Erben in Patchworkfamilien: Wer erbt von wem?
Patchworkfamilien und das Erbrecht: Eine Einführung
Bei einer Patchworkfamilie handelt es sich um ein Familienmodell, in welchem mindestens ein:e Partner:in Kinder aus vorangegangenen Beziehungen mit in die Familie bringt. Patchworkfamilien werden auch Stieffamilien genannt.
Da die Kinder mit ihrem Stiefelternteil nicht blutsverwandt sind, ergeben sich wichtige Fragen zum Thema Erbrecht. Denn wenn keine Blutsverwandtschaft besteht, entfällt auch die gesetzliche Erbfolge – und damit auch die Pflichtteilsansprüche. Anders als ihre Stiefgeschwister gehören also nur die leiblichen Kinder der Vererbenden zur Erbengemeinschaft. Das kann eine Patchworkfamilie vor deutliche Herausforderungen und Konflikte stellen, denn ohne Vorsorgemaßnahmen gehen die Kinder verstorbener Stiefelternteile womöglich leer aus. Eigene gesetzliche Regelungen für die Erbschaft in Patchworkfamilien existieren nicht. Allerdings können die Vererbenden einige Maßnahmen ergreifen, um ihre Stiefkinder mit ihren leiblichen Kindern möglichst gleichzustellen.
Die rechtliche Situation in Patchworkfamilien
Um die Erbschaft in Deutschland zu regeln, gilt die gesetzliche Erbfolge. Demnach gehören nur bestimmte Familienmitglieder zur Erbengemeinschaft – und erhalten unterschiedlich hohe Erbanteile. Dazu werden die Familienmitglieder je nach Verwandtschaftsverhältnis in Ordnungsklassen eingeteilt:
- Gesetzliche Erb:innen 1. Ordnung nach § 1924 BGB: Kinder und Enkelkinder
- Gesetzliche Erb:innen 2. Ordnung nach § 1925 BGB: Eltern des:r Erblasser:in, Geschwister, Neffen/Nichten
- Gesetzliche Erb:innen 3. Ordnung nach § 1926 BGB: Großeltern des:r Erblasser:in, Onkel/Tanten, Cousins/Cousinen
Hinzu kommt das Ehegattenerbrecht, welches die Erbschaft der hinterbliebenen Ehegatt:innen neben den Verwandten regelt. Gegenüber den Erb:innen erster Ordnung besteht für die verwitweten Ehegatt:innen ein Erbanspruch von 25 Prozent, gegenüber den Erb:innen zweiter Ordnung ein Anspruch von 50 Prozent. Gibt es weder Erb:innen erster noch zweiter Ordnung oder Großeltern, hat der:die hinterbliebene:r Ehepartner:in Anspruch auf das gesamte Erbe.
Erbrecht in der Patchworkfamilie: Testament aufsetzen
Ein wichtiges Instrument für die Regelung der Erbfolge ist das Aufsetzen eines Testaments – auch in Patchworkfamilien. Grundsätzlich empfiehlt es sich für geschiedene Personen, bei der Gründung einer neuen Familie auch ein neues Testament aufzusetzen. In dem Testament können Erblasser:innen beispielsweise festlegen, dass ihre Stiefkinder Teil der Erbengemeinschaft sein sollen. Um die eigenen, leiblichen Kinder abzusichern, können Erblasser:innen diesen ihre Immobilie(n) vererben und den hinterbliebenen Partner:innen ein lebenslanges Wohnrecht einräumen.
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Grundsätzlich haben Patchworkfamilien verschiedene Möglichkeiten, die Erbschaft über ein Testament zu regeln. Da das Thema Erbschaft ohnehin komplex ist – und im Falle von Patchworkfamilien noch komplizierter werden kann – empfiehlt es sich, eine:n Anwält:in für Erbrecht zu kontaktieren.
Pflichtteilsansprüche: Auswirkungen auf Patchworkfamilien
Je nach innerfamiliärem Verhältnis kann es aufgrund des Pflichtteilsanspruchs, sowohl für leibliche Kinder als auch Ehegatt:innen zu Konflikten kommen. Es ist beispielsweise denkbar, dass die Kinder des Versorbenen ein schlechtes Verhältnis zu dessen hinterbliebenen Partner bzw. Partnerin haben. Da der noch verheiratete Ehepartner oder die Ehepartnerin allerdings einen Pflichtteilsanspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils hat, müssen die Erb:innen erster Ordnung und verwitwete Ehepartner:innen das Erbe untereinander aufteilen. Bei Interessenkonflikten innerhalb der Erbengemeinschaft sollte ein:e Anwält:in für Erbrecht konsultiert werden.
Erben in der Patchworkfamilie: Lösungsansätze und Empfehlungen
Um die Erbschaft in Patchworkfamilien zu regeln, gibt es unterschiedliche Lösungsansätze. Als besonders wichtiges Instrument gilt dabei das Testament, denn damit ist es Erblasser:innen möglich, die gesetzliche Erbfolge zu beeinflussen und entsprechend auch Stiefkinder als Erb:innen festlegen. So kann zum Beispiel der Partner oder die Partnerin als Vorerben oder Vorerbin eingetragen werden und die Stiefkinder als Nacherben bzw. Nacherbinnen. Das bedeutet, dass der:die hinterbliebene Partner:in nach Ableben des:der Erblasser:in als erstes erbt. Nach deren Tod wiederum treten die Stiefkinder als Nacherb:innen ihr Erbe an.
Neben Testamenten können auch sogenannte Erbverträge nach § 1941 BGB aufgesetzt werden. Im Erbvertrag regelt der:die Erblasser:in die Erbfolge nach seinem:ihrem Tod. Der wichtigste Unterschied zum Testament ist, dass ein Erbverbtrag Bindungswirkung hat. Das bedeutet, er ist nicht wiederrufbar.
Erbrecht in der Patchworkfamilie: Individuelle Rechtsberatung und Expertenhilfe
Da sich Patchworkfamilien sowohl in ihrer Größe als auch ihren innerfamiliären Verhältnissen stark voneinander unterscheiden, können auch wichtige Fragen rund um die Erbschaft sehr komplex sein. Um einen Überblick über die Familiensituation und die damit verbundenen Erbansprüche zu erhalten, empfiehlt es sich dringend, eine:n Rechtsbeistand zu konsultieren. Ein:e Anwält:in für Erbrecht hilft Ihnen nicht nur dabei, Testamente und Erbverträge richtig aufzusetzen, sondern informiert Sie auch darüber, welche Maßnahmen zur Inklusion nicht blutsverwandter Personen in die Erbschaft notwendig sind. Achten Sie bei der Auswahl Ihres:Ihrer Anwält:in darauf, dass diese:r über Fachwissen zum Thema Patchworkfamilien verfügt.
Weitere wichtige Anlaufstellen für die Klärung von Erbrechtsfragen sind die Deutsche Schiedsgerichtbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. und der Bundesverband Mediation. Hier erhalten Sie im Falle von Erbrechtsstreitigkeiten innerhalb der (Patchwork-)Familie fundierte und professionelle Hilfe.
Lesetipp: https://www.gelbeseiten.de/ratgeber/rf/nachlass-verwalten-was-kostet-eine-erbschaft-eigentlich