Ursachen von Borderline: Woher kommt die Persönlichkeitsstörung?
Borderline: Verschiedene Ursachen müssen zusammentreffen
Um die Persönlichkeitsstörung Borderline auszulösen, müssen bei einem Patienten drei verschiedene Faktoren zusammenkommen: der sogenannte Umweltfaktor, der konstitutionelle Faktor und ein Triggering-Faktor.
- Ein Umweltfaktor ist eine traumatische, wiederkehrende Erfahrung, die der Betroffene in der Kindheit gemacht hat.
- Ein konstitutioneller Faktor ist das Temperament oder andere erbliche Voraussetzungen.
- Ein Triggering-Faktor ist entweder eine Wechselwirkung zwischen den ersten beiden Faktoren oder ein auslösendes Erlebnis.
Die drei Typen der Umweltfaktoren
Wenn die Ursachen einer Borderline-Störung in der Kindheit liegen, gibt es unterschiedliche Typen von Traumata, die zur Ausprägung der Krankheit führen können.
- Typ I-Trauma: in der Familie herrschten ernsthafte Konflikte, die Betroffenen erlebten die Trennung oder Scheidung ihrer Eltern mit oder verloren einen Elternteil. Chronische Unsensibilität der Eltern gegenüber den Kindern war Alltag in der Familie
- Typ II-Trauma: die Betroffenen erlebten in ihrer Kindheit verbale und emotionale Misshandlung, ihre körperlichen Bedürfnisse wurden vernachlässigt, die Eltern litten vorübergehend an psychiatrischen Erkrankungen
- Typ III-Trauma: die Betroffenen erlebten körperliche Misshandlung und/oder sexuellen Missbrauch, in der Familie gab es Drogenmissbrauch und/oder chronische psychiatrische Erkrankungen, das Umfeld war dysfunktional – Streits und körperliche Gewalt traten häufig auf, persönliche Grenzen wurden überschritten
Die konstitutionellen Faktoren
Bei der Entwicklung von Borderline spielen auch genetische Ursachen eine Rolle. Bei vielen Betroffenen tritt einer der folgenden Faktoren auf:
- bei den Verwandten ersten Grades gibt es eine Neigung zu affektiven Störungen
- der Betroffene zeigt eine temperamentsbedingte Verletzbarkeit
- der Betroffene weist eine Fehlregulation der Neurotransmittersysteme oder eine neurologische Dysfunktion auf
In letzterem Punkt sind sich die Forscher allerdings uneins: Etwa die Hälfte der Studien belegen einen Zusammenhang zwischen einer neurologischen Fehlfunktion, während die andere Hälfte diesen Zusammenhang widerlegt.
Über- und unterengagierte Eltern
Familien können auf unterschiedliche Weise dysfunktional sein und dadurch ein Umfeld schaffen, das ein guter Nährboden für die Entstehung einer Borderline-Störung ist. Bei den meisten Borderline-Patienten haben unterengagierte Eltern die Kindheit geprägt: Sie zeichnen sich durch Unsensibilität und Desinteresse aus, sind wenig fürsorglich, aber kontrollieren in manchen Fällen ihre Kinder sehr stark. Letzteres bezeichnet man als “lieblose Kontrolle”.
Weniger häufig, aber ebenfalls vertreten ist der Typus der überengagierten Eltern: Sie ertragen es nicht, wenn ihr Kind sich von ihnen lösen und eigene Interessen entwickeln möchte. Jeder Versuch der Individualisierung ruft heftige emotionale Reaktionen hervor. Die Eltern leben in der ständigen Angst, die Kontrolle über ihre Kinder zu verlieren, und mischen sich unverhältnismäßig stark in deren Leben ein.
Das Verhältnis zu den Eltern spielt insgesamt eine große Rolle bei der Entwicklung der Persönlichkeitsstörung. Bei der Untersuchung von Borderline-Ursachen können Mutter und Vater jeweils getrennt oder als Einheit betrachtet werden: Die meisten Betroffenen empfanden das Verhältnis zur Mutter als konfliktbeladen, unbeteiligt oder distanziert, während sich zahlreiche Väter durch fehlendes Engagement schuldig machten. Waren noch beide Elternteile vorhanden, war das Verhältnis zu beiden gestört, sodass das gesunde, natürliche Verhalten des einen das Fehlverhalten des anderen nicht aufwiegen konnte.
Borderline und sexueller Missbrauch
65-70 Prozent aller Borderline-Patienten geben an, dass sie meist in der (frühen) Kindheit sexuelle Gewalterfahrungen machen mussten. Etwa ein Viertel aller Patienten erlebte einen Eltern-Kind-Inzest, sonst waren andere Verwandte, Nachbarn oder Gleichaltrige die Täter. Die Erfahrungen sind ebenso wie Misshandlung und Vernachlässigung oft zu schwerwiegend, als dass sie das kindliche Gehirn verarbeiten kann. Entsprechend häufig berichten Betroffene von ihren Dissoziationserfahrungen.
Borderline und Trauma
Grundsätzlich liegt ein Trauma Borderline als Ursache zugrunde. Allerdings kann keine einzelne traumatische Erfahrung alleine zu der Persönlichkeitsstörung führen: Die Betroffenen müssen der traumatischen Situation wiederkehrend ausgesetzt gewesen sein. Ein weiterer Faktor ist, dass ein dysfunktionales Umfeld jede Form von Hilfe oder Aufarbeitung verhinderte. Borderline entsteht nicht von selbst, sondern durch schwerwiegende und lange andauernde Fehler.
Diese anhaltenden schwierigen Situationen sind es, die die kindlichen Gehirne verändern können: Die Amygdala ist eine Region im Gehirn, die für die Verarbeitung von Ängsten, Stress und Gefahr zuständig ist. Sie ist bei Menschen, die an der Persönlichkeitsstörung leiden, leichter erregbar und gleichzeitig kleiner als bei anderen Personen.
Es müssen also ganz verschiedene Lebensbereiche zusammenspiele, um Borderline Ursachen entstehen zu lassen. Doch einmal ausgelöst ist die Störung imstande, auch physische Veränderungen herbeizuführen.