Erbrecht: Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
Beim Pflichtteil handelt es sich immer um einen Geldbetrag, ein Anspruch auf bestimmte Güter oder Gegenstände besteht nicht. Eine Verweigerung des Pflichtanteils ist zwar möglich, aber an strenge Auflagen gebunden. Beruft sich der Erblasser im Testament oder Erbvertrag darauf, muss er dies genau begründen. Anerkannt wird vor allem, wenn der Erbberechtigte für ein schweres Verbrechen gegen ein Familienmitglied verurteilt wurde. Ein Entzug des Pflichtteils ist nur durch den Erblasser selbst möglich.
Wie berechnet sich die Höhe des Pflichtteils?
Der Pflichtteil kommt immer dann zum Tragen, wenn der Erblasser einen nahen Verwandten bei der Erbfolge übergehen will. Erbe wird damit laut Testament eine andere Person, der Pflichtanteilsberechtigte kann seinen Anspruch jedoch bei diesem geltend machen. Ein Automatismus für die Ausschüttung des Pflichtteils besteht trotz Rechtsanspruch nicht.
Die Höhe des Pflichtanteils liegt bei der Hälfte des gesetzlichen Erbes. Anders formuliert: Der Pflichtteilsberechtige erhält mindestens 50 Prozent des Betrages, der ihm ohne Testament gemäß Erbfolge zugestanden hätte. Die konkrete Verteilung richtet sich nach diversen Kriterien, zum Beispiel dem Familienstand des Erblassers, dem Güterstand in der Ehe / Lebensgemeinschaft und der Zahl der Erbberechtigten.
Beispiel einer vierköpfigen Familie: War der Erblasser verheiratet und lebte im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, erhält die Ehefrau die Hälfte des Vermögens. Den beiden Kindern steht je ein Viertel zu. Setzt der Erblasser nun seine Frau als Alleinerbin ein und schließt beide Kinder vom Erbe aus, können diese den Pflichtanteil einfordern. Er beträgt je ein Achtel des Erbes, drei Viertel gehen an die im Testament begünstigte Ehefrau.
Würde der Erblasser seine Frau enterben, läge ihr Pflichtteil bei einem Viertel des Erbes.
Hinweis: Bei Gütertrennung in der Ehe wird der Erbteil anders verteilt. Der überlebende Partner hat hier denselben Anspruch wie die Kinder, bekäme also zum Beispiel ein Viertel bei drei Kindern.
War der Erblasser nicht (mehr) verheiratet, hat aber Kinder, würde sich folgende Verteilung des Pflichtteils ergeben:
- 1 Kind: Pflichtteil 50 Prozent (1/2)
- 2 Kinder: Pflichtteil je 25 Prozent (1/4)
- 3 Kinder: Pflichtanteil je circa 16,67 Prozent (1/6)
- 4 Kinder: Pflichtanteil je 12,5 Prozent (1/8)
Gemäß Erbfolge, also ohne testamentarische Änderung, wäre es entsprechend der doppelte Wert.
Hinweis: Kann der Pflichtteil nach der unmittelbaren Erbfolge nicht ausgezahlt werden, zum Beispiel weil das erbberechtigte Kind bereits verstorben ist, werden die Angehörigen in absteigender Linie bedacht. Auf das Kind folgt also der Enkel, dann der Urenkel und so weiter.
Zu den Pflichtteilsberechtigten zählen gegebenenfalls auch die Eltern (oder Großeltern) des Erblassers, wenn dieser unverheiratet ist und keine Nachkommen hat. Auf die Geschwister des Erblassers oder entferntere Verwandte entfällt hingegen in keiner Konstellation ein Pflichtteil.
Verjährungsfristen und Pflichtteilsergänzung
Der Anspruch auf den Pflichtteil gilt für drei Jahre. Die Laufzeit beginnt zum Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilberechtige Kenntnis vom Erbe erlangt hat. Weist der Pflichtteilsberechtigte nach, dass er keine Kenntnis hatte und diese auch nicht mit vertretbarem Aufwand hätte erlangen können, gilt eine Frist von 30 Jahren.
Interessant ist in Bezug auf ihre Fristenregelung auch die sogenannte Pflichtteilsergänzung. Sie kommt zum Tragen, wenn der Erblasser noch vor seinem Tod bedeutende Vermögenswerte verschenkt und so den Pflichtteil senkt. Die Pflichtteilsberechtigten erhalten hier per Gesetz nachträglich einen Ausgleich. Der Nachlass wird dabei (als Berechnungsgrundlage) um den verschenkten Wert beziehungsweise einen prozentualen Anteil davon aufgestockt. Ist die Schenkung weniger als ein Jahr her, erfolgt die volle Anrechnung. Danach sinkt der Betrag Jahr für Jahr um zehn Prozent. Schenkungen, die länger als zehn Jahre zurückliegen, bleiben somit ohne Berücksichtigung.
So lässt sich der Pflichtteil einklagen
Können Sie Ihren gesetzlichen Anspruch auf einen Teil des Erbes nicht durchsetzen, bleibt nur der Klageweg. Zuständig ist das Amts- oder Landgericht. Ab einem Streitwert von mehr als 5.000 Euro müssen die Landesrichter tätig werden, als Kläger benötigen Sie einen Anwalt.
Liegt die Klageschrift bei der Antragsstelle des zuständigen Gerichts vor, wird der Beklagte vom Gericht in Kenntnis gesetzt und der Rechtsweg beginnt. Die Klageschrift sollte neben der Nachlassauskunft nach Möglichkeit auch Belege enthalten, die Ihre Forderung untermauern.
Kennen Sie den genauen Nachlassbestand nicht, ist eine Stufenklage erforderlich. Im ersten Schritt wird dabei auf Herausgabe der Informationen geklagt (Auskunftsbegehren, gegebenenfalls mit eidesstattlicher Versicherung, dass die Zahlen korrekt sind). Im Anschluss folgt das Hauptverfahren. Im Erfolgsfall bestätigt das Gericht Ihren Anspruch, der sich notfalls per Zwangsvollstreckung bei den Erben durchsetzen lässt. Auch die verauslagten Gerichts- und Anwaltskosten müssen in diesem Fall von der unterlegenen Partei getragen werden.