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Expertenrat: Gehirnerschütterung – unterschätztes Risiko beim Sport

Bei Sportverletzungen denken viele zuerst an Verletzungen von Knochen, Muskeln, Sehnen und Bändern. Doch auch das Gehirn kann eine Prellung erleiden. Bei Sportunfällen muss immer auch an eine Gehirnerschütterung gedacht werden, betont Professor Werner Krutsch, Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Der Experte für Sporttraumatologie weiß, bei welchen Symptomen man aufmerksam werden sollte.

Gelbe Seiten: Herr Professor Krutsch, welche Sportarten haben ein erhöhtes Risiko für Gehirnerschütterungen?

Ein erhöhtes Risiko, eine Gehirnerschütterung zu erleiden, haben Sportler, die Team- und Kontaktsportarten ausüben. Dazu gehören beispielsweise Handball, Eishockey und Fußball. Auch beim Radfahren, beim Klettern oder beim Skisport kann es zu Stürzen kommen, die eine Gehirnerschütterung zur Folge haben.

Gelbe Seiten: Schützt ein Helm vor einer Gehirnerschütterung?

Bei Sportarten mit einem erhöhten Sturz- und Verletzungsrisiko ist das Tragen eines Helms wichtig. Dieser schützt die Schädeldecke vor Verletzungen. Eine Gehirnerschütterung kann ein Helm aber nicht gänzlich verhindern, denn er federt den Aufprall auf den Kopf nicht hundertprozentig ab.

Gelbe Seiten: Was passiert bei einer Gehirnerschütterung im Kopf?

Das Gehirn schwimmt im Hirnwasser, Liquor cerebrospinalis genannt. Erfolgt eine starke Krafteinwirkung auf den Kopf und kann die Flüssigkeit die Wucht nicht ausgleichen, prallt das Gehirn gegen den Schädelknochen. Eine Gehirnerschütterung ist somit eine Gehirnprellung. Dabei entstehen Verletzungen im Gewebe, die abhängig von der Intensität des Aufpralls unterschiedlich stark ausfallen.

Gelbe Seiten: Wie gefährlich ist eine Gehirnerschütterung?

Eine Gehirnerschütterung ist eine relevante Verletzung. Auf jeden Fall sollte eine Gehirnerschütterung immer 24 Stunden unter klinischer Beobachtung sein, damit Komplikationen rasch erkannt und behandelt werden können. Es können Nervenzellen Schaden nehmen und Blutungen auftreten. In schlimmen Fällen können irreparable Schäden im Gehirn zurückbleiben. Im Rahmen einer Sportverletzung ist der Schweregrad der Gehirnerschütterung in den meisten Fällen nicht so stark. Deutlich schlimmer sind Schädeltraumata, die bei einem Unfall wie einem Verkehrsunfall auftreten.

Gelbe Seiten: Wie erkennt man eine Gehirnerschütterung? Was sind klassische Symptome einer Gehirnerschütterung?

Grundsätzlich sollten Sie bei jedem stärkeren Schlag auf den Kopf oder Kiefer an eine Gehirnerschütterung denken. Bei Platzwunden, starkem Nasenbluten oder einer gebrochenen Nase können Sie davon ausgehen, dass das Gehirn auch eine starke Erschütterung erlitten hat. Bei leichten Veräufen treten häufig Übelkeit, Schwindel, Konzentrationsstörungen und Kopfweh auf. In schweren Fällen der Gehirnerschütterung sind Bewusstlosigkeit, Doppelsehen und Erbrechen wichtige Alarmsignale.

Gelbe Seiten: Was tun bei Verdacht auf eine Gehirnerschütterung?

Wie gesagt, sollte eine Gehirnerschütterung 24 Stunden unter ärztlicher Beobachtung bleiben. Bei Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung sollte der Betroffene in ein Krankenhaus gefahren werden. Auf keinen Fall sollte er selbst fahren. Die Gehirnfunktionen können stark eingeschränkt und Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit herabgesetzt sein. Bei Bewusstlosigkeit sollte immer der Notarzt gerufen werden. Schwere Stürze auf den Kopf bei Kindern sollten ebenfalls von einem Notarzt versorgt werden.

Gelbe Seiten: Wie können Ärzte die Gehirnerschütterung behandeln?

Ruhe ist nach der Gehirnerschütterung besonders wichtig. Jede weitere Erschütterung muss vermieden werden. Das Gehirngewebe braucht Zeit zur Regeneration. Riskant ist es, wenn das Gehirn eine zweite Erschütterung in der Heilungsphase erfährt. Mediziner sprechen vom „Second Hit“. Dann ist das Risiko für bleibende Schäden besonders groß. Spezielle Medikamente kommen bei der Gehirnerschütterung normalerweise nicht zur Anwendung.

Gelbe Seiten: Wann ist Sport nach der Gehirnerschütterung wieder möglich?

Mit Hilfe eines sogenannten „Return to Play-Protokolls“ ist der Betroffene unter Beobachtung. In dem Protokoll wird festgehalten, wie sich die Beschwerden entwickeln. Abhängig vom Beschwerdebild kann der Patient entweder langsam wieder mit Belastung beginnen – oder benötigt länger Ruhe. Eine leichte Gehirnerschütterung ist nach etwa sieben Tagen überstanden. Schwerere Gehirnverletzungen brauchen deutlich länger, bis der Betroffene wieder belastbar ist.

Gelbe Seiten: Herr Professor Krutsch, vielen Dank für das Gespräch.

Quellen:

https://dgou.de/dgou/

https://www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/gehirnerschuetterung-commotio-cerebri-schaedel-hirn-trauma-sht/was-ist-eine-gehirnerschuetterung/

https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/ratgeber-archiv/meldungen/article/gehirnerschuetterung-beschwerden-koennen-erst-stunden-spaeter-auftreten/

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
Profilbild von Prof. Werner Krutsch
Prof. Werner Krutsch
Experte
Professor Werner Krutsch ist Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg (UKR). Zudem ist der Experte für Sporttraumatologie, Kniechirurgie und Fußballmedizin Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU).
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