Expertenrat: „Sport ist bei Vorhofflimmern empfehlenswert“
Gelbe Seiten: Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern können Betroffene verunsichern, und einige Patienten fühlen sich nicht sehr leistungsfähig. Dürfen sie überhaupt Sport machen?
Prof. Nowak: Ja. Auch mit Vorhofflimmern darf man Sport machen. Allerdings muss man beachten, ob die Betroffenen zusätzlich noch eine andere Herzerkrankung haben, zum Beispiel eine Herzschwäche, einen (überstandenen) Herzinfarkt oder einen Herzklappenfehler. Dann kann es sein, dass die Herzerkrankung eine gewisse Einschränkung mit sich bringt. Grundsätzlich können Sie aber mit fast jeder Herzerkrankung vernünftig Sport treiben – und das sollten Sie auch tun. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Patienten, die akut dekompensiert sind, die also keine Luft bekommen, weil die Herzleistung zu schwach ist, können zu dem Zeitpunkt natürlich keinen Sport treiben.
Gelbe Seiten: Welche Sportarten sind bei Vorhofflimmern besonders geeignet?
Prof. Nowak: Geeignet sind vor allem Sportarten, die den Patienten Spaß machen, sonst halten sie es nicht durch. Besonders geeignet sind natürlich alle Ausdauersportarten: Joggen, Walken, Nordic Walking, Schwimmen oder Fahrradfahren. Welche dieser Sportarten Sie wählen, hängt dann von Ihren Vorlieben ab sowie von möglichen weiteren Einschränkungen, zum Beispiel Arthrose.
Gelbe Seiten: Und welche Sportarten sollte man bei Vorhofflimmern gar nicht ausüben?
Prof. Nowak: Sportarten, die mit Extrembelastungen einhergehen, sind für Herzpatienten nicht geeignet. Auch Sportarten, die ein hohes Verletzungsrisiko mit sich bringen, sind nicht empfehlenswert, da Patienten mit Vorhofflimmern häufig Medikamente zur Blutverdünnung einnehmen. Ungeeignet wären zum Beispiel Kampfsportarten, Mountainbiken, Ski-Abfahrtslauf auf steilen Pisten. Auch einige Ballsportarten wie Handball gehen mit einem hohen Verletzungsrisiko einher und sollten gemieden werden.
Gelbe Seiten: Worauf müssen Betroffene mit Vorhofflimmern achten, wenn sie Sport treiben?
Prof. Nowak: Hier muss man zwei Patientengruppen unterscheiden: Betroffene, die nur anfallsweise Vorhofflimmern haben, sollten darauf achten, dass sie sich nicht überlasten und beispielsweise nicht mit hochrotem Kopf trainieren. Sie sollten Beschwerden wie Luftnot oder Brustschmerzen nicht ignorieren. Hier hilft der gesunde Menschenverstand. Für Patienten, die dauerhaftes Vorhofflimmern haben und damit Sport treiben möchten, ist es wichtig, dass die Herzfrequenz gut kontrolliert ist. Sie sollte nicht über einen gewissen Wert ansteigen – zum Beispiel nicht über 160. Das erreicht man in der Regel mit Medikamenten.
Gelbe Seiten: Inwiefern ist Sport bei Vorhofflimmern sogar förderlich?
Prof. Nowak: Sport ist bei Vorhofflimmern sehr förderlich. Man weiß inzwischen, dass Menschen, die regelmäßig Ausdauersport treiben, über ihre Lebenszeit ein deutlich geringeres Risiko haben, überhaupt Vorhofflimmern zu bekommen. Betroffene, die bereits (anfallsartiges) Vorhofflimmern haben, können durch Ausdauertraining ihr Risiko, erneut Vorhofflimmern zu bekommen, ganz erheblich senken. Besonders groß ist dieser Effekt, wenn die Patienten übergewichtig waren und gleichzeitig ihr Gewicht reduzieren. Das gilt auch für Patienten, die bereitseine Ablationsbehandlung bekommen haben.
Eine Ausnahme gibt es allerdings: Sportler, die extrem viel trainieren, zum Beispiel professionelle Radsportler, professionelle Ruderer, Marathonläufer oder Triathleten, haben ein höheres Risiko im Verlauf ihres Lebens Vorhofflimmern zu bekommen. Zu viel Sport ist daher auch nicht empfehlenswert.
Gelbe Seiten: Wie viel Sport empfehlen Sie bei Vorhofflimmern?
Prof. Nowak: Die Standardempfehlung lautet: fünfmal pro Woche 30 Minuten. Ob das, vor allem für Berufstätige, im Alltag immer realistisch ist, muss man im Einzelfall sehen. Wichtig ist aber, überhaupt etwas zu machen. Den größten Nutzen bringt Bewegung, wenn man sie von Null auf „leichtes Training“ steigert, das haben Studien gezeigt. Noch besser ist es, wenn man das Training in Richtung der Empfehlung steigert. Aber: Bewegung lässt sich ja auch in den Alltag integrieren. Mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, die Treppe statt dem Aufzug nehmen und ähnliches. Auch solche Alltagsaktivitäten bringen einen Nutzen.
Gelbe Seiten: Vielen Dank für das Gespräch.