Chronisches Erschöpfungssyndrom: Zustand der Dauermüdigkeit
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Chronisches Erschöpfungssyndrom: Zustand der Dauermüdigkeit

Bleierne Müdigkeit und anhaltende geistige und körperliche Erschöpfung bis hin zu Berufsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit: Das sind die Hauptsymptome des chronischen Erschöpfungssyndroms, auch als „Myalgische Enzephalomyelitis (ME)“ oder „Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS)“ bezeichnet. Betroffene mit ME/CFS haben Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen. Berufliche wie private Aktivitäten sind massiv eingeschränkt.

Was ist das Chronische Fatigue-Syndrom (CFS)?

Der Begriff „Chronisches Erschöpfungssyndrom“ beschreibt das gemeinsame Auftreten verschiedener Symptome. Die Leitbeschwerden sind anhaltende und stark ausgeprägte körperliche und geistige Müdigkeit und Erschöpfung. Weitere Symptome ergänzen in der Regel das Symptombild. Mediziner sprechen von einer neuroimmunologischen Multisystemerkrankung. Angaben der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS e. V. zufolge leiden weltweit etwa 17 Millionen Menschen unter ME/CFS – in Deutschland geschätzt 250.000.

Chronisches Erschöpfungssyndrom: Eine Krankheit, viele Begriffe

Für das Symptombild des chronischen Erschöpfungssyndroms werden verschiedene Begriffe verwendet:

  • CFS - Chronisches Erschöpfungssyndrom/ Chronic Fatigue Syndrom: Ist eine gängige Bezeichnung mit Fokus als psychosomatische Erkrankung.
  • SEID - Systematische Belastungsintoleranz-Erkrankung/ Systemic Exertion Intolerance Disease: neueste Bezeichnung. Beschreibt eine systemische, den ganzen Körper betreffende Erkrankung. Verschlechterung unter Belastung ist typisch.
  • Postvirales Ermüdungssyndrom: Diese Bezeichnung stellt eine Virusinfektion als Auslöser in den Vordergrund.
  • ME - Myalgische Enzephalomyelitis: Myalgie = Muskelschmerz. Enzephalomyelitis = Entzündung von Gehirn und Rückenmark. Etwas irreführender Begriff, da beim CFS bislang der abschließende wissenschaftliche Beweis für entzündlichen Veränderungen im Nervensystem fehlt. Viele Experten bevorzugen dennoch die Bezeichnung, da dies die Schwere der Erkrankung andeutet.
  • CFIDS - Chronic Fatigue Immune Dysfunction Syndrome: Weist auf die mit der Erkrankung einhergehenden Immundefekte hin. Wird heute kaum noch verwendet.

In Expertenkreisen wird über die Begrifflichkeit des Beschwerdebilds diskutiert. Viele Mediziner lehnen die Begriffe "chronisches Erschöpfungssyndrom" beziehungsweise "chronisches Müdigkeitssyndrom" ab, da die körperliche und geistige Schwäche nicht durch mangelnde Erholung verursacht werden. Sie bevorzugen die Bezeichnungen „Myalgische Enzephalomyelitis /ME)“ oder Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS). Viele nutzen den Hybridbegriff „ME/CFS“, da sich die gängigen klinischen Kriterien von ME und CFS überschneiden. Doch auch die Bezeichnung „Fatigue“ wird von vielen Experten kritisch betrachtet. Fatigue bezeichnet in der Medizin eine krankhafte Erschöpfbarkeit. Manche Experten kritisieren, dass dieser Begriff nicht die Schwere der Krankheit sowie die komplexe Symptomatik beschreibt.

CFS-Diagnose: : Daran orientiert sich der Arzt

Der Arzt stellt die Diagnose chronisches Erschöpfungssyndrom beziehungsweise ME/CFS anhand der Beschwerden, die der Patient oder die Patientin ihm schildert. Zur Einordnung nimmt er verschiedene Kriterienkataloge zur Hilfe, darunter die „Kanadischen Konsenskriterien“ und die „Internationalen Konsenskriterien“.

Die Internationalen Konsenskriterien

Nach dem Internationalen Konsenskriterien (ICC) ist für die Diagnose Voraussetzung, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: 

  • Postexertional neuroimmune exhaustion (PENE): PENE gilt als das wichtigste Symptom, damit das CFS diagnostiziert werden kann. Darunter wird eine unverhältnismäßige Verschlechterung der Symptome verstanden, die nach körperlicher und/oder geistiger Anstrengung einsetzt. Die Beschwerden können dabei Stunden bis Tage lang anhalten, während weder Ruhe noch Schlaf dagegen helfen.
  • Mindestens 1 Symptom aus der Kategorie „neurologische Beeinträchtigung“ (Schmerzen, Schlafstörungen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Muskelschwäche, Empfindlichkeit gegenüber Gerüchen, Geräuschen, Licht oder Berührungen)
  • Mindestens 1 Symptom aus der Kategorie „immunologische, gastrointestinale und urogenitale Beeinträchtigungen“ (chronische Atemwegsinfekte, Störungen des Wasserlassens, Reizdarm, erhöhte Infektanfälligkeit, Nahrungsmittelunverträglichkeit)
  • Mindestens 1 Symptom der Kategorie „Störung von Energieproduktion und Ionentransport“ (Herzrasen, niedriger Blutdruck, Schwindel, orthostatische Intoleranz, Schweißausbrüche, Kurzatmigkeit, Unverträglichkeit gegenüber Kälte, Hitze und Temperaturschwankungen)

ME/CFS: Laborwerte zeigen keine Auffälligkeiten

Eine medizinische Untersuchung, welche CFS diagnostizieren könnte, etwa eine Blutuntersuchung, gibt es nicht. Die Laborwerte sind bei CFS im Normbereich und zeigen keine Auffälligkeiten, selbst bei einem ausgeprägten Symptombild. Das macht es für die Betroffenen oft schwer. Da es keine Untersuchungen gibt, die das CFS „beweisen“ können, haben viele einen Ärzte-Marathon hinter sich, bis die Diagnose chronisches Erschöpfungssyndrom gestellt ist. Die Diagnose ME/CFS ist letztlich eine Ausschlussdiagnose: Sie wird gestellt, wenn andere Ursachen, etwa Erkrankungen, ausgeschlossen worden sind.

Auch wenn ärztliche Untersuchungen ohne Befund bleiben: Die Betroffenen bilden sich die Beschwerden nicht ein. Sie sind da und schränken das Leben teils erheblich ein. Nur finden Ärzte keinen Auslöser für den Teufelskreis aus starker Erschöpfung und schneller Erschöpfbarkeit. 

Extreme Erschöpfung – Ursache unklar

Die genauen Ursachen von ME/CFS sind bislang nicht abschließend geklärt. Forschung geben Hinweise auf eine Fehlfunktion des Immunsystems, Störungen des Gehirns sowie Auffälligkeiten im endokrinen System als Ursache. Doch finden sich nicht bei jedem Betroffenen die gleichen Auffälligkeiten – und viele Symptome sind auch bei anderen Erkrankungen zu finden. Das macht die Eingrenzung – und letzten Endes auch die Diagnose – oft schwierig.

Welche Symptome beim chronischen Erschöpfungssyndrom?

Beim chronischen Erschöpfungssyndrom treten in der Regel verschiedene Symptome gemeinsam auf. Die Betroffenen erinnern sich oftmals, wann sich diese zum ersten Mal bemerkbar gemacht haben. Bei anderen entwickelt sich das CFS schleichend. Manchmal vermuten Betroffene auch einen Zusammenhang zu einem bestimmten Ereignis, etwa einer Impfung, einer Infektion – etwa Pfeifferschen Drüsenfieber, Infektionen mit dem Eppstein-Barr-Virus (EBV) oder dem Grippevirus – sowie schweren körperlichen oder psychischen Traumata. Aktuell steht auch COVID-19 in Verdacht, das chronische Erschöpfungssyndrom auslösen zu können. Die genauen Mechanismen der Erkrankung sind immer noch ungeklärt.

Zu dem CFS-Symptomkomplex, der mindestens sechs Monate bestehen muss, können gehören:

  • anhaltende, starke geistige und körperliche Müdigkeit
  • chronische geistige und körperliche Erschöpfung
  • schwere Schlafstörungen (Schlaf verbessert die Symptome nicht)
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Gedächtnisstörungen
  • Sehstörungen
  • Kreislaufbeschwerden
  • Schwindel
  • Herzrhythmusstörungen
  • Schweißanfälle
  • Schmerzen, etwa Kopf-, Gelenk-, Muskel- Und/ oder Rückenschmerzen
  • Bewegungsstörungen
  • grippeähnliche Beschwerden
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten
  • Reizdarmsyndrom
  • Übelkeit
  • Auffällige Gewichtsveränderungen
  • druckempfindliche Lymphknoten
  • verschlimmerte Symptomatik bei körperlicher Anstrengung und/ oder emotionalem Stress mit einer Erholungszeit von mehr als 24 Stunden
  • starke Einschränkung im Alltagsleben bis hin zu Berufsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit

Welcher Arzt bei chronischer Erschöpfung?

Bei anhaltender, starker Erschöpfung ist der Hausarzt oder die Hausärztin die erste Anlaufstelle. Dieser oder diese kann bei Bedarf an verschiedene Fachärzte überweisen, beispielsweise an Fachärzte für Neurologie, Kardiologie, Endokrinologie, Gastroenterologie, Psychiatrie und Schlafmedizin. Es gibt nur wenige Ärzte, die auf CFS spezialisiert sind. Beispielsweise bietet die Charité Berlin im Charité Fatigue Centrum eine Spezialsprechstunde für das CFS an.

Chronisches Erschöpfungssyndrom behandeln

Schätzungen zufolge kann ein Viertel aller Betroffenen das Haus nicht mehr verlassen. Viele sind pflegebedürftig und bettlägerig. Schätzungsweise über 60 Prozent sind arbeitsunfähig. Spezielle zugelassene Medikamente für das chronische Erschöpfungssyndrom gibt es bislang nicht. Auch eine Heilung ist bislang nicht möglich. Forscher weltweit arbeiten an kausalen Therapien.

Der Fokus der CFS-Therapie liegt daher in der Linderung der Beschwerden. Im Bereich der Medikamente kommen oftmals Präparate zur Anwendung, welche unter anderem Schmerzen, Schlafstörungen, Fatigue, Reizdarmbeschwerden und wiederkehrende Infektionen lindern und behandeln. In Abwägung können beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel oder Antidepressiva die Therapie ergänzen. Vielen Betroffenen hilft psychotherapeutische Begleitung. Diese kann bei der Entwicklung von Strategien unterstützen, welche den Alltag erleichtern und strukturieren helfen. Entspannungsübungen können ebenfalls versucht werden. Die ME/CFS-Therapie ist sehr individuell und wird abhängig vom Beschwerdebild gemeinsam mit dem behandelnden Arzt zusammengestellt.

Quellen:

Müdigkeit, Fatigue, Chronisches Müdigkeitssyndrom – viele Namen, wenig Klarheit. Online-Information von patientenberatung.de, einem Angebot der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).

Das Fatigue Centrum der Charité. Charité. Universitätsmedizin Berlin.

Chronisches Erschöpfungssyndrom. Online-Information von 4QD – Qualitätskliniken.de GmbH.

Was ist ME/CFS? Online-Information der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS e. V.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
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