Bandage oder Tape - was hilft am besten?
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Bandage oder Tape - was hilft am besten?

Kein anderes Gelenk wird so stark strapaziert und so häufig verletzt wie unser Sprunggelenk. Bei Bänderdehnungen, Verstauchungen und anderen Blessuren fördern orthopädischen Hilfsmittel die Heilung und die Mobilität. Orthese, Bandage oder Tape: Wann Gelenke welche Unterstützung brauchen, weiß Dr. Thomas Schneider, leitender Orthopäde und Fußchirurg der Gelenkklinik in Gundelfingen.

Herr Dr. Schneider, sind unsere Sprunggelenke zu schwach – oder warum kommt es so häufig zu Verletzungen?

Dr. Schneider: Unsere Sprunggelenke werden weitaus mehr beansprucht als alle anderen Gelenke. Bei jedem Schritt lastet das Mehrfache des Körpergewichts darauf. Ohne Sprunggelenk wären wir gar nicht in der Lage aufrecht zu gehen. Dabei sorgen verschiedene Bänder für die erforderliche Balance und Koordination. Sie sind die eigentliche Schwachstelle des Gelenks, weil sie relativ schnell überdehnen oder sogar reißen können.

Bandagen helfen in diesen Fällen weiter?

Dr. Schneider: In der Tat. Bandagen lassen Schwellungen nach Unfällen zurückgehen und haben zudem eine stützende Funktion. Sie  schützen den anfälligen Knöchel vor einem Umknicken. Das Sprunggelenk bekommt generell wieder Stabilität beim Gehen oder Laufen. Darüber hinaus fördern sie Muskelkoordination, Durchblutung und lymphatischen Rückfluss. Der optimierte venöse Abfluss verbessert Regenerationsfähigkeit und Stoffwechselleistung. Das Risiko von Krampfadern und die Gefahr von Thrombosen sinken.

Was unterscheidet Bandagen von Orthesen?

Dr. Schneider: Bandagen bestehen in der Regel aus Textilien, unterstützt durch elastische Einsätze. Diese dienen, wie gesagt, der Stabilisierung, etwa des verletzten Sprunggelenks. Orthesen sind weniger flexibel, aber weitaus komplexer im Aufbau. Sie verfügen über einen stabilen Rahmen und eine abgestimmte Mechanik  aus Bügeln, Zügeln und Schienen. Dadurch ermöglichen sie nicht nur eine zuverlässige Ruhigstellung des Gelenkes, sondern auch dessen gezielte Mobilisierung. Zudem lassen sich Haltung und Bewegungsabläufe korrigieren.

Was zeichnet Orthesen in der Praxis noch aus?

Dr. Schneider: Orthesen werden seit Jahrzehnten als orthopädische Hilfsmittel bei angeborenen Fehlstellungen, bei Verschleißerscheinungen oder nach Verletzungen wie etwa einem Bänderriss eingesetzt. Sie entlasten, stabilisieren und korrigieren Gliedmaße und Gelenke. Sie haben die größte Eigenstabilität und bieten sicherlich den größten mechanischen Schutz des Gelenks. Bei Instabilität des Sprunggelenks können Orthesen in der Therapie aber auch in der Prophylaxe, also zur Vorbeugung angewendet werden. 

Worauf kommt es bei meiner individuellen Orthese an?

Dr. Schneider: Grundsätzlich sollte sie in enger Abstimmung zwischen Patient, Arzt und Orthopädietechniker angefertigt werden. Das medizinische Anforderungsprofil definiert exakt, welche Funktionen kompensiert werden sollen. Oftmals sind mehrfache Nachkorrekturen erforderlich, bis alle medizinischen Vorgaben erfüllt und ein perfektes Endergebnis erreicht ist. Basis einer funktionsgerechten Anfertigung ist die umfassende Analyse. Dabei sind zwei Faktoren entscheidend: Handelt es sich um eine Orthese, die nur für eine bestimmte Zeitdauer eingesetzt werden soll? Etwa für die ersten Wochen nach einem operativen Eingriff. Oder soll sie den Patienten sozusagen lebenslänglich begleiten und eventuell dauerhaft eingeschränkte Körperfunktionen unterstützen?

Welche Vorteile bringen mikroprozessorgesteuerte Orthesen, die neueste Entwicklung?

Dr. Schneider: Damit lassen sich die verschiedenen Bewegungsabläufe - wie etwa das Treppensteigen oder Spazierengehen - programmieren und vom Patienten mit einem kleinen Sender steuern. Dies bringt sicherlich Vorteile, beispielsweise den Ersatz von Beweglichkeit und Koordination, wenn diese aus neurologischen Gründen oder aufgrund von Strukturdefiziten stark eingeschränkt sind. Diese robotischen Orthesen können Funktionen des Bewegungsapparates ersetzen. Der Patient wird jedoch dauerhaft von ihnen abhängig. Eine Rehabilitation der verlorenen Fähigkeit ist immer vorzuziehen. 

Bei Sprunggelenkverletzungen kommen vielfach auch Tapes zum Einsatz. Was leisten sie?

Dr. Schneider:  Bei einem Tape (englisch tape = „Band“) handelt es sich um ein Pflasterklebeband. Dessen Funktion basiert auf der Zugwirkung an der Haut. Das heißt, über die Hautrezeptoren wird die Wirkung  auf die gesamte Umgebung des Sprunggelenks übertragen. Es können also sehr gezielt die gewünschten Strukturen unterstützt werden.

Worauf sollte ich bei der Produktwahl achten? Wie finde ich im Sanitätshaus das richtige Hilfsmittel?

Dr. Schneider: Als Laie ist es schwierig, sich für ein bestimmtes Hilfsmittel zu entscheiden. Hier sind die Erfahrung des Orthopäden sowie die klinische Untersuchung des Sprunggelenkes entscheidend. Die richtige Orthese ist perfekt zugeschnitten auf die gewünschte Belastung beziehungsweise die Art der Instabilität. Nicht selten kommt es durch unterschiedliche Schäden der Bänder zu verschiedenen Instabilitäten. Dies muss bei der Anfertigung individuell berücksichtigt werden. Teilweise sind auch Einlagen als Hilfsmittel zusätzlich erforderlich, um der Instabilität, vor allem an den Innenbändern, entgegenzuwirken. 

Was zeichnet ein gutes orthopädisches Hilfsmittel aus?

Dr. Schneider: Ein gutes orthopädisches Hilfsmittel muss immer für die jeweilige Situation des Patienten angemessen sein. Da gibt es keine objektiven Kriterien. Wesentlich ist also die medizinische Einschätzung nach einer gründlichen Diagnose durch den Spezialisten.  

Wann ist eine OP unausweichlich?

Dr. Schneider: Bei massiven Verletzungen mit Innenbandbeteiligung ist eine operative  Behandlung meist unumgänglich. Instabile Sprunggelenke können - besonders wenn noch Fehlstellungen der Knochen vorhanden sind - zu einer schweren Arthrose im Sprunggelenk führen. Doch erfahrungsgemäß heilen 90 Prozent der Bandverletzungen mit Hilfe von Orthesen folgenlos ab. Wir benötigen also nur bei bleibender Instabilität eine Bandrekonstruktion.

Verletzungen des Sprunggelenks vermeiden: Drei Tipps  
Training optimierenKoordinative Übungen (wie Matten laufen oder Balance-Übungen auf einem Therapiekreisel/Wackelbrett) stabilisieren den Sprunggelenkapparat und beugen dem Umknicktrauma vor. Vor jedem Training oder Spiel die Waden gründlich aufwärmen und insbesondere die Fuß- und Schienbeinmuskeln trainieren.Bandagen tragenUm einen anfälligen Knöchel vor dem Umknicken zu schützen, ist eine stützende Bandage sinnvoll. Kompressionsstrümpfe (am besten in einem Sanitätshaus anpassen lassen) fördern die Propriozeption, also die Wahrnehmung von Körperbewegung sowie die Schutzreflexe. Ist der Knöchel allerdings chronisch instabil, sollte die Ursache ärztlich ermittelt werden. Nicht zu hohe Schuhe/Einlagen tragenVon Sportschuhen mit eingearbeiteten, (zu) hohen Dämpfungssohlen besser die Finger lassen. Diese brauchen nur die wenigsten Läufer (dazu Fachberatung einholen). Grundsätzlich gilt: Die Schuhe sollten den Fuß nicht abschirmen, sondern die Wahrnehmung des Untergrundes ermöglichen. Je dicker die Sohlen oder je höher die Absätze, desto eher kommt es beim Umknicken zu schweren Strukturschäden am Sprunggelenk.

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Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
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