Legasthenie-Therapie: Lese-Rechtschreibstörung (LRS) behandeln
Wie kann Legasthenie therapiert werden?
Die Inhalte der Legasthenie-Therapie werden auf die Bedürfnisse des Kindes oder des Erwachsenen abgestimmt. Berücksichtigt werden hierfür unter anderem die Testungen aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder bei Erwachsenen die Testungen der Psychiater oder psychologischen Psychotherapeuten, welche eine medizinische Diagnose stellen dürfen.
Ergänzend zu den Testergebnissen der Untersuchungen im Rahmen der Diagnosestellung werden Einschätzungen von Lehrkräften sowie die schulischen Leistungen herangezogen. Ebenso können Klassenarbeiten ausgewertet werden. Auch führt ein:e Legasthenie-Therapeut:in nochmals verschiedene Tests durch, um sich ein genaues Bild von der Lernstörung beziehungsweise dem Entwicklungsstand des Kindes, des Jugendlichen oder des Erwachsenen zu machen, um anschließend eine auf den individuellen Stand abgestimmte Therapie zu entwickeln.
Legasthenie-Therapie: Wie ist die Lernförderung aufgebaut?
Der Legasthenie-Therapeut baut einzelne Lese-Rechtschreibtrainings stufenweise aufeinander auf. Auf welcher Stufe die Therapie beginnt, ist abhängig von dem Lernstand des Kindes oder des Erwachsenen. Die S3-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einer Lese- und / oder Rechtschreibstörung“ hebt vor allem
- Buchstabe-Laut-Zuordnung (und umgekehrt),
- Silben- und Morphemanalyse und -synthese
- sowie orthographische Regeltrainings hervor.
Die logografische Stufe umfasst die Buchstaben-Laut-Erkennung. Hierbei übt das Kind, die einzelnen Buchstaben mit einem bestimmten Laut zu verknüpfen. Die alphabetische Stufe trainiert die phonologische Bewusstheit. Mit Hilfe von Sprech- und Hörübungen übt das Kind, Buchstaben, Silben und Wörter zu erkennen und zu unterscheiden. Das Kind wird zunehmend mit der Lautstruktur vertraut. Die orthografische Stufe beinhaltet Schreibtraining. Hierbei werden auch Groß- und Kleinschreibung sowie Zeichensetzung geübt.
Bei der Auswahl des Fördermaterials sollte darauf geachtet werden, dass es „auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und seine Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen wurde“, betont der Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie e. V. (BVL). Ergänzend hilft Wahrnehmungstraining, die akustische und visuelle Informationsverarbeitung zu schulen. Kindern mit Ängsten und Depressionen oder anderen psychischen Auffälligkeiten kann eine Psychotherapie helfen.
Lesetipp: Depression bei Kindern: Symptome und Hilfe.
Hilft eine Legasthenie-Therapie auch Erwachsenen?
Auch erwachsene Legasthenie-Betroffene können mit Hilfe von speziellen Schreib- und Leseübungen im Rahmen einer Therapie ihre Fertigkeiten verbessern. Das Lernen fällt Kindern zwar oft leichter und Erfolge stellen sich bei ihnen häufig rascher ein. Doch auch Erwachsene können von einer Legasthenie-Therapie profitieren. Erwachsene Legastheniker wissen oft um ihre Schwächen im Lesen und Schreiben, trauen sich aber nicht, Unterstützung anzunehmen. Doch es gibt nichts, wofür man sich schämen müsste. Im Gegenteil: Es ist mutig und stark, Förderung anzufragen, wenn man seine Fertigkeiten verbessern und Defizite ausgleichen möchte.
Speziell ausgebildete Legasthenie-Therapeuten: Wie den richtigen finden?
Bei der Auswahl eines Therapeuten bzw. einer Therapeutin sollte auf die Zertifizierung durch den Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL) geachtet werden, empfehlen die Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland. Durch dieses Zertifikat werde eine grundständige Ausbildung im Bereich der Legasthenie-Förderung nachgewiesen. Spezielle Legasthenie-Trainer:innen mit einem definierten Weiterbildungsstandard zum „Dyslexie-Therapeut nach BVL®“ finden Eltern mit Hilfe der Therapeutensuche des BVL.
Diplomierte Legasthenietrainer:innen, welche nach den Richtlinien des Dachverbands Legasthenie Deutschland e.V. (DVLD) und der International Federation of Dyslexia and Dyscalculia Associations (IFDDA) ausgebildet wurden, können Eltern beispielsweise mit Hilfe der Legasthenietrainer-Suche des Ersten Österreichischen Dachverbands Legasthenie (EÖDL) finden. Bei Fragen helfen die Ansprechpartner des DVLD weiter.
Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychotherapeuten und psychologische Psychotherapeuten, welche die medizinische Diagnose einer Lese-Rechtschreibstörung stellen dürfen, finden Eltern mit Hilfe der Branchensuche von Gelbe Seiten.
Wie lange dauert die Legasthenie-Therapie?
Wie lange die Legasthenie-Therapie dauert, ist nicht pauschal zu beantworten. Abhängig ist die Therapiedauer unter anderem von dem Entwicklungsstand, den das Kind zu Beginn der Therapie mitbringt und auf den aufgebaut wird. Ebenso spielt es eine Rolle, ob das Kind weitere Förderungen wahrnimmt, etwa schulische Förderprogramme, und wie häufig das Kind Therapiestunden hat. Auch das individuelle Lernverhalten spielt eine bedeutende Rolle. Als grobe Richtwerte geben Legasthenie-Therapeut:innen 80 bis 120 Therapiestunden an, bis das Kind eine Lese-Rechtschreib-Kompetenz entwickelt, die seiner Begabungsstruktur und seinen zukünftigen Herausforderungen entspricht.
Wer übernimmt die Kosten der Legasthenie-Therapie?
Die Kosten einer Lerntherapie werden nicht von den Krankenkassen übernommen. In der Regel müssen die Eltern die Therapiestunden für ihr Kind aus eigener Tasche bezahlen. Unter bestimmten Voraussetzungen übernimmt das Jugendamt einen Teil der Kosten. Organisatorische Fragen können Eltern an die Landesverbände des Bundesverbands Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL) richten. Erwachsene Legastheniker:innen müssen die Therapie-Kosten in der Regel ebenfalls selbst tragen.
Lesetipp: Ist Stottern vererbbar? Stotter-Ursachen bei Kindern und Erwachsenen.
Legasthenie verbessern: Wie können Eltern die Förderung zuhause unterstützen?
Welche Förderprogramme und Lernsoftware sind laut Leitlinie
zur Legasthenie-Therapie geeignet? Viele Eltern sind unsicher, welche
Förderprogramme für die Behandlung der Legasthenie ihr Kind wirklich
unterstützen können. Angebote gibt es viele. Doch nicht alle davon sind
qualifizierte Förderprogramme und hinsichtlich ihrer Wirkung untersucht. Der
Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie e. V. hat daher unter
Berücksichtigung der S3-Leitlinie zur Lese-Rechtschreibstörung eine Auswahl von
Förderprogrammen
und Software zusammengestellt. Allein mit dieser Lernsoftware zu lernen, reicht den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder-
und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und
Neurologie aus Deutschland zufolge nicht aus. Sie empfehlen, Computerprogramme nicht ohne eine
zusätzliche therapeutische Unterstützung zu nutzen, da „eine
Legasthenie-Förderung mehr Aspekte umfasst als ein Lese- und
Rechtschreibtraining“, so der Verband.
Grundsätzlich erfolgt die Förderung aber innerhalb der Legasthenie-Therapie. Oft ist das Eltern-Kind-Verhältnis durch die herausfordernde Hausaufgaben-Situation bereits sehr angespannt. Die Arbeit mit einem:r Lern-Therapeuti:in stellt eine enorme Entlastung für die Familien dar und kann die Situation innerhalb der Familie entschärfen.. Eltern sollten sich daher mehr auf die emotionale Unterstützung des Kindes konzentrieren und das Kind auf der Gefühlsebene durch diese Zeit begleiten.
Quellen:
legasthenieverband.org: „Legasthenie. Fragen und Antworten“. Online-Information des Dachverbands Legasthenie Deutschland e. V. (DVLD).
neurologen-und-psychiater-im-netz: „Therapie und Trainingsprogramme bei Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie)“. Online-Information der Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.
neurologen-und-psychiater-im-netz: „Unterstützung durch Eltern bei Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie)“. Online-Information der Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.
bvl-legasthenie.de: „Was ist Legasthenie-Therapie?“. Online-Information des Bundesverbbands Legasthenie & Dyskalkulie e. V. (BVL).
bvl-legasthenie.de: „Legasthenie“. Online-Ratgeber (PDF) des Bundesverbbands Legasthenie & Dyskalkulie e. V. (BVL).
bvl-legasthenie.de: „Die Landesverbände Legasthenie & Dyskalkulie“. Online-Information des Bundesverbbands Legasthenie & Dyskalkulie e. V. (BVL).
awmf.org: „Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und / oder Rechtschreibstörung“. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP). AWMF-Registernummer 028-044.
legasthenie-zentrum-berlin.de: „Therapie“. Online-Information des Legasthenie-Zentrums Berlin e. V.