Die bipolare Störung: Wie äußert sie sich und wie wird sie behandelt?
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Die bipolare Störung: Wie äußert sie sich und wie wird sie behandelt?

„Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ ist eine Redewendung, die Stimmungsschwankungen beschreibt. Ähnlich fühlen sich auch Menschen mit einer bipolaren Störung. Die bipolare Störung ist eine der häufigsten seelischen Erkrankungen in Deutschland. Von 100 Menschen erkranken 1 bis 3 Menschen an einer bipolaren Störung. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Hier erfahren Sie mehr darüber, wie sich eine bipolare Störung äußert und wie man sie behandelt.

Was ist eine bipolare Störung?

Ein anderer Begriff für die bipolare Störung war früher manisch-depressive Erkrankung. Bei dieser Erkrankung kann die Stimmung sehr stark schwanken. Es handelt sich um eine Erkrankung des Gehirns. Im Gehirn beruht alles auf einem Gleichgewicht aus Botenstoffen. Die Botenstoffe dort heißen auch Neuro-Transmitter. Damit alles im Gleichgewicht bleibt, gibt es für jeden Botenstoff einen Gegenspieler. Manchmal wird der Botenstoff zum Beispiel wieder aufgenommen oder verändert, bevor er zu viel wirken kann.

Wenn man an einer bipolaren Störung erkrankt ist, kann das Gehirn das Gleichgewicht der Botenstoffe nicht ausreichend sicherstellen. Wenn die Botenstoffe im Gehirn aus dem Gleichgewicht geraten, dann können die Stimmung, das Denken und das Handeln ins Extreme abgleiten. Denken und Handeln können extrem schnell, ohne Konzentration, ideenreich, vielfältig und auch gereizt sein - oder das Gegenteil davon.

Wer an einer bipolaren Störung erkrankt, durchlebt Lebensabschnitte mit einer ausgesprochenen Hochstimmung über Gereiztheit, bis hin zu Größenwahn oder anderen Wahnvorstellungen. Dann fallen Erkrankte aber auch in tiefe Stimmungslöcher. Sie haben ähnliche Beschwerden wie bei einer Depression. Es wechseln sich also verschiedene Stimmungsphasen ab. Es können aber auch Anzeichen einer Hochstimmung und Anzeichen einer Depression gleichzeitig auftreten. Wie stark die Beschwerden ausgeprägt sind, kann sich bei jedem Erkrankten etwas unterscheiden.

Die extremen Stimmungen können im Laufe des Lebens immer wieder auftreten. Unbehandelt dauern die Zeitabschnitte einer extremen Stimmung im Durchschnitt einige Monate an.

Was ist gemeint mit Depression oder Niedergeschlagenheit?

Betroffene fühlen sich niedergeschlagen, freudlos und haben zu nichts Lust. Vielen fällt es schwer, morgens aufzustehen und eine einzelne schöne Sache im Leben zu sehen und zu empfinden. Die Betroffenen grübeln häufig viel und können sich schlecht konzentrieren. Außerdem können Schuldgefühle, Angst und Hilflosigkeit auftreten. Auch der Wunsch zu sterben ist in einer depressiven Phase nicht ungewöhnlich.

Was ist gemeint mit Hochstimmung oder manischer Phase?

Die Hochstimmung bei einer bipolaren Störung heißt auch Manie. Der Arzt sagt auch, ein Erkrankter durchlebt gerade eine manische Phase. Eine manische Phase dauert unterschiedlich lange an. Die Stimmung ist dann übertrieben zuversichtlich und die betroffenen sind sehr aktiv. Die Welt kommt dem Betroffenem besser vor als sonst, so als ob sie voller ungenutzter Möglichkeiten wäre. Während der Hochstimmung kommt es oft zu leichtsinnigem Verhalten. Menschen in einer manischen Phase nehmen zum Beispiel hohe Kredite auf, wollen eine Firma gründen oder eine Weltreise unternehmen. Das sind an sich keine schlechten Tätigkeiten, aber die Betroffenen schätzen sich in der Hochstimmung falsch ein. Sie überschätzen sich und ihre Fähigkeiten. Das hat oft ungünstige Folgen für die Familie und die Freunde der Betroffenen, wie zum Beispiel Schulden.

In dem Moment der Manie fühlt sich ein Betroffener nicht schlecht oder gar krank. Im Gegenteil: Betroffene fühlen sich gut, haben viele Ideen und sind vielleicht sogar in der Hochstimmung ihres Lebens. Sie bemerken Kälte, Hunger, Durst und Schmerzen dann weniger als gesunde Menschen. Der Leichtsinn durch die Hochstimmung kann auch zu anderen Problemen führen, zum Beispiel zu Auseinandersetzungen mit der Polizei oder Behörden. In der Manie erkennt ein Betroffener nur schwer andere Respektpersonen als sich selbst an. Auch ist der Betroffene sachlichen Argumenten gegenüber möglicherweise verschlossen und lässt sich nicht umstimmen. Den Betroffenen erscheint ihr Handeln in der manischen Phase durchdacht und keinesfalls übertrieben.

Im Nachhinein ärgert sich der Betroffene vielleicht sogar über das, was er in der manischen Phase getan hat oder ist traurig darüber.

Wie teilt man eine bipolare Störung ein?

Ärzte unterscheiden anhand der Beschwerden zwei Formen der bipolaren Störung: eine Bipolar-I-Störung und eine Bipolar-II-Störung.

Menschen mit der Bipolar-I-Störung erleben extreme Tiefs und Hochs. Sehr niedergeschlagene Phasen wechseln sich mit leicht niedergeschlagenen Phasen und Phasen der Hochstimmung ab. Die Phasen mit schnellem Denken und Hochstimmung sind bei diesen Personen besonders ausgeprägt. Diese Phasen heißen auch manische Phasen. In besonders ausgeprägten manischen Phasen kann es passieren, dass Betroffene ihre Umgebung ganz anders als sonst wahrnehmen. Es ist zum Beispiel möglich, nicht reale Dinge zu sehen, zu hören, zu riechen oder zu schmecken. Daraus können zum Beispiel im Straßenverkehr gefährliche Situationen entstehen.

Bei Menschen mit der Bipolar-II-Störung sind die Hochs weniger ausgeprägt als die Tiefs. Depressive Zeiten dauern lange für diese Personen. Die Hochphasen dauern kürzer an. Die Hochstimmung ist nicht so extrem wie bei der Bipolar-I-Störung. Dazu sagt der Arzt auch Hypomanie.

Wann tritt eine bipolare Störung auf?

Eine bipolare Störung beginnt oft in jungen Jahren. Viele erleben um das 18. Lebensjahr herum die ersten Zeichen der Krankheit. Die Krankheit begleitet die Betroffenen von da an. Sie ist dauerhaft. Betroffene können jahrelang mit normaler Stimmung leben. Der Arzt sagt dazu auch euthyme Phasen. In besonderen Stress-Situationen besteht immer die Gefahr, dass eine neue Krankheits-Phase beginnt.

Eine bipolare Störung kann jeden treffen. Es ist etwas wahrscheinlicher zu erkranken, wenn man in der Familie Verwandte mit dieser Krankheit hat. Erbanlagen und einschneidende Ereignisse in jungen Lebensjahren spielen ebenfalls eine Rolle.

Was ist gefährlich an der bipolaren Störung?

Bei betroffenen Personen besteht zum Beispiel eine erhöhte Gefahr, dass sie in einer niedergeschlagenen Phase durch Selbsttötung sterben. Die Gefahr ist 20 bis 30 Mal höher als bei anderen Menschen. Zwischen einem Viertel und der Hälfte der Erkrankten versuchen einmal im Laufe ihres Lebens, sich das Leben zu nehmen.

Familie und Freunde von Betroffenen sollten Andeutungen ernst nehmen, wenn ein Betroffener von Selbsttötungsgedanken spricht. Für Angehörige ist es hilfreich sich über Hilfsangebote in solchen Situationen zu informieren.

Wie kann man die bipolare Störung behandeln?

Bei einer bipolaren Störung sind die Botenstoffe im Gehirn aus dem Gleichgewicht geraten. Es gibt viele  verschiedene Arten, die Botenstoffe günstig zu beeinflussen.

Man kann zunächst den Stress beeinflussen. Stress verändert die Botenstoffe im Gehirn bei jedem von uns. Wenn Betroffene viel über ihre Erkrankung wissen, dann können sie mögliche Auslöser erkennen und vermeiden. Betroffene lernen Entspannungstechniken und wie man Stress im Alltag begrenzen und vermeiden kann. Ärzte nennen diese Art der Behandlung Psycho-Edukation. Betroffene können lernen, Vorboten von Krankheitsphasen zu erkennen und zum Beispiel mit bewusster Entspannung dagegen zu steuern.

Wenn man von der bipolaren Störung betroffen ist, sollte man keine Drogen nehmen. Viele Drogen verändern Botenstoffe im Gehirn. Wenn man sich gerade in einer Phase mit ausgeglichener Stimmung befindet, können Drogen das Gleichgewicht stören und zum Beispiel eine manische Phase auslösen.

Es gibt Medikamente gegen die bipolare Störung. Die Medikamente können die Erkrankung nicht vollständig heilen. Die Medikamente können aber helfen, die Abstände zwischen den extremen Stimmungen zu verlängern. Außerdem können sie helfen, die extremen Höhen und Tiefen der Stimmung abzufedern. Hochstimmung und Niedergeschlagenheit sind dann nicht ganz so ausgeprägt wie ohne Medikamente. Es gibt Medikamente, die das Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn unterstützen. Man nennt sie auch Stimmungsstabilisierer. Dazu zählen zum Beispiel Wirkstoffe wie Valproin-Säure oder Olanzapin. Solche Medikamente müssen dauerhaft eingenommen werden.

In Phasen von Hochstimmung und belastend schnellem Denken können manchmal auch beruhigende oder schläfrig machende Medikamente Betroffenen helfen, sich zu bremsen.

In Phasen von Niedergeschlagenheit können Medikamente gegen Depressionen eine Hilfe sein.

In sehr schweren Fällen gibt es zudem die Möglichkeit, das Gehirn mit Stromstößen zu behandeln. Das nennt man Elektro-Krampftherapie.

Welche der Behandlungen zum Einsatz kommen, das entscheidet der behandelnde Arzt. Die Behandlung hängt unter anderem von der Ausprägung und dem Verlauf der Erkrankung ab.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
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Anne Klinkenberg
Autor/-in
Die Ärztin Anne Klinkenberg hat Medizin in Greifswald studiert und in Polen, Österreich und der Schweiz Praxis-Erfahrung gesammelt. Sie ist seit 2014 für die "Was hab' ich?" gemeinnützige GmbH tätig und verfasst für das Online-Portal unter anderem laienverständliche medizinische Texte.
Anne Klinkenberg
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