Blasenschwäche-Medikamente-Test: Welche Medikamente helfen bei Harninkontinenz?
© Mukhina1/ iStock / Getty Images Plus
Letztes Update am: 

Blasenschwäche-Medikamente-Test: Welche Medikamente helfen bei Harninkontinenz?

Medikamente gegen Blasenschwäche können helfen, die Harninkontinenz zu lindern, bergen aber auch das Risiko für Nebenwirkungen.

Die wichtigsten Blasenschwäche-Medikamente, die in den Leitlinien genannt werden, möchten wir Ihnen in diesem Artikel vorstellen. Blasenschwäche-Medikamente-Test: Welche Medikamente helfen bei Harninkontinenz?

Mit Östrogen Blasenschwäche behandeln

Blasenschwäche-Medikamente mit Östrogenen helfen vielen Frauen, die Inkontinenz-Symptome einer Belastungsinkontinenz zu verbessern – und manchmal sogar, den Urinverlust ganz zu beheben. Der Grund: Östrogenmangel, wie er während und nach den Wechseljahre auftritt, kann eine Blasenschwäche begünstigen. Um die Belastungsinkontinenz zu behandeln, verschreiben Ärztinnen und Ärzte östrogenhaltige Salben und Zäpfchen bei Belastungsinkontinenz. Diese haben den großen Vorteil, dass sie lokal wirken, da sie entweder in die Scheide eingeführt oder im Genitalbereich aufgetragen werden. Dadurch sind mögliche Nebenwirkungen gering.

Auch bei anderen Inkontinenz-Arten hat sich die Östrogengabe in Form von Cremes und Zäpfchen bewährt. In einer Cochrane-Analyse wurden insgesamt 2926 Patientinnen aus 28 Studien ausgewertet. Es zeigte sich eine subjektive Heilungs- und Verbesserungsrate der Dranginkontinenz unter Östrogenen von 57 Prozent versus 28 Prozent unter Placebo. Für Patientinnen mit überaktiver Blase war die Heilungs- und Verbesserungsrate um ein Viertel höher als bei Patientinnen mit Belastungsinkontinenz.

Harninkontinenz? Vorsicht bei systemischer Hormonersatztherapie

Anders sieht das aus, wenn Hormone zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden Anwendung finden. Dann kann die systemische Östrogengabe die Inkontinenz verstärken oder eine Inkontinenz verursachen. Die aktuelle Belastungsinkontinenz-Leitlinie schreibt hierzu: „Das Cochrane Review zur Östrogenbehandlung bei postmenopausalen Frauen mit Harninkontinenz umfasst 34 Studien mit 19.676 Frauen. Es zeigen sich negative Effekte für die systemische Östrogensubstitution. Ein Jahr nach systemischer Östrogensubstitution verdoppelt sich bei kontinenten Frauen die Prävalenz der Harninkontinenz im Vergleich mit der Placebogruppe, unabhängig davon, ob eine Hysterektomie vorausging. Bei harninkontinenten Frauen besteht nach systemischer Östrogensubstitution im Vergleich zu Placebo eine 30% Wahrscheinlichkeit, dass sich die Inkontinenz verschlechtert.“

Urinverlust – welcher Arzt ist der richtige?

Bei Blasenschwäche-Symptomen wie Urinverlust und ständigem Harndrang sollten Sie einen Facharzt beziehungsweise eine Fachärztin für Urologie aufsuchen. Die Urologie beschäftigt sich als Teilgebiet der Medizin mit den harnbildenden und harnableitenden Systemen, also Nieren, Harnblase, Harnleiter und Harnröhre. Auch Ihre Hausarztpraxis kann eine erste Anlaufstelle sein. Frauen können sich ebenso an ihren Frauenarzt oder ihre Frauenärztin (Fachärzte für Gynäkologie) wenden.

Vor- und Nachteile von Duloxetin bei Blasenschwäche

Duloxetin ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Duloxetin wird neben der Behandlung von Harninkontinenz auch zur Behandlung von Depressionen, generalisierten Angststörungen und diabetischer Polyneuropathie eingesetzt. Die aktuelle Leitlinie empfiehlt, den Wirkstoff Frauen anzubieten, welche eine vorübergehende Verbesserung der Inkontinenzbeschwerden bei Belastungs- und Dranginkontinenz anstreben. In zwei systematischen Reviews (mit Analyse von 10 prospektiv randomisierten Studien) konnten bei einer Tagesdosis von 80 Milligramm Duloxetin positive Effekte in der Behandlung der Harninkontinenz nachgewiesen werden. Der Wirkstoff kann die Inkontinenz zwar nicht heilen, aber die Symptome verbessern.

Aufgrund der hohen Nebenwirkungen soll Duloxetin langsam eingeschlichen werden. Zu den Nebenwirkungen gehören signifikante gastrointestinale und zentralnervöse Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Mundtrockenheit, Obstipation, Schwindel, Schlaflosigkeit und Müdigkeit, die nach Angaben der Leitlinie zu hohen Therapieabbruchraten führen.

Anticholinergika helfen bei Dranginkontinenz

Ärzte können noch mit weiteren Medikamenten die Blasenschwäche behandeln. Medikamente aus der Gruppe der sogenannten Anticholinergika (Muscarinrezeptorantagonisten) hingegen finden vor allem bei der Dranginkontinenz (überaktive Blase, ÜAB) und bei der Reflexinkontinenz Anwendung. Richtig dosiert können Antagonisten an muscarinischen Rezeptoren die Überaktivität der Blasenwandmuskulatur hemmen und so die Blasenaktivität normalisieren. Zugleich kann die Blase bei Dranginkontinenz wieder mehr Harn speichern, da sie nicht zu früh „voll“ signalisiert.

In Deutschland zugelassene Substanzen sind Propanthelin, Darifenacin, Fesoterodin, Oxybutinin, Propiverin, Solifenacin, Tolterodin, Trospiumchlorid. Laut Leitlinie sind Anticholinergika Mittel der ersten Wahl in der medikamentösen Therapie der überaktiven Blase. Die Therapie wird als Mono- oder Kombinationsbehandlung mit Östrogen, Blasentraining und Physiotherapie (Biofeedback, Elektrostimulation) durchgeführt. Der Leitlinie zufolge sind Kombinationstherapien effektiver als die Monotherapie. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, mit welchen Nebenwirkungen Sie bei der Einnahme eines entsprechenden Anticholinergikas rechnen müssen. Sprechen Sie auch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten an.

Alpha-Rezeptoragonisten: Alpha-Rezeptorenblocker für Männer

Bei einer Überlaufinkontinenz, die vor allem bei Männern häufig die Folge einer vergrößerten Prostata ist, können Wirkstoffe aus der Gruppe der Alpha-Rezeptorenblocker (Alpha-Rezeptoragonisten) helfen. Alpha-Rezeptoren sind am Blasenhals und an der Prostata zu finden. Agonisten an diesen Rezeptoren sorgen dafür, dass die Muskelspannung an den genannten Geweben zunimmt. In Folge erhöht sich der Widerstand der Harnröhre – was das Auslaufen des Harns aus der Blase verhindern kann.

Zu den therapeutisch eingesetzten Wirkstoffen gehören Ephedrin, Phenylpropanolamin und Midodrin. Besonders bei leichter bis mittelstarker Dranginkontinenz sind Medikamente mit diesen Wirkstoffen hilfreich. Allerdings können auch sie zu unerwünschten Nebenwirkungen führen, etwa zu gastrointestinalen Beschwerden, Nervosität, Schlaflosigkeit und kardialen Effekten. Vor einer Einnahme dieser Medikamente sollten Betroffene die Vor- und Nachteile mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin besprechen und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten abklären.

Blasenschwäche-Medikamente: Wirkstoffe zur Muskelentspannung

Um die Aktivität der Blasenmuskulatur zu reduzieren und Harndrang zu lindern, werden Muskelrelaxanzien eingesetzt. Man geht davon aus, dass dieser hemmende Effekt darauf beruht, dass eine cAMP-Phosphodiesterase gehemmt wird. Beispielsweise wird zur Behandlung von Dranginkontinenz Flavoxat eingesetzt. Vermutlich wirken sowohl Flavoxat als auch sein Hauptmetabolit auf die glatte Muskulatur der ableitenden Harnwege entspannend.

Stiftung Warentest: rezeptpflichtige Blasenschwäche-Medikamente im Test

Belastungs-inkontinenz

Dranginkontinenz

Duloxetin

Nur für Frauen zugelassen. Aufgrund möglicher Nebenwirkungen „mit Einschränkung geeignet“


Spasmolytika

 

Unter anderem Oxybutynin, Tolterodin, Fesoterodin, Trospium, Propiverin aufgrund möglicher Nebenwirkungen „mit Einschränkung geeignet“.

 

 

Darifenacin und Solifenacin sollen weniger belastend sein. Nachweis noch nicht ausreichend, daher „mit Einschränkung geeignet“.

 

 

Mirabegron ist Vertreter einer neuen Wirkstoffgruppe. Dockt an bestimmte Bindestellen der Blasenmuskulatur (Beta-3-Rezeptoren) an – was die Harnblasenmuskulatur entspannt. Möglicherweise weniger Nebenwirkungen. Verträglichkeit einer Dauerbehandlung muss noch untersucht werden, daher „mit Einschränkung geeignet“.

Botulinumtoxin (Handelsname Botox)

 

Für Patienten, die auf besser untersuchte und langjährig erprobte Mittel wie Oxybutynin, Trospium oder Tolterodin nicht ausreichend ansprechen. In die Blasenwand injiziert blockiert es überaktive Nervenimpulse.

Bei leichten Formen von Dranginkontinenz können Betroffene rezeptfreie pflanzliche Blasenschwäche-Medikamente ausprobieren, darunter Präparate mit Kürbis, Goldrute oder Cranberry. Einige Betroffene berichten, dass diese Präparate die Reizzustände bei ihnen lindern. Wissenschaftlich konnte die Wirkung bislang nicht ausreichend nachgewiesen werden.
Antibiotika verschreibt der Arzt oder die Ärztin in Zusammenhang mit Blasenschwäche nur dann, wenn die Inkontinenz mit Harnwegsinfekten oder häufigen Blasenentzündungen in Zusammenhang steht.
Der Wirkstoff Mirabegron ist seit dem 1. Juni 2014 in Deutschland zur Therapie der überaktiven Blase zugelassen. Der Beta-3-Adrenozeptoragonist kann bei nicht ausreichender Wirkung von Anticholinergika beziehungsweise bei Nebenwirkungen unter Anticholinergika und auch als Erstmedikation eingesetzt werden. Die Nebenwirkungen sind gering. Die maximale Wirkung tritt nach etwa zwölf Wochen ein.

Quellen:

Harninkontinenz: Welche Therapie für welche Form? Online-Information der Deutschen Apotheker-Zeitung.

Interdisziplinäre S2e-Leitlinie für die Diagnostik und Therapie der Belastungsinkontinenz der Frau. Publiziert bei AWMF online. (Anmerkung: Leitlinie wird derzeit aktualisiert)

Leitlinie der überaktiven Blase (ÜAB) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. Publiziert bei AWMF online. (Anmerkung: Leitlinie wird derzeit aktualisiert)

Mit der Blasenschwäche leben. Online-Ratgeber der Deutschen Seniorenliga e. V.

Harninkontinenz. Online-Information der Stiftung Warentest

Harninkontinenz: Welche Therapie für welche Form? Online-Information der Deutschen Apotheker Zeitung.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
Wie finden Sie diesen Artikel?