Autismus-Spektrum-Störungen beim Kind: Ursachen, Symptome und Behandlung
Was ist Autismus?
Bei Autismus beziehungsweise Autismus-Spektrum-Störungen handelt es sich um „tiefgreifende Entwicklungsstörungen“, die durch drei Hauptmerkmale gekennzeichnet sind:
- gestörte soziale Interaktion
- beeinträchtigte Kommunikation und Sprache
- wiederholte, stereotypische Verhaltensweisen
Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung können soziale und emotionale Signale nur schwer einschätzen und haben ebenso Schwierigkeiten, diese auszusenden. Reaktionen und Verhalten im menschlichen Miteinander sind dadurch nur selten angemessen und entsprechend auffällig.
Welche Ursachen hat Autismus?
Die genauen Ursachen von Autismus sind nicht geklärt. Eine bedeutende Rolle spielen genetische Risikofaktoren. Diese werden entweder über die Gene an das Kind weitergegeben oder sie entstehen im Reifungsprozess der mütterlichen Eizelle oder der väterlichen Samenzelle. Auch ein höheres Alter der Eltern bei der Zeugung scheint eine Rolle zu spielen. Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit zufolge wird der Einfluss vererbter Faktoren auf die Entwicklung von Autismus-Spektrum-Störungen auf der Grundlage von Zwillings- und Familienstudien derzeit auf 40 bis 80 Prozent geschätzt. Auch bestimmte Erkrankungen der Eltern erhöhen das Risiko, dass das Kind eine Autismus-Spektrum-Störung entwickelt, beispielsweise Erkrankungen des Nervensystems (Epilepsie), Autoimmunkrankheiten (Schuppenflechte) und Stoffwechselkrankheiten (Diabetes Typ 1). Eine Rötel-Erkrankung während der Schwangerschaft gilt ebenfalls als Risikofaktor, ebenso die Einnahme bestimmter Medikamente, etwa Antidepressiva.
Was ist der Unterschied zwischen Autismus und Autismus-Spektrum-Störung?
Der Begriff der „Autismus-Spektrum-Störung“, kurz (ASS), wird als Oberbegriff für das gesamte Spektrum autistischer Störungen verwendet. Das Klassifizierungssystem ICD-10 der WHO „Internationales statistisches Klassifikationssystem der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems)“ hat bislang drei Autismus-Formen unterschieden:
- Autismus (frühkindlicher Autismus): Diese Störung wird immer vor dem dritten Lebensjahr auffällig und zeigt sich in drei Bereichen besonders deutlich: im sozialen Umgang mit Menschen, in der Kommunikation, in sich wiederholenden und stereotypischen Verhaltensweisen.
- Asperger-Syndrom: Hierbei handelt es sich um eine leichtere Ausprägung des Autismus, bei der das Sprachvermögen weniger beeinträchtigt ist.
- Atypischer Autismus: Ist durch Einschränkungen in zwei der drei zentralen Bereiche soziale Interaktion, Kommunikation oder stereotypes Verhalten gekennzeichnet. Er kann variabel mit oder ohne Sprachentwicklungsverzögerung vorkommen.
Da die Abgrenzung der einzelnen Formen in der Praxis zunehmend schwerer fällt und auch, weil immer wieder leichtere Störungsbilder diagnostiziert werden, wird im ICD-11 keine Unterscheidung mehr vorgenommen. Der Begriff „Autismus-Spektrum-Störung“ wird als Oberbegriff genutzt. Die Bezeichnung „Spektrum“ wird verwendet, um den großen Umfang an Symptomen, individueller Ausprägung und individueller Fähigkeiten der betroffenen Personen zu beschreiben.
Symptome: Wie äußert sich eine Autismus-Spektrum-Störung?
Wie erkennt man autistische Züge beim Kind? Meist wird die Entwicklungsstörung vor dem dritten Lebensjahr diagnostiziert, da sich der veränderte Umgang mit Mitmenschen, die Art der Kommunikation/der Austausch mit der Umwelt sowie das Verhalten deutlich von anderen Kindern im gleichen Alter unterscheidet. So ist beispielsweise das Interesse am Gegenüber bei betroffenen Kindern eingeschränkt. Sie reagieren kaum auf Kontaktaufnahme, zeigen keine oder nur selten Freude, haben eine eingeschränkte Mimik, nehmen keinen Blickkontakt auf, vermeiden Körperkontakt und haben Schwierigkeiten, ihr Gegenüber nachzuahmen. Sie ziehen sich zurück, spielen am liebsten allein und suchen nur wenig Kontakt zu Gleichaltrigen.
Mit Fantasie- und Gruppenspielen Gleichaltriger können autistische Kinder in der Regel nichts anfangen. Oftmals begleiten Sprachentwicklungsstörungen den Autismus beziehungsweise die Autismus-Spektrum-Störung. Auch ständige abnorme Bewegungen können auf Autismus hindeuten. Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung verbringen zudem meist viel Zeit mit Wiederholungen von immer gleich ablaufenden Bewegungen (Stereotypien), etwa auf der Stelle schaukeln oder Drehen der Finger vor den Augen. Manchmal kommt es zu aggressivem Verhalten, wenn es den Kindern nicht gelingt, ihre Bedürfnisse zu kommunizieren oder wenn gewohnte Abläufe gestört oder verändert werden.
Autismus-Symptome bei Babys
Wie der Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus, Autismus Deutschland e. V. mitteilt, in der Regel bereits Babys in ihrer frühen Entwicklung bestimmte autismusspezifische Auffälligkeiten zeigen, ewta eine Fokussierung auf bestimmte Objekte, seltener Augenkontakt sowie eine insgesamt geringe Interaktion mit den Eltern: „Sie lächeln beispielsweise selten zurück, wenn die Eltern mit ihnen spielen (soziales Lächeln), reagieren nicht darauf, wenn Eltern sie mit ihrem Namen ansprechen und blicken nicht in dieselbe Richtung, wenn Eltern ihnen etwas zeigen (geteilte Aufmerksamkeit)“, erklärt der Bundesverband auf seiner Website.
Ebenso könne es Kindern schwerfallen, ihren Eltern mitzuteilen, was sie wollen. Möglich sei auch, dass sich autistische Kinder zunächst normal entwickeln und erst ab dem zweiten oder dritten Lebensjahr still werden und das Interesse an anderen Menschen verlieren oder gleichgültiger auf Umweltreize reagieren. Viele der betroffenen Kinder haben zudem ungewöhnliche Interessen, etwa eine Sammelleidenschaft für Knöpfe oder sie lernen Busfahrpläne oder Lexika auswendig.
Diagnose: Hat mein Kind eine Autismus-Spektrum-Störung?
Haben Eltern den Verdacht, dass ihr Kind autismusspezifische Symptome zeigt, sollten sie im ersten Schritt Kontakt mit einem Kinderarzt oder einer Kinderärztin aufnehmen. KinderärztInnen in der Nähe finden Sie über die Suche der Gelben Seiten. Bei Bedarf kann eine Überweisung zu einem Kinder- und Jugendpsychiater oder in eine sozialpädiatrische Praxis erfolgen. Dort können mithilfe spezieller Fragebögen die Entwicklung des Kindes und mögliche Autismus-Symptome erfasst und eingeschätzt werden. Um die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung beim Kind stellen zu können, müssen zudem körperliche, psychiatrische und neurologische Untersuchungen Krankheitsbilder wie Epilepsie, ADHS, Angst-, Zwangs- und Tic-Störungen ausschließen.
Eine möglichst frühe Autismus-Diagnose ist hilfreich. Sie kann dazu beitragen, die schwerwiegenden Entwicklungsverzögerungen, die mit Autismus verbunden sein können, zu reduzieren. Eine frühzeitige Therapie fördert kommunikative, kognitive, sozial-emotionale und alltägliche Fähigkeiten des Kindes und unterstützt es dabei, den Alltag besser zu bewältigen. Viele Kinder haben Schwierigkeiten in der Ausführung alltäglicher und grundlegender Tätigkeiten wie Einkaufen, den Tag organisieren oder Körperhygiene. Sie brauchen entsprechende Begleitung.
Lesetipp: Asperger-Syndrom: Symptome der Autismus-Variante.
Autismus-Spektrum-Störung: Behandlung, die Kind und Eltern hilft
Im Rahmen der Autismus-Therapie lernen nicht nur die betroffenen Kinder, sondern auch die Eltern, mit der Störung umzugehen und den Alltag zu meistern. Es werden unter anderem Kommunikationswege erarbeitet, um die Interaktion zwischen Kind und Eltern zu verbessern. Auch können im Rahmen der Therapie Übungsstunden durchgeführt werden, in denen Kinder lernen, die Mimik anderer Menschen besser zu deuten und einzuordnen. Klare Regeln und Strukturen sowie Rückzugsmöglichkeiten und Reizminimierung helfen den Kindern, zur Ruhe zu kommen und Stress zu reduzieren. Generell ist es wichtig, dass Veränderungen langsam und mit guter Vorbereitung für das Kind erfolgen. Alles, was neu ist, bedeutet für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung Stress, Verunsicherung und Orientierungslosigkeit.
Die Autismus-Therapie ist eine Komplextherapie, die verhaltenstherapeutische und übende Ansätze miteinander verbindet, um dem Kind ein möglichst gutes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Weitere psychotherapeutische und bei Bedarf medikamentöse Therapien können das Behandlungskonzept ergänzen. Im Rahmen einer zusätzlichen Logopädie-Therapie können Kinder ihre Sprachfertigkeiten verbessern. Welche Therapie in individuellen Fall eingesetzt wird, ist vom Symptombild der Autismus-Spektrum-Störung abhängig. Die behandelnden ÄrztInnen besprechen mit den Eltern mögliche Therapiewege.
Quellen:
autismus.de: „Was ist Autismus?“. Online-Information von Autismus Deutschland e. V., Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus.
autismus.de: „Elternratgeber Autismus-Spektrum“. Online-Broschüre (PDF) von Autismus Deutschland e. V., Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus.
autismus.de: „Kinder und Jugendliche mit Autismus in der Schule“. Online-Flyer (PDF) von Autismus Deutschland e. V., Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus.
autismus.de: „Was folgt nun? – Vorgehen nach der Autismus-Diagnose“. Online-Merkblatt (PDF) von Autismus Deutschland e. V., Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus.
autismushamburg.de: „Formen von Autismus“. Online-Information von Autismus Hamburg e. V.
neurologen-und-psychiater-im-netz.org: „Was sind Autismus-Spektrum-Störungen?“. Online-Information der Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.
gesundheitsinformation.de: „Umschriebene Entwicklungsstörungen in der Kindheit und Jugend“. Online-Information des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
gesund.bund.de: „Autismus“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.