Sorgerecht in Deutschland: Regelungen zum Wohl des Kindes
Im Regelfall, also ohne eine Aberkennung des Sorgerechts, haben verheiratete und geschiedene Paare ein gemeinsames Sorgerecht für ihre Kinder. Unverheiratete Eltern haben die Möglichkeit, per Sorgeerklärung die gemeinschaftliche Sorge zu übernehmen. Ohne diese Erklärung liegt das alleinige Sorgerecht bei der Mutter. Väter können jedoch ihr Sorgerecht vor dem Familiengericht geltend machen, auch ohne Zustimmung der Mutter.
Die wichtigsten Regelungen zum Sorge-, Umgangs- und Aufenthaltsbestimmungsrecht sind im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert und werden im Folgenden genauer erläutert.
Unverheiratete Eltern – wer hat das Sorgerecht?
Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Kindesgeburt miteinander verheiratet und ist der Mann der leibliche Vater, ist die Situation eindeutig: Beide Partner haben automatisch das gemeinsame Sorgerecht. Bei unverheirateten Paaren bedarf die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts einer schriftlichen Erklärung, der beide Partner zustimmen müssen. Diese Sorgeerklärung kann bereits vor der Geburt des Kindes beim Notar oder Jugendamt aufgesetzt werden, womit auch hier das gemeinsame Sorgerecht sofort in Kraft tritt.
Liegt keine entsprechende Erklärung vor, hat die unverheiratete Mutter (zunächst) das alleinige Sorgerecht und kann frei bestimmen. Seit einer Gesetzesänderung 2013 ist es dem leiblichen Vater jedoch gestattet, selbst bei fehlender Zustimmung der Mutter das Sorgerecht beim Familienrecht zu beantragen. Anwaltspflicht besteht nicht.
Das Familiengericht prüft den Antrag, wobei (gegebenenfalls nach der Feststellung der leiblichen Vaterschaft) das Kindeswohl ausschlaggebend für die Sorgerechtsentscheidung ist. Sprechen keine berechtigten Gründe dagegen, die in den meisten Fällen von der Mutter vorgebracht werden müssten, wird das Gericht ein gemeinsames Sorgerecht verfügen.
Was ist im Falle einer Scheidung zu beachten?
Die Trennung der Eltern hat keinen Einfluss auf das gemeinsame Sorgerecht. Es kann auch bei getrennten Wohnungen weiterhin von Vater und Mutter gemeinsam ausgeübt werden. Entschieden werden muss jedoch, bei wem das Kind künftig lebt, also seinen Lebensmittelpunk bezieht, und welches Umgangsrecht der andere Partner besitzt.
Hinweis: Beansprucht einer der Partner das alleinige Sorgerecht, müssen ernste Gründe vorliegen, zum Beispiel häusliche Gewalt oder eine Drogensucht.
Das Umgangsrecht kann, solange das Kindeswohl nicht verletzt wird, frei zwischen den ehemaligen Partnern vereinbart werden. Bis hin zum „Wechselmodell“, bei dem das Kind bei Vater und Mutter rechnerisch die gleiche Zeit verbringt, ist alles möglich. Oft gelingt dies jedoch nicht und das Gericht muss das Umgangsrecht festlegen.
Entschieden wird im Einzelfall, es gibt jedoch Richtwerte. So wird die Besuchszeit bei Kleinkindern meist auf wenige Stunden pro Woche begrenzt, ab dem Kindesalter von drei Jahren aber kontinuierlich erweitert. Ist das Kind 14 Jahre oder älter, hat es bei allen Entscheidungen ein Mitspracherecht.
Problem in der Praxis: Verweigert ein Elternteil dem anderen den ihm zustehenden Umgang mit dem Kind, stellt das zwar einen Rechtsbruch dar. Zwangsmaßnahmen werden aber dennoch nur selten erhoben, weil auch hier das Kindeswohl gefährdet wäre.
Sorgerecht, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Umgangsrecht – die Unterschiede
Im Rahmen des Sorgerechts müssen täglich Entscheidungen getroffen werden: Darf das Kind alleine von der Schule nach Hause kommen, darf es alleine am Ausflug teilnehmen und so weiter. Alltagsfragen. Daneben sind aber auch Grundsatzentscheidungen zu fällen, zum Beispiel bei der Schulwahl. Im Gesetz werden all diese Entscheidungen unter dem Begriff der „Personensorge“ zusammengefasst, zu der sich dann noch die „Vermögenssorge“ gesellt, also die Wahrung der finanziellen Interessen des Kindes.
Väter und Mütter mit gemeinsamem Sorgerecht müssen sich in allen Grundsatzfragen einigen, wobei die Wünsche des Kindes zu berücksichtigen sind (gerade im höheren Alter). Scheitern die Eltern an dieser Kompromisssuche, egal ob sie zusammen oder getrennt leben, muss das Familiengericht entscheiden.
In Alltagsfragen hat bei getrennt lebenden Partnern derjenige die Entscheidungshoheit, bei dem sich das Kind gerade aufhält. Absprachen sind aber auch hier zwingend.
Umgangsrecht
Das bereits angesprochene Umgangsrecht regelt zunächst „nur“, wann der allein lebende Partner Zeit mit seinem Kind verbringen darf, sei es eine Stunde am Nachmittag oder bei einem mehrwöchigen Urlaub. Damit das Umgangsrecht im Einklang mit dem Kindeswohl ausgeübt werden kann, bedarf es zunächst genauer Absprachen, dann aber vor allem der Einhaltung dieser Regeln.
Aufenthaltsbestimmungsrecht
Probleme beim Umgangsrecht können in sehr praktischer Form auftreten, wenn die Entfernung zwischen den Wohnorten wächst. Zieht zum Beispiel die Mutter, bei der das Kind lebt, aus beruflichen Gründen ins Ausland, kann der Vater sein Umgangsrecht nur noch sehr beschränkt wahrnehmen. Ist ein Umzug unter diesen Umständen also überhaupt zulässig?
Die Gerichte werfen hier, das Kindeswohl im Sinn, einen genauen Blick auf die Lebensumstände. Wie stark ist die Mutter-Kind-Beziehung? Wo leben die Großeltern? Welche sozialen Bindungen bestehen? Letztlich kann ein Umzug, der plausibel begründet ist, in den meisten Fällen jedoch stattfinden. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Handlungsfreiheit der Mutter (in unserem Beispiel) nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden darf. Das Gericht spricht das Aufenthaltsbestimmungsrecht in diesem Fall also wohl der Mutter zu, womit dem Umzug nichts mehr im Wege steht.
Sieht das Gericht den vorrangigen Umzugsgrund darin, das Umgangsrecht des Vaters auszuhebeln, wird es dem Umzug der Mutter mit Kind die Zustimmung verweigern.