Reisemängel: Wann gibt es Geld zurück?
Definition: Was gilt als Reisemangel?
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist immer dann von Reisemangel die Rede, wenn vertraglich vereinbarte Reiseleistungen entweder gar nicht oder fehlerhaft erbracht wurden, sodass der Nutzen der Reise nicht mehr in vollem Umfang erfüllt wird.
Um einzuschätzen, ob das tatsächlich der Fall ist, liefern folgende Dinge wichtige Anhaltspunkte:
- Beschreibung im Reiseprospekt
- Buchungsbestätigung
- verbindliche Zusatzvereinbarungen zum Reisevertrag
- Informationspflichten des Reiseveranstalters: Wurden Sie ausreichend aufgeklärt?
- Charakter der Reise – etwa eine Bildungs-, Sport- oder Wellnessreise
Gerade der angedachte Charakter der Reise kann einen großen Unterschied machen, ob eine Minder- oder Nichtleistung als reklamierbarer Reisemangel gilt: Fällt auf einer Bildungsreise der Besuch einer großen Bibliothek aus, hat das ein ganz anderes Gewicht als bei einer Erholungsreise, bei der die Bibliothek nur eine Station einer größeren Sight-Seeing-Tour gewesen wäre.
Welche Probleme gelten nicht als Reisemängel?
Bei Weitem nicht alles, was einem den Urlaub vermiesen kann, ist gleich ein Reisemangel. Gewisse Ärgernisse müssen Sie auf Reisen einfach hinnehmen. Dazu zählen:
- landesübliche Gegebenheiten – zum Beispiel Insekten in Hotelzimmern in tropischen Ländern, andere Toilettenformen, Siesta zur Mittagszeit in südländischen Gegenden
- bloße Unannehmlichkeiten – zum Beispiel Wartezeiten an der Rezeption
- allgemeines Lebensrisiko – zum Beispiel Unfälle, Diebstahl oder schlechtes Wetter
Oftmals sind es aber Einzelfallentscheidungen, ob ein konkretes Problem nun rechtlich als Reisemangel gilt oder ob Sie den Fall unter „Pech gehabt“ abhaken müssen. Ein Beispiel: Ziehen Sie sich während Ihres Urlaubs einen Magen-Darm-Infekt zu, ist das Ihr allgemeines Lebensrisiko. Wurde der Infekt aber nachweislich durch Hygienemängel in der Hotelküche ausgelöst, ist eine Teilrückerstattung des Reisepreises sehr wahrscheinlich.
Reisepreiserstattung: Wie viel Geld gibt es zurück?
Wie viel Geld Sie im Zweifelsfall zurückbekommen, hängt immer davon ab, wie stark die Reisemängel Ihr Urlaubserlebnis beeinträchtigt haben. Pauschale Aussagen sind hierzu kaum möglich. Eine gute Orientierung bieten aber verschiedene Tabellen, die Gerichtsurteile zu entsprechenden Fällen sammeln. Damit können Sie sich einen ersten Eindruck verschaffen, welche Forderungen realistisch sind und ob sich der Rechtsweg lohnt.
- Frankfurter Tabelle: Seit den 1980er Jahren geführte Sammlung von Urteilen des Landgerichts Frankfurt zu Fällen aus dem Reiserecht.
- Kemptener Tabelle: Listet chronologisch typische Reisemängel auf – von der Buchung bis zur Heimreise und umfasst auch Spezialreisen, etwa mit dem Wohnmobil.
- Würzburger Tabelle: Befasst sich ausschließlich mit Urteilen zur Reisepreisminderung bei Kreuzfahrten.
Für typische Reisemängel, die immer wieder vorkommen, finden Sie hier eine kleine Übersicht. Dabei handelt es sich um konkrete Beispiele von Reisepreisminderungen, die von deutschen Gerichten entschieden wurden. Die Prozentangaben stellen jeweils den Preisnachlass auf den Gesamtreisepreis dar:
- schmutziger Strand: 10–20 %
- weiterer Weg zum Strand als versprochen: 5–15 %
- ausgefallene Landausflüge bei Kreuzfahrten: 20–30 %
- Ungeziefer: 10–50 %
- Lärmbelästigung: 5–40 %
Unter Umständen ist statt einer Minderung wegen eines konkreten Mangels auch eine Entschädigung wegen unnütz aufgewendeter Urlaubszeit möglich.
How-To: Verhalten vor Ort und danach
Wenn Sie später Geld zurückfordern wollen, müssen Sie die Probleme vor Ort genau dokumentieren – schreiben Sie ein Mängelprotokoll und halten Sie die Mängel – sofern möglich – fotografisch fest.
Sie müssen dem Reiseveranstalter allerdings zunächst die Möglichkeit einräumen, die Mängel zu beheben – zumindest, sofern dies in seiner Macht steht. Die Baustelle vor dem Hotel lässt sich nicht wegzaubern; Probleme mit einer verstopften Toilette lassen sich aber sicher lösen. Sprechen Sie mit Ihrer Reiseleitung: Beschweren Sie sich und setzen Sie eine realistische Frist für die Mängelbeseitigung.
Kümmert sich der Reiseveranstalter nicht, haben Sie ein Recht zur Selbstabhilfe (§ 651c BGB): Sie dürfen sich eigenständig um eine Alternative bemühen und die Kosten später dem Reiseunternehmen in Rechnung stellen. Bedenken Sie dabei aber Ihre Schadensminderungspflicht: Haben Sie einen Kleinwagen als Mietauto gebucht, ist ein Luxuswagen als Ersatz nicht angemessen. Auf diesen Kosten würden Sie sitzen bleiben.
Machen Sie Ihre Ansprüche möglichst bald nach der Reise schriftlich geltend. Für Reisen, die vor dem 1. Juli 2018 gebucht wurden, gilt eine Reklamationsfrist von einem Monat nach Reiseende (§ 651g BGB). Für Reisen, die später gebucht wurden, gilt die neue EU-Pauschalreiserichtlinie: Sie haben dann zwei Jahre Zeit. Allerdings werden Nachweise immer schwieriger, je mehr Zeit verstreicht.
Fallen bei der Reisepreiserstattung
Oftmals zeigen Reiseveranstalter auch ohne Rechtsstreit ein gewisses Entgegenkommen. Doch sehen Sie dabei kritisch hin:
- Reisefirmen bietet oft Reisegutscheine als Ausgleich an. Darauf müssen Sie sich nicht einlassen! Sie haben ein Anrecht auf eine Auszahlung. Die erfolgt meist als Verrechnungsscheck.
- Lösen Sie den Scheck ein, entspricht das einem außergerichtlichen Vergleich. Weitere Forderungen werden Sie danach kaum noch durchsetzen können. Bringen Sie den Scheck also nur dann zur Bank, wenn Sie mit dem Betrag zufrieden sind.
Ansprechpartner: Wer ist für die Reklamation zuständig?
Eine Reisepreiserstattung kommt vor allem bei Pauschalreisen infrage. Seien es nun Probleme mit dem Flug, dem Hotel oder dem Mietwagen: In der Pflicht ist immer der Reiseveranstalter, bei dem Sie das Gesamtpaket gebucht haben.
Ihr Ansprechpartner vor Ort ist die Reiseleitung, die rund um die Uhr für Sie ansprechbar sein sollte. Das Personal an der Hotelrezeption kann Ihnen womöglich bei der Behebung kleinerer Probleme behilflich sein. Aus rechtlicher Sicht es aber nicht für Beanstandungen aus Ihrem Reisevertrag zuständig.
Das Reisebüro hingegen ist nur der Vermittler zwischen Ihnen und dem Reiseveranstalter und haftet entsprechend nur für Fehler aus dem Vermittlungsvertrag – zum Beispiel, wenn man Sie auf den falschen Flug oder in die falsche Zimmerkategorie gebucht hat.
Bei Individualreisen haben Sie eine Vielzahl einzelner Vertragspartner, mit denen Sie sich gegebenenfalls auf Grundlage ausländischen Rechts streiten müssen. Haben Sie Ihre Reise nach dem 1. Juli 2018 zusammengestellt, greift eventuell auch die neue EU-Pauschalreiserichtlinie, nach der es sogenannte „vermittelt verbundene Reiseleistungen“ gibt. In diesem Fall ist eine Rechtsberatung auf jeden Fall sinnvoll, da die Gesetzeslage hier noch ganz neues Terrain ist.