Dissoziative Persönlichkeitsstörung: Was steckt dahinter?
Wie kommt die schwere Identitätsstörung zustande?
In fast allen bekannten Fällen haben die Betroffenen in ihrer Kindheit ein schweres Trauma erlebt, zum Beispiel wiederholten Missbrauch. Allerdings kann die Störung auch im Erwachsenenalter ausgelöst werden, etwa durch Kriegserlebnisse oder Folter. Als klassisches Fallbeispiel für die Dissoziative Persönlichkeitsstörung gilt das Kind, das vom Vater missbraucht wird: Der Missbrauch muss ein Geheimnis bleiben, die Gewalt ist nicht mit dem ansonsten freundlichen und makellosen Bild des Mannes zu vereinbaren. Das Kind kann die offenbar unterschiedlichen Realitäten nicht vereinen und will die grausame nicht erleben. Es spaltet einen Teil seiner Persönlichkeit ab – dieser muss sich mit dem Schmerz und der Angst auseinandersetzen. Der andere Teil bleibt davon unberührt.
Dissoziative Persönlichkeitsstörung: Die Symptome
Diese spezielle, schwere Art von Störung nachzuweisen, ist nicht einfach. Für die Diagnose der Dissoziativen Persönlichkeitsstörung müssen mehrere bestimmte Symptome gegeben sein:
- Die Störung kommt nicht durch eine Operation, Alkohol– oder Drogenmissbrauch oder durch Epilepsie zustande.
- Jede Persönlichkeit des Betroffenen hat eigene Erfahrungen und Erinnerungen, besitzt einen eigenen Charakter und spricht auf eine bestimmte Weise.
- Erinnerungen der anderen Persönlichkeiten sind dem Betroffenen nicht zugänglich, wenn eine von ihnen gerade die Kontrolle übernommen hat.
- Es sind nie zwei Persönlichkeiten zugleich aktiv.
- Mindestens zwei, oft jedoch auch acht bis zehn oder deutlich mehr Persönlichkeiten übernehmen im Wechsel die Kontrolle über den Körper des Betroffenen.
Diese Symptome der Dissoziativen Persönlichkeitsstörung sind entscheidend für die Diagnose, allerdings gibt es noch weitere: Oftmals geht die Krankheit mit weiteren Störungen einher. Manche Patienten leiden zum Beispiel an Kopf- oder Bauchschmerzen, ohne dass es dafür eine erkennbare organische Ursache gibt. Auch Schlaf- oder Angststörungen, depressive Verstimmungen oder Essstörungen können auftreten.
Dissoziative Persönlichkeitsstörung: Test hilft bei der Diagnose
Beim Verdacht auf eine Dissoziative Persönlichkeitsstörung muss der Arzt verschiedene Untersuchungen vornehmen. Neben einem ersten Gespräch und einer körperlichen Untersuchung kann ein Fragebogen dabei helfen, die richtige Diagnose zu stellen. Der Arzt fragt den Betroffenen zum Beispiel danach, ob er von anderen manchmal “wie eine andere Person” wahrgenommen wird. Auch die Frage nach inneren Dialogen wird gestellt. Interessant ist auch, ob die Betroffenen das Gefühl haben, Schauplatz eines inneren Kampfes zu sein.
Keine medikamentöse Therapie bei Dissoziativer Persönlichkeitsstörung
Bislang sind keine Medikamente zugelassen worden, mit denen die Störung behandelt werden kann. Allerdings verschreiben Ärzte oft bestimmte Wirkstoffe gegen die begleitenden Störungen: Angststörungen etwa werden mit Antipsychotika behandelt und gegen depressive Phasen wirken selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.
Mehrere Phasen der Psychotherapie
Oftmals haben Betroffene schon einen langen Weg hinter sich, haben viele Ärzte und Therapeuten aufgesucht, bis der Verdacht auf die richtige Störung fällt. Vertrauen zu fassen, fällt ihnen daher oft schwer. Es ist aber unumgänglich notwendig, da bei Dissoziativer Persönlichkeitsstörung die Therapie Vertrauen voraussetzt: Der Betroffene muss sich mit seinem Psychotherapeuten so wohl fühlen, dass er bereits dazu ist, mit ihm seine traumatischen Erlebnisse aufzuarbeiten. Die Therapie beginnt damit, dass der Patient ein möglichst ruhiges, stabiles Umfeld erhält. Manchmal ist das ausschließlich stationär zu bewerkstelligen. Therapeut und Betroffener müssen sich aneinander gewöhnen und ein Vertrauensverhältnis aufbauen.
Als Nächstes muss der Therapeut die verschiedenen Persönlichkeiten des Betroffenen kennenlernen und sie behutsam aufeinander zu führen. Das ist nicht leicht, haben die Persönlichkeiten doch häufig keine Kenntnis voneinander.
Nun muss das Trauma aufgearbeitet werden – und der Patient darf dabei nicht erneut dissoziieren, also einen Teil seiner Persönlichkeit abspalten. Erst, wenn das geglückt ist, können in einer letzten Behandlungsphase die unterschiedlichen Persönlichkeiten integriert werden, sodass der Betroffene sich wieder als eine einzelne und ganze Person wahrnimmt. In manchen Fällen gelingt das nie.
Abgrenzung zu anderen Störungen
Die Dissoziative Persönlichkeitsstörung wird oft mit der dissozialen verwechselt. Sie klingen zwar ähnlich, sind aber gänzlich unterschiedlich. Eine Persönlichkeitsstörung ist dissozial, wenn der Betroffene aggressiv, empathielos und bindungsunfähig ist, Regeln missachtet und kein Schuldbewusstsein besitzt. Jemand mit diesem Krankheitsbild ist für seine Umwelt oft nur schwer zu ertragen. Ebenso wenig wie beim Krankheitsbild der Schizophrenie kommt es hier zu Persönlichkeitsspaltungen. Bei der Schizophrenie stehen Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Realitätsverlust im Vordergrund. Auch wird die Umwelt häufig fehlinterpretiert.