Welche Zahn- und Kieferfehlstellungen gibt es? Kreuzbiss, Überbiss & Co.
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Welche Zahn- und Kieferfehlstellungen gibt es? Kreuzbiss, Überbiss & Co.

Bei Menschen mit einer Zahn- und Kieferfehlstellung ist das Gebiss anders geformt als bei den meisten anderen. Fast jeder hat Abweichungen vom „Normalgebiss“. Erst wenn diese über ein gewisses Maß hinausgehen, sprechen Mediziner von einer Fehlstellung. Je nachdem, um welche Veränderung im Gebiss es sich handelt, unterscheiden Ärzte verschiedene Arten von Zahn- und Kieferfehlstellungen. Häufig sind beispielsweise der Kreuzbiss und der Überbiss. Zahn- und Kieferfehlstellungsarten: ein Überblick.

Wenn Zähne und Kiefer vom normalen Gebiss abweichen

Fehlstellungen an Zähnen und Kiefer können sich ganz unterschiedlich zeigen. So kann bei Zahnfehlstellungen ein Zahn schief oder verdreht sein oder aufgrund von Platzmangel an einer anderen als dafür vorgesehenen Stelle herauswachsen. Manche Zähne brechen gar nicht durch, sondern bleiben im Kiefer (Retention), etwa häufig die Weisheitszähne. Bei Kieferfehlstellungen kann zum Beispiel der Unterkiefer zu klein sein, sodass die Zahnreihen nicht gut aufeinanderpassen oder der Kiefer ist seitlich verschoben.

Abweichungen vom „Normalgebiss“ (Regelbiss, Neutralbiss, Normalbiss) werden als Zahn- und Kieferfehlstellungen zusammengefasst. Der medizinische Fachausdruck ist Dysgnathie (aus dem Griechischen: dys = „fehl-“ beziehungsweise „miss-“ und gnáthos = „Kiefer“). Sind die Zähne betroffen, sprechen Mediziner von dentoalveolärer Dysgnathie. Ist der Kiefer betroffen, von skelettaler Dysgnathie. Je nach Ausprägung können die Mundhygiene, Essen, Trinken, Sprechen, das Schließen des Mundes und sogar das Atmen erschwert sein. Auch Schmerzen können auftreten.

Wie sieht ein Normalbiss (Regelbiss) aus?

Bei einem Normalbiss, auch Neutralbiss und Regelbiss genannt, bedeckt die obere Zahnreihe die untere um zwei bis drei Millimeter. Bei geschlossenem Mund legen sich die Zahnreihen von Ober- und Unterkiefer passend aufeinander. Die Höcker der oberen Zähne legen sich in die Vertiefungen der unteren und umgekehrt.

Welche Zahn- und Kieferfehlstellungsarten gibt es?

Mediziner unterscheiden bei Zahn- und Kieferfehlstellungen unter anderem:

  • Überbiss (Distalbiss, Prognathie)
  • Tief- und Deckbiss
  • Vorbiss (Unterbiss, Progenie)
  • offener Biss
  • Kreuzbiss (Fehlerzahnung)
  • Engstand (Platzmangel)
  • Zahnlücken (Lückenbiss)
  • Retinierte (verlagerte) Zähne
  • Fehlende Zähne (Nichtanlage von Zähnen)
  • Zahnüberzahl (Hyperdontie)

Überbiss (Distalbiss, Prognathie): Oberkiefer steht vor

Von einem Überbiss oder von Prognathie sprechen Zahnärzte und Kieferorthopäden, wenn der Oberkiefer vorsteht, weil er im Verhältnis zum Unterkiefer zu groß ist (maxilläre Prognathie) oder der Unterkiefer zu klein ist (mandibuläre Retrognathie). Die oberen und die unteren Schneidezähne haben zu viel Abstand zueinander – die „Frontzahnstufe“ ist zu groß. Dabei können die Schneidezähne nach innen oder außen gekippt sein. Die Zahnreihen passen nicht aufeinander. Das Abbeißen kann erschwert sein und auch das Verletzungsrisiko der oberen Schneidezähne kann erhöht sein – etwa bei einem Sturz.

Tiefer Biss und Deckbiss: Die oberen Schneidezähne überdecken die unteren

Von einem Tiefbiss, der meist genetisch bedingt ist und oft mit einem Überbiss einhergeht – sprechen Zahnärzte und Kieferorthopäden, wenn die oberen Schneidezähne die unteren Schneidezähne mehr als zwei bis drei Millimeter überlappen. Die Schneidezähne reichen zu weit nach unten bedecken die Schneidezähne im Unterkiefer. Eine besondere Form des tiefen Bisses ist der Deckbiss. Hierbei verdecken die oberen Schneidezähne die unteren Frontzähne komplett. Die oberen Schneidezähne können sogar das Zahnfleisch des Unterkiefers berühren beziehungsweise die Schneidezähne des Unterkiefers den Gaumen – was zu Verletzungen führen kann. Auch Kiefergelenksbeschwerden können die Folge sein.

Vorbiss (Unterbiss, Progenie): Die unteren Schneidezähne stehen vor den oberen

Bei einem Vorbiss, auch Unterbiss und Mesialbiss genannt, ist der Unterkiefer im Verhältnis zum Oberkiefer zu lang (mandibuläre Prognathie) beziehungsweise der Oberkiefer im Verhältnis zum Unterkiefer zu klein (maxilläre Retrognathie). Diese Fehlstellung führt dazu, dass beim Zusammenbiss der Zähne die unteren Schneidezähne etwa vier Millimeter vor den oberen Schneidezähnen stehen. Die unteren Schneidezähne beißen vor die oberen (frontaler Kreuzbiss).

Offener Biss: Spalt zwischen den Schneidezähnen von Ober- und Unterkiefer

Bei einem Gebiss ohne Fehlstellung ist es so, dass bei geschlossenem Mund die Zahnreihen aufeinanderliegen – auch die Schneidezähne. Bei einem offenen Biss besteht ein Spalt zwischen den Schneidezähnen von Ober- und Unterkiefer, wenn die Zähne zusammengebissen werden. Das Abbeißen ist erschwert und auch die Sprachentwicklung kann gestört sein. Zudem kann sich eine ungünstige Mundatmung entwickeln, da der Mund nicht richtig geschlossen werden kann. Das Karies-Risiko steigt, da der zahnschmelzschützende Speichel die Zähne nicht mehr richtig umspülen kann. Der offene Biss kann erblich bedingt sein, wird aber auch durch langfristiges Daumenlutschen oder Schnullernuckeln begünstigt.

Kreuzbiss (Fehlverzahnung): Wenn die Seitenzähne nicht richtig beißen

Von einem Kreuzbiss sprechen Mediziner, wenn die Seitenzähne beim Beißen nicht korrekt aufeinanderpassen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Seitenzähne des Oberkiefers zu weit nach innen stehen (in Richtung Gaumen) oder die Seitenzähne des Unterkiefers zu weit nach außen (in Richtung Wange) stehen. Der Kreuzbiss kann einseitig sein oder beide Seiten betreffen. Je nach Ausprägung kann ein Kreuzbiss unterschiedliche Komplikationen bedingen, etwa Störungen im Wachstum des Oberkiefers, Störungen bei der Sprachentwicklung, Abnutzung der Kiefergelenke aufgrund von Fehlbelastung beim Kauen, Beeinträchtigung der Kaufunktion oder ein „schiefes“ Gesicht.

Engstand (Platzmangel): zu wenig Platz für die Zähne

Liegt ein Engstand vor, haben die Zähne nicht ausreichend Platz. Sie können entweder nicht vollständig hinauswachsen, wachsen schief heraus oder verbleiben ganz im Kiefer. Mit den Weisheitszähnen passiert dies oft, ebenso mit den oberen Eckzähnen. Während beim primären Engstand Zahn- und Kiefergröße nicht zusammenpassen, verengt beim sekundären Engstand der erste große bleibende Backenzahn nach vorne und nimmt Raum für später nachkommende Zähne. Ursache sind meist zu früh ausfallende Milchzähne. Verschieben sich die Unterkieferfrontzähne plötzlich – meist ab dem 20. Lebensjahr – sprechen Mediziner von tertiärem Engstand. Als Ursache wird ein Nachwachsen des Unterkiefers vermutet. Ein Engstand kann zu Schmerzen und Entzündungen führen, Beschwerden beim Kauen verursachen und Zahnschäden begünstigen. Auch die Zahnpflege kann erschwert sein.

Zahnlücken (Lückenbiss): Wenn Zähne fehlen

Es gibt verschiedene Gründe für Zahnlücken. Entweder ist im Kiefer zu viel Platz und die Zähne wachsen mit größerem Abstand zueinander aus dem Kiefer heraus. Oder es fehlen im Kiefer Zähne – etwa, weil sie nicht gewachsen sind (Nichtanlage von Zähnen) oder weil sie bei einem Unfall herausgebrochen oder durch Karies zerstört sind. Fehlen Zähne oder ist zu viel Platz im Kiefer, können sich die bestehenden Zähne nicht ausreichend stabilisieren. Sie können sich verschieben. Nach einem Zahnunfall sprechen Zahnärzte von unfallbedingten Zahnfehlstellungen. Verloren gegangene Zähne sollten daher ersetzt werden. Eine Lücke zwischen den Schneidezähnen ist zahnmedizinisch in der Regel kein Problem.

Retinierte (verlagerte) Zähne: Wenn der Zahn schief ist

Von einer Verlagerung beziehungsweise von retinierten Zähnen sprechen Zahnärzte und Kieferorthopäden, wenn Zähne nicht aus dem Kiefer herauswachsen, sondern im Kiefer liegen bleiben. Bricht ein Zahn nur teilweise durch, handelt es sich um eine Halbretention. Ursache ist oft ein Engstand im Kiefer oder der Zahn liegt von Anfang an schief im Kiefer und kann nicht herauswachsen. Betroffen sind oft die Weisheitszähne, die aus Platzgründen oft im Kiefer verbleiben. Auch die Eckzähne und die zweiten kleinen Backenzähne im Ober- und Unterkiefer sind oft betroffen. Verbleiben Zähne im Kiefer, kann es passieren, dass sie auf die Wurzeln der danebenliegenden Zähne drücken oder die Zähne verschieben. Auch Schmerzen und Entzündungen können entstehen.

Fehlende Zähne (Nichtanlage von Zähnen): weniger als 32 Zähne

Normalerweise hat das Gebiss 32 Zähne – die Weisheitszähne mitgerechnet: 16 oben und 16 unten. Fehlen Zähne, kann das an einem genetischen Fehler liegen. Oftmals fehlen Weisheitszähne. Was viele nicht schlimm finden, da gerade Weisheitszähne oft nicht genügend Platz im Mund finden und zahnchirurgisch entfernt werden müssen. Fehlt hingegen ein Schneidezahn, ist das problematischer. Zahnexperten empfehlen, die Zahnlücke zu schließen, damit sich die anderen Zähne normal entwickeln können.

Bei Diabetes, Leukämie, Herzerkrankungen oder schweren Störungen des Immunsystems kann eine Implantierung problematisch sein und sollte deshalb nur nach Rücksprache mit dem Hausarzt vorgenommen werden. Dies gilt auch bei Einnahme bestimmter Medikamente oder bei Drogenabhängigkeit.
— Dr. Jochen H. Schmidt, zahnärztlicher Leiter des Kölner Carree Dental ("Master of Science Oral Implantology“)

Zahnüberzahl (Hyperdontie): zu viele Zähne im Mund

Es ist nicht nur möglich, dass sich zu wenig Zähne entwickeln. Auch können im Kiefer mehr als 32 Zähne angelegt sein. Zahnmediziner sprechen von Hyperdontie, also einer Zahnüberzahl. Das kann bei den Schneidezähnen passieren, Zahnärzte sprechen dann von „Zapfenzahn“. Auch können mehrere Weisheitszähne angelegt sein. Experten vermuten Entwicklungsstörungen oder eine genetische Veranlagung als Ursache.

Zwischen dem 10. und 18. Lebensjahr übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine notwendige kieferorthopädische Behandlung. Aber: Behandlungen, die über das Angebot des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, müssen die Patienten selbst bezahlen. Es ist daher in jedem Fall ratsam, vor Beginn einer Behandlung einen Kostenvoranschlag vom behandelnden Arzt oder der Ärztin anzufordern und bei der Krankenkasse nachzufragen, was sie übernimmt – und was nicht. Grundsätzlich zahlt die Krankenkasse nur für ausgeprägte Zahnfehlstellungen und Kieferanomalien, deren Korrektur aus medizinischen Gründen notwendig ist. Die Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung nach Beendigung des 18. Lebensjahres übernimmt die gesetzliche Krankenkasse in der Regel nicht.
Eine Periimplantitis ist eine bakterielle, kieferknochenschädigende Entzündung, die rund um ein Implantat entstanden ist. Studien gehen davon aus, dass mindestens jeder dritte Implantat-Träger nach etwa zehn Jahren von einer Periimplantitis betroffen ist. Nicht selten muss das Implantat dann erneuert werden. Neben unzureichender Mundhygiene fördern Rauchen, Stress, hormonelle Veränderungen und bestimmte Medikamente Probleme mit Zahn-Implantaten. Auch zahnärztliche Fehler können ursächlich sein, etwa ein unzureichender Knochenaufbau vorm Setzen des Implantats oder Fehlplanungen bei der Anordnung der Implantate.
Wurde im Rahmen eines Unfalls ein Zahn ausgeschlagen, darf die empfindliche Wurzelhaut keinesfalls austrocknen. Der ausgeschlagene Zahn sollte umgehend gesucht und zum Zahnarzt gebracht werden. Am besten hebt man ihn an der Krone auf und nicht an der empfindlichen Zahnwurzel. Wichtig: Auch bei starker Verschmutzung sollte der Zahn nicht abgewaschen oder desinfiziert werden. Wer keine Zahnrettungsbox (Apotheke) zur Hand hat, kann kurzzeitig den Zahn in der Mundhöhle im Wangenbereich aufbewahren. Dadurch wird verhindert, dass die Wurzeloberfläche austrocknet.

Quellen:

Wie funktioniert das Gebiss? Online-Information der Stiftung Gesundheitswissen.

Wie sehen Zahn- und Kieferfehlstellungen aus? Online-Information des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Zahn- und Kieferfehlstellungen. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit

Zahn- und Kieferfehlstellungen. Online-Information des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Häufige Fehlstellungen. Online-Information der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV).

Zahn- und Kieferfehlstellungen. Online-Information der Kieferorthopädischen Praxis Dr. Peter Borg.

Dysgnathie / Fehlbiss. Online-Information des Universitätsklinikums Düsseldorf (UKD).

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
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