:r Vertreter:in der Glaubensgemeinschaft herstellen. Besteht der Verdacht, dass die pflegebedürftige Person eine Depression entwickelt, sollte ein:e Psycholog:in hinzugezogen werden.

Pflege im Alter: weitere Anlaufstellen für Pflegebedürftige

Eine mögliche Anlaufstelle ist auch die Unabhängige Patientenberatung (UPD), die zu Fragen rund um das Thema Gesundheit berät. Das Angebot der UPD ist kostenfrei. Man kann eine entsprechende Beratungsstelle aufsuchen oder die Beratung telefonisch in Anspruch nehmen, eine E-Mail schreiben oder das Kontaktformular nutzen.

Weitere mögliche Anlaufstellen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen können sein:

  • Sozialamt
  • Verbraucherzentralen
  • Sozialverbände
  • Wohnberatungsstellen
  • Selbsthilfegruppen
  • Alzheimer Gesellschaften
  • Hospiz- und Palliativdienste
  • Betreuungsstellen (Helfen unter anderem bei Fragen zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht.)
  • Sozialpsychiatrischer Dienst/ Gerontopsychiatrische Beratungsstellen (Informieren zu psychischen Krankheiten im Alter.)
  • Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA)
  • Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen
  • Internetportal https://www.pflege-gewalt.de/ (Informiert zu Konflikten und Gewalt in der Pflege)

Lesetipp: Langzeitpflege: Therapie zur Erhaltung der Fähigkeiten.

Manche Heime bieten die Möglichkeit, Probe zu wohnen. Der Pflegebedürftige schließt einen vorläufigen Vertrag mit dem Heim und zieht für einen begrenzten Zeitraum ein. So kann er sich ein Bild von der Einrichtung machen. Stellt er nach zwei oder drei Wochen fest, dass er dort nicht wohnen will, endet der Vertrag. Fühlt er sich aber wohl, wird der vorläufige Vertrag in einen regulären umgewandelt.
— Verbraucherzentrale NRW: „Pflegefall – was tun? Schritt für Schritt zur guten Pflege“. Pflege-Ratgeber von Carina Frey, 2. Auflage, Februar 2018.
Pflege geht alle Familienmitglieder etwas an. Gespräche über Bedürfnisse, Wünsche und mögliche Kapazitäten zur Unterstützung sollten offen kommuniziert werden. Wichtig: Ist der:die Pflegebedürftige entscheidungsfähig, kann niemand über seinen:ihren Kopf hinweg entscheiden, etwa die Person „in ein Heim abschieben“. Andersherum kann eine pflegebedürftige Person nicht automatisch davon ausgehen, dass Familienmitglieder ihr Leben komplett umkrempeln und Vollzeit pflegen können. Können sich die Beteiligten nicht einigen, wie sie die Pflegebedürftigkeit gestalten können/wollen, kann von außen Hilfe zur Vermittlung/Einigung angefragt werden, etwa bei Sozialarbeiter:innen oder Pflegestützpunkten. Anders ist es, wenn die pflegebedürftige Person nicht mehr entscheidungsfähig ist, zum Beispiel aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz. Dann ist es von Vorteil, wenn frühzeitig eine Regelung vereinbart wurde, etwa eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung verfasst und eine Patientenverfügung erstellt wurde. Tritt der Pflegefall plötzlich ein, ist die zu pflegende Person nicht entscheidungsfähig und fehlen Unterlagen, wird das Betreuungsgericht eine:n gesetzliche:n Betreuer:in bestimmen.
Drei wichtige Formulare sind die Patientenverfügung, die Vorsorgevollmacht und die Betreuungsverfügung. Mit einer Patientenverfügung legt man fest, wie viel Medizin am Lebensende angewandt wird und wann lebenserhaltende Maßnahmen beendet oder weiter fortgeführt werden sollen. Die Vorsorgevollmacht regelt, in welchen Bereichen des Lebens eine Vertrauensperson stellvertretend für den:die Vollmachtgeber:in Entscheidungen treffen darf. In der Betreuungsverfügung wird eine Person festgehalten, welche dann die Betreuung übernimmt, wenn eine gerichtliche Betreuung erforderlich ist.
Gesetzlich und privat Versicherte erhalten die gleichen pauschalen Leistungen von der Pflegekasse. Bei Sachleistungen erhalten Privatversicherte allerdings eine Kostenerstattung. Das heißt, sie müssen die Kosten zuerst selbst zahlen und bekommen den ihnen zustehenden Anteil zurückerstattet. Abhängig vom Pflegegrad und der Pflegesituation zahlt die Pflegekasse entsprechende Leistungen. Die Tabelle zu den Pflegegraden und ihren Leistungen finden Sie im Flyer „Pflegebedürftig. Was nun?“ des Bundesministeriums für Gesundheit.


Quellen:

Verbraucherzentrale NRW: „Pflegefall – was tun? Schritt für Schritt zur guten Pflege“. Pflege-Ratgeber von Carina Frey, 2. Auflage, Februar 2018.

ratgeber-verbraucherzentrale.de: „Ratgeber Gesundheit + Pflege“. Publikationsübersicht der Verbraucherzentrale.

bundesgesundheitsministerium.de: “Alle Publikationen zum Thema Pflege“. Publikationsübersicht des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: “Pflegetelefon und Informationsportal 'Wege zur Pflege'“. Publikationsübersicht des Bundesministeriums für Gesundheit.

patientenberatung.de: „Beratungsangebot. Informationen für Sie“. Online-Angebot der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).

bmj.de: „Vorsorge und Betreuungsrecht“. Online-Information des Bundesministeriums der Justiz.

caritas.de: „Häufig gestellte Fragen zum Leben im Alter“. Online-Information von Caritas Deutschland.

heimverzeichnis.de: „Pflegeeinrichtungen und Seniorenresidenzen“. Pflegeheim-Suche der Gesellschaft zur Förderung der Lebensqualität im Alter und bei Behinderung.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
Wie finden Sie diesen Artikel?