Zinsentwicklung – Was erwartet uns?
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Zinsentwicklung – Was erwartet uns?

Infolge der 2022 einsetzenden Inflation hob die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins an. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Inflation durch einen indirekten Eingriff auf die Preislage zu senken. Die Zinsentwicklung nimmt einen großen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen und entsprechend auch auf private Finanzsituationen. Auf welche Zinsentwicklungen können wir uns künftig einstellen?

Bedeutung der Zinsentwicklung für die Wirtschaft und persönliche Finanzen

Zinsen sind genaugenommen Preise, die für das Anleihen oder Anlegen von Geld gezahlt werden müssen. So erhebt eine Geschäftsbank beispielsweise Kreditzinsen, um durch das Verleihen von Geld Gewinn zu erzielen. Bei Sparzinsen hingegen müssen Kund:innen einen Aufschlag zahlen, damit sie ihr Geld bei der Bank anlegen können. Die Zinsentwicklung hat also einen maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaft. Bei hohen Zinsen wird weniger investiert, was die Wirtschaftslage ausbremst. Niedrige Zinsen hingegen sorgen für ein erhöhtes Maß an Investitionen, was die Wirtschaft ankurbelt.

Auch für private Verbraucherinnen und Verbraucher ist die Zinsentwicklung relevant. Denn der jeweils festgelegte Zins eines Geldinstituts wirkt sich auf die Entscheidung, Geld anzulegen oder zu investieren aus. So kann es sich bei niedrigen Zinsen durchaus lohnen, Kredite aufzunehmen oder Unternehmensanleihen zu kaufen. Bauzinsen beispielsweise bestimmen häufig, ob sich Personen für einen Hausbau entscheiden oder nicht. Hohe Zinsen hingegen bedeuten, dass alles teurer wird und Geld eher beiseitegelegt wird. Wer bei hohen Zinsen Geld spart, sollte möglichst auf die zinsgünstigsten Sparoptionen, wie Tagesgeldkonten usw., zurückgreifen.

Im Jahr 2023 ist die Zinsentwicklung besonders interessant, da die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins erhöht hat. Dabei handelt es sich um eine Reaktion auf die steigende Inflation und den Versuch, durch sinkende Nachfrage die Preise zu senken.

Aktueller Zinsstand und wirtschaftlicher Hintergrund

Am 04. Mai 2023 beschloss die EZB, den Leitzins erneut um 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen. Der durch die EZB festgelegte Leitzins liegt zurzeit bei 4% (Stand: Juni 2023). Der wirtschaftliche Hintergrund ist die zu großen Teilen durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bedingte Inflation. Diese hatte zur Folge, dass die Verbraucherpreise enorm stiegen. Mit der Anhebung des Leitzinses versucht die EZB, die Nachfrage zu reduzieren und auf lange Sicht die Preise zu senken. Die Inflation soll durch diese Maßnahme eingedämmt werden.

Auch bei den Guthabenzinsen lässt sich seit Monaten ein Anstieg verzeichnen. Derzeit liegen die Zinsen für Tagesgeldkonten zwischen 0,10 und 3,30% (Stand: Mai 2023). Für Festgeldanlagen über 5 Jahre wird derzeit ein Zinssatz von 4,50% erhoben (Stand: Mai 2023). Kaum Veränderungen zeigen sich bei der Zinsentwicklung für Girokonten und Sparbücher.

Auch die Bauzinsen veränderten sich über die letzten Monate. Aktuell liegen die Bauzinsen bei rund 4% (Stand: Mai 2023). Damit liegen die Baufinanzierungszinsen zwar deutlich unter den Zinsen zu Zeiten der Finanzkrise 2008, dennoch befinden sie sich derzeit auf dem höchsten Niveau seit ungefähr 10 Jahren. Neben den Immobilienpreisen haben auch die Hypothekenzinsen einen hohen Einfluss auf die Kaufbereitschaft und beeinflussen so die Bereitschaft zum Hausbau.

In den Jahren 2000 bis 2006 waren die Bauzinsen und die Zinsen für Privatkredite niedrig und lagen durchgehend unter 2%. Zwischen 2006 und 2011 ließ sich ein deutlicher Anstieg feststellen (auch bedingt durch die Finanzkrise 2008), wobei die Zinsen bei einem Wert von über 5% lagen. Zwischen 2011 und 2014 erfolgte wieder ein Abstieg in der Zinsentwicklung.

Seit dem Jahr 2022 und der durch die EZB festgelegte Leitzinserhöhung ist wieder ein deutlicher Anstieg der Zinsen zu bemerken.

Prognosen und Faktoren, welche die Zinsenzwicklung beeinflussen

Einflussfaktoren

Für die Zinsentwicklung gibt es verschiedene Einflussfaktoren. Ein wesentlicher Faktor ist die Konjunktur, also der Verlauf der Volkswirtschaft. Zu Zeiten der Hochkonjunktur ist die Wirtschaft gestärkt, denn die Produktion nimmt zu und damit auch die Investitionsbereitschaft. Dies führt maßgeblich zu einem Anstieg der Zinsen. Bei niedriger Konjunktur sinkt die allgemeine Investitionsbereitschaft wiederum, was einen Rückgang der Zinsentwicklung zufolge hat.

Wichtig für die Zinsentwicklung ist außerdem die Inflation. Dabei beeinflussen sich die Inflation und die Zinsentwicklung gegenseitig. Je nachdem, wie die Inflationsentwicklung verläuft, werden auch die Preise für Kredite bestimmt. Gleichzeitig nimmt die Festlegung des Leitzinses durch die Zentralbanken Einfluss auf die Inflationslage – bei einer hohen Inflation wird der Leitzins angehoben, was zwar das Wirtschaftsgeschehen, aber auch die Inflation, ausbremst.

Auch die Fiskalpolitik eines Landes nimmt Einfluss auf die Zinsentwicklung, denn sie bestimmt die Höhe der Steuereinnahmen und die Staatsausgaben. Durch die Fiskalpolitik werden Angebot und Nachfrage verändert, was wiederum die Höhe der Zinsen beeinflusst. Nimmt der Staat beispielsweise mehr Steuern ein und gibt weniger Geld aus (restriktive Fiskalpolitik), sinken die Zinsen, da die Nachfrage nach Kapital zurückgeht und entsprechend auch der Preis für Geld. Wenn der Staat die Steuern senkt und gleichzeitig die Staatsausgaben erhöht (expansive Fiskalpolitik), steigen die Zinsen.

Zinsprognosen

Expert:innen zufolge bewegen sich die Bauzinsen derzeit eher seitwärts (Stand: Mai 2023). Dabei hat die Entscheidung der EZB, den Leitzins anzuheben, keinen Einfluss auf die Entwicklung der Baufinanzierungszinsen. Es ist davon auszugehen, dass die Bauzinsen sich in den kommenden Monaten schwankend aufwärts bewegen, da die Inflation weiter fortbesteht. Möglich wäre eine Überschreitung der 4%-Marke.

Grundsätzlich ist eine langfristige Zinsprognose nur schwer realisierbar, da sich die wirtschaftliche Entwicklung aufgrund der angespannten politischen Lage leicht ändern kann.

Zinsentwicklung: Auswirkungen auf Verbraucher:innen und Anleger:innen

Die Zinsentwicklung hat maßgeblichen Einfluss auf die Finanzen von privaten Verbraucher:innen und Anleger:innen. So bewirken hohe Bauzinsen beispielsweise eine sinkende Bereitschaft, Immobilien zu bauen, da es sich aufgrund hoher Zinsen nicht rentiert. Bei einem hohen Leitzins beispielsweise sinkt auch die Bereitschaft von Anleger:innen, Investitionen zu tätigen oder Kredite aufzunehmen. Zudem steigen bei einem hohen Leitzins die Sparzinsen, sodass die Aufschlagszahlungen für Sparkonten steigen. Hier weichen viele Sparer:innen auf möglichst zinsgünstige Sparoptionen, wie Tagesgeldkonten, aus.

Niedrige Zinsen hingegen motivieren zum vermehrten Anlegen und Investieren, da die Preise für Geld sinken. Es werden vermehrt Kredite abgeschlossen, Immobilien gebaut und Investitionen getätigt. Für private Verbraucher:innen und Sparer:innen bedeuten niedrige Zinsen eine bessere finanzielle Situation.

Auswirkungen auf verschiedene Anlageklassen

Zudem wirkt sich die Zinsentwicklung auf verschiedene Anlageklassen aus. Wer beispielsweise in Aktien investiert, also Unternehmensanteile kauft, kann durch höhere Zinsen Verluste erleiden, da die Aktienunternehmen mehr Geld ausgeben müssen – so kann der Aktienkurs fallen und Anleger:innen können Geld verlieren. Dieses Prinzip gilt allerdings nicht für alle Arten von Aktien. So entwickeln sich beispielsweise Substanzwerte (Bestandswerte von Aktien) bei hohen Zinssätzen besser als Wachstumsaktien (Unternehmensanteile mit starkem Wachstum).

Anders sieht die Situation bei Anleihen aus. Bei Staats- oder Unternehmensanleihen leiht man sich für einen gewissen Zeitraum Geld bei einem Unternehmen oder beim Staat (Bundesanleihen). Die Laufzeit der jeweiligen Anleihen richtet sich nach der Bonität bzw. Kreditwürdigkeit der Schuldner:innen. Die Zinsentwicklung bewirkt hier – anders als bei Aktien – einen gegenteiligen Effekt: Höhere Zinsen machen Anleihen attraktiver, da der Preis steigt und diese entsprechend auch für mehr Geld verkauft werden können. Niedrige Zinsen lassen die Preise für Anleihen sinken, was weniger Ertrag beim Verkauf bedeutet.

Ähnlich ist es bei Immobilienpreisen. Bei niedrigen Baufinanzierungszinsen steigt die Nachfrage, da der Preis für Immobilien zu dieser Zeit niedriger ist. Daraus folgt allerdings ein Preisanstieg. Andererseits liegt der Preis für Kredite in solchen Zeiten auf einem niedrigeren Niveau, was durchaus positiv für potenzielle Käufer:innen sein kann.

Hohe Bauzinsen hingegen lassen die Nachfrage nach Immobilien sinken, sodass auch die Preise entsprechend niedriger ausfallen. Allerdings liegen hier die Kosten für einen Kredit deutlich höher.

Anlagestrategien angesichts der Zinsentwicklung

Für Anleger:innen empfiehlt sich, ihre Strategien an die Zinsentwicklung anzupassen. Da der aktuell hohe Leitzins die Darlehenszinsen deutlich steigen lässt, lohnt sich der Abschluss von Krediten (etwa zum Bau von Immobilien) weniger als bei niedrigen Zinsen. Girokonten, Tagesgeldkonten und Festgeldkonten gelten als sichere Methode, Geld anzulegen, da die Sparer:innen das eingesetzte Geld in jedem Fall zurückerhalten.

Wer Rendite erzielen möchte, kann das durch Aktieninvestitionen erreichen. Hier sollten Sie allerdings, aufgrund der angespannten Wirtschaftslage, Vorsicht walten lassen. Für die Minimierung von Risiken ist eine sogenannte Diversifizierung ohnehin sinnvoll. Bei einer Diversifizierung werden über verschiedene Sektoren und Unternehmen hinweg, kleine Aktienanteile gekauft. So wird das Risiko großer Verluste minimiert, denn ein Verlust in einem Bereich kann durch Gewinne auf einem anderen Gebiet kompensiert werden. Da es sich beim Aktienmarkt allerdings um ein komplexes Themengebiet handelt, sollten Sie Ihre Vorhaben im besten Fall mit einem Finanzberater oder einer Finanzberaterin absprechen.

Risiken und Unsicherheiten der Zinsentwicklung

Da die Zinsentwicklung maßgeblich mit wirtschaftlichen und politischen Sachverhalten zusammenhängt, unterliegt sie auch Risiken und Unsicherheiten. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie haben gezeigt, welche wirtschaftlichen Folgen aus gesellschaftlichen Ereignissen entstehen können. Das globalisierte Wirtschaftsgeschehen führt dazu, dass bestimmte Ereignisse in der Welt massive Auswirkungen auf die Wirtschaft anderer Nationen – und damit auch auf die Finanzen von Privatpersonen haben können. Verbraucher:innen, Sparer:innen und Anleger:innen sollten daher die Zinsentwicklung und die Dynamik des Marktes aufmerksam beobachten und je nach Bedarf ihre Anlege- und Sparstrategien anpassen. In jedem Fall ist es sinnvoll, professionelle Hilfe zu konsultieren, um eine langfristigere Finanzplanung realisieren zu können. 

Zinsentwicklung: Wie geht es weiter?

 Die aktuelle Inflation ließ die Preise für Kredite, Immobilien und sogar Lebensmittel massiv in die Höhe steigen. Mit der Erhöhung des Leitzinses versuchte die EZB, die hohen Preise auf langfristige Sicht zu senken. Daraus folgt, dass die Bereitschaft für die Aufnahme von Krediten, die Finanzierung von Immobilien und die Geldanlage deutlich zurückgeht. Wie sich die Situation entwickelt, ist derzeit nur schwer absehbar. Es empfiehlt sich, für die Einschätzung möglichst sinnvoller Investitionen, Anlagen und Sparmaßnahmen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die Situation besser einschätzen zu können.

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