Expertentipps: Was Sie wirklich über Zecken wissen müssen
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Expertentipps: Was Sie wirklich über Zecken wissen müssen

Von Frühling bis Spätherbst sind die Zecken in Deutschland aktiv. Parasitologin Dr. Dania Richter löst Mythen über die Blutsauger auf und erklärt, was bei einem Zeckenbiss zu tun ist.

Etwa von März bis Oktober suchen die Zecken in Deutschland aktiv nach Wirten. Beißen Sie einen Menschen, können sie gefährliche Krankheiten übertragen.

Dr. Dania Richter, Parasitologin an der TU Braunschweig, forscht seit 20 Jahren zum Thema Zecken. Sie weiß, wie sich Zeckenbisse vermeiden lassen, wie groß die Gefahr einer Infektion ist und wie die Blutsauger am besten entfernt werden.

Gelbe Seiten: Warum können Zecken gefährlich sein?

Dania Richter: Zecken saugen an Tieren und Menschen Blut und können dabei ein ganzes Arsenal an Erregern übertragen. Krank machen kann zum einen das Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus, kurz FSME-Virus genannt. Es ruft grippeähnliche Symptome hervor und führt bei einigen Patienten auch zu einer Hirnhautentzündung, die gefährlich werden kann.

Zum anderen können Zecken die Erreger der Lyme-Borreliose übertragen. Dabei handelt es sich um eine Infektion, die durch Bakterien verursacht wird. Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen können die Folge sein, auch Gesichtslähmung und Hautveränderungen sind möglich. Noch lange nach einem Zeckenbiss können Spätfolgen wie Gelenkentzündungen auftreten.

Wie groß ist denn die Gefahr, bei einem Zeckenbiss auch infiziert zu werden?

Hier ist die Unterscheidung zwischen FSME und Lyme-Borreliose wichtig. Die Zahl der mit FSME-Viren infizierten Zecken liegt je nach Region im sehr geringen Prozent- oder sogar Promille-Bereich. Die Übertragungsherde konzentrieren sich zudem oft auf Gebiete, die nicht größer als zwei Fußballfelder sind, und kommen somit nur ganz punktuell vor. Mit Lyme-Borrelien sind hingegen im Schnitt rund 30 Prozent der Zecken infiziert – abhängig von der Art der Tiere, die im Lebensraum der Zecke vorkommen.

Wir haben herausgefunden, dass Wiederkäuer dazu beitragen, die Zahl der mit Lyme-Borrelien infizierten Zecken zu reduzieren, da die Spinnentiere nach einer Blutmahlzeit an einer Ziege oder einer Kuh oft nicht mehr infektiös sind. Mit anderen Worten: Wer sich auf einer Weide sonnt, auf der Wiederkäuer grasen, wird bei einem Zeckenbiss weniger wahrscheinlich mit Lyme-Borrelien infiziert, als das im Wald der Fall ist.

Gesetzt den Fall, die Zecke ist infektiös – ist denn sofort nach dem Biss die Ansteckungsgefahr gegeben?

Das FSME-Virus wird in der Regel sehr schnell von der saugenden Zecke übertragen. Die Lyme-Borrelien sitzen jedoch im Darm der Zecke und müssen durch die Blutmahlzeit erst aktiviert werden und zu den Speicheldrüsen der Zecke wandern. Und das dauert mindestens einen Tag.

Wer sich also regelmäßig auf Zecken kontrolliert, kann das Borreliose-Risiko extrem minimieren. Man schätzt, dass etwa 5 Prozent der Menschen, die von einer mit Lyme-Borrelien infizierten Zecke befallen wurden, an Lyme-Borreliose erkranken. Für FSME gibt es meines Wissens dazu keine Schätzungen.

Wie schütze ich mich denn am besten vor Zecken?

Wie eben schon erwähnt, sollte das Absuchen des Körpers nach Zecken wie das Zähneputzen zur täglichen Routine gehören – vor allem auch bei Kindern, die oft draußen spielen. Dann schützt natürlich lange Kleidung, die Hose sollte bei Waldspaziergängen in die Socken gesteckt werden. Denn das Hosenbein ist die erste Eintrittspforte.

Zecken lassen sich nämlich keineswegs von Bäumen auf Menschen fallen, sondern klettern von Gräsern oder Sträuchern in Beinhöhe auf die Menschen oder andere Wirte. Der hierzulande weit verbreitete Gemeine Holzbock lauert in Höhen bis 1,50 Meter auf seine Wirte.

Darüber hinaus bieten Anti-Zecken-Mittel aus der Drogerie oder der Apotheke guten Schutz. Vorbeugende Impfungen sind nur gegen das FSME-Virus sinnvoll, gegen Borreliose gibt es keine Impfung.

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Was mache ich denn, wenn ich eine Zecke an mir entdecke?

Dann sollten Sie die Zecke so schnell wie möglich entfernen – am besten mit einer Pinzette, falls Sie eine zur Hand haben. Greifen Sie die Zecke damit so nah wie möglich an der Haut und ziehen Sie das Spinnentier gerade heraus. Ohne Pinzette tun es auch lange Fingernägel, um die Zecke aus der Haut zu ziehen.

Frühere Empfehlungen, die Zecke herauszudrehen oder vorher irgendwelche Mittelchen auf die Zecke zu träufeln wie Öl oder Kleber, sind überholt und könnten die Zecke veranlassen, mehr Speichel in die Wunde zu spucken und damit potenziell auch Krankheitserreger. Im Anschluss versorgen Sie die kleine Wunde mit etwas Desinfektionsmittel wie Alkohol oder Jod.

Und wenn der Kopf der Zecke stecken bleibt?

Der Kopf der Zecke kann nicht stecken bleiben. Wenn die Zecke nicht vollständig entfernt wird, bleiben vielleicht Reste der Mundwerkzeuge stecken. Doch auf diesen sitzen keine Erreger. Die Fremdkörper werden meist nach einiger Zeit von selbst abgestoßen.

Und was mache ich dann mit der herausgezogenen Zecke? Wie entsorge ich sie am besten?

Da höre ich oft die abenteuerlichsten Gerüchte. Solche Geschichten, dass eine “schwangere Zecke” alle ihre Eier in der Gegend verteilt, wenn man sie zerquetscht, gehören ins Reich der Fabeln. Sie sollten das nur nicht mit Ihren Fingern tun, sonst reiben Sie sich den Darminhalt später womöglich ins Auge. Sie können die Zecke auch einfach in der Toilette herunterspülen.

Wie und wann merke ich denn, ob die Zecke mich infiziert hat?

Beobachten Sie die Bissstelle einige Wochen. Wenn Sie eine ringförmige, sich ausdehnende Rötung bemerken, die sogenannte Wanderröte, sollten Sie zum Arzt gehen, denn das ist ein Leitsymptom für die Lyme-Borreliose. Achten Sie zudem auf grippale Krankheitserscheinungen, die sich in den vier bis sechs Wochen nach dem Zeckenbiss bemerkbar machen könnten. Das kann sowohl auf eine Infektion mit FSME-Viren als auch mit Borrelien hindeuten. Auch dann sollten Sie unbedingt einen Arzt aufsuchen.

Kommt es denn vor, dass Menschen einen Zeckenbiss trotz einer Saugdauer von mehreren Tagen gar nicht bemerken?

Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Bei einigen fängt es an zu jucken, andere bemerken die Zecke während des Saugvorgangs überhaupt nicht, denn die Zecke hat sowohl entzündungshemmende als auch schmerzlindernde Stoffe in ihrem Speichel, um unentdeckt über mehrere Tage Blut saugen zu können.

Bevorzugen Zecken eigentlich bestimmte Wirte, wie Mücken das ja auch tun?

Prinzipiell nimmt der Gemeine Holzbock alles, was ihm vor die Mundwerkzeuge kommt. Es gibt aber offensichtlich bestimmte Menschen, die häufiger von Zecken befallen werden als andere. Warum das so ist, ist noch nicht erforscht.

Wie häufig werden Sie als Forscher denn von einer Zecke gestochen?

In den 20 Jahren meiner Forschungstätigkeit bin ich vielleicht 20-mal gestochen worden. Aber zum Glück nie erkrankt.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
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Dr. Dania Richter
Autor/-in
Die Parasitologin Dr. Dania Richter weiß, wie sich Zeckenbisse vermeiden lassen. Aktuell arbeitet sie am Institut für Geoökologie der TU Braunschweig. Zuvor war sie unter anderem an der Harvard School of Public Health in Boston und an der Charité Universitätsmedizin Berlin tätig.
Dr. Dania Richter
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