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Kündigungsschutzklage - aber richtig: 10 Fragen an Rechtsanwalt Dogukan Isik
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Kündigungsschutzklage - aber richtig: 10 Fragen an Rechtsanwalt Dogukan Isik

Oft fühlen sich Betroffene in so einer Situation hilflos und nehmen die schlechte Nachricht einfach so hin - dabei kann man sich in vielen Fällen gegen eine Kündigung wehren. Nicht jede Kündigung ist gerechtfertigt oder in ihrer Form rechtsgültig. Liegt so ein Fall vor, kann man rechtlich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgehen. Dabei kommt dann die sogenannte Kündigungsschutzklage zum Tragen. Was dabei zu beachten ist und wie Arbeitnehmer die Chancen auf eine erfolgreiche Klage haben, erklärt Rechtsanwalt Dogukan Isik im Interview:

Herr Isik, Arbeitsrecht gehört zu einem Ihrer Schwerpunkte – sicher kommen viele Mandanten auch nach Erhalt einer Kündigung auf Sie zu. Bei welchen Anzeichen sollte man eine Kündigung durch einen Rechtsbeistand prüfen lassen?

Grundsätzlich ist es immer ratsam, eine Kündigung von einem Anwalt prüfen zu lassen. Schließlich stellt diese einen gravierenden Einschnitt im Leben dar. Außerdem gibt es bei einem Arbeitsvertrag oder dessen Aufkündigung eine breit gefasste gesetzliche Grundlage, die beachtet werden muss. Das beginnt bei Formfehlern bis hin zum Kündigungsschutz unter bestimmten Bedingungen. Nehmen Arbeitnehmer eine Kündigung jedoch einfach hin, lassen sie damit ihre Rechte fallen. Aus Erfahrung kann ich sagen: Oft kann man nicht auf Anhieb erkennen, ob eine Kündigung wirksam ist.

Können Sie gängige Beispiele nennen, wann eine Kündigung durch den Arbeitgeber ungültig ist – vielleicht auch solche Beispiele, die Arbeitnehmer leicht erkennen können?

Das größte Wahnsignal ist natürlich eine Kündigung, die nicht schriftlich erteilt wurden. Solange Ihnen nicht ein Schriftstück mit allen notwendigen Formalien vorliegt, gilt das Arbeitsverhältnis nicht offiziell als beendet. Hellhörig sollten Sie zudem werden, wenn es sich um eine außerordentliche Kündigung oder eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen handelt, denn dabei gibt es strenge Vorgaben.

Ein klarer Fall für eine Kündigungsschutzklage liegt auch vor, wenn Sie Sonderkündigungsschutz genießen.

Welche Gruppen unterliegen denn diesem speziellen Kündigungsschutz?

Der Sonderkündigungsschutz ist für all jene Arbeitnehmergruppen gedacht, die aufgrund ihrer Situation, beruflich, gesundheitlich oder familiär, besonders schutzbedürftig sind. Dazu zählen Mitglieder des Betriebsrates ebenso wie Auszubildende oder Wehrdienstleistende. Auch schwerbehinderte Menschen, Schwangere und Elternteile in Elternzeit sind vor einer Kündigung besonders geschützt. Einen gesetzlichen Kündigungsschutz für Alleinerziehende oder ältere Menschen gibt es jedoch noch nicht.

Wenn ich eine Kündigung ausgesprochen bekomme, habe ich vielleicht gar keine Motivation mehr, weiter für das Unternehmen zu arbeiten. Ist die Aufrechthaltung der Anstellung denn das einzige Ziel einer Kündigungsschutzklage?

Das Prozessziel ist zunächst, dass das zuständige Arbeitsgericht die Kündigung als unwirksam erklärt. Falls der Arbeitgeber sich dann nicht auf einen anderen Beendigungsgrund berufen kann, besteht das Arbeitsverhältnis wie zuvor. Das heißt dann: Der Arbeitnehmer würde seine Tätigkeit wieder gewohnt aufnehmen und auch entlohnt werden.

In der Praxis sieht dies oft anders aus. Stellt das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung fest, wollen beide Parteien die gemeinsame Arbeit oft nicht wieder aufnehmen. Wenn dies der Fall ist, kommt es oft zu einem Abfindungsvergleich. Dabei einigen sich beide Seiten auf die Beendigung der Anstellung und eine Abfindung für den Arbeitnehmer.

Was kommt denn bei einer Kündigungsschutzklage an Schritten auf mich zu? 

So eine Klage kann immer ein wenig unterschiedlich verlaufen, je nach Entscheidung der beiden Parteien. Es gibt aber einige Punkte, die sich als Blaupause verallgemeinern lassen: Zunächst muss die Klage beim Arbeitsgericht eingereicht und durch dieses dem Arbeitgeber zugestellt werden. Anschließend findet eine sogenannte Güterverhandlung statt. Wird man sich in dem Gütertermin nicht einig, muss die gesamte Kammer des Arbeitsgerichts zusammenkommen. Man spricht daher auch von einem Kammertermin. Bevor dieser Termin stattfindet, hat der Arbeitgeber die Gelegenheit, schriftlich Stellung zu der Klage zu beziehen. Auf diese Stellungnahme kann dann wiederum der Arbeitnehmer reagieren u.s.w.    

Muss ich mich dabei also auf einen langjährigen Prozess einstellen?

Das Ziel einer Kündigungsschutzklage ist, dass für beide Parteien eine schnelle Lösung gefunden werden kann. Genau dafür gibt es die Güterverhandlung. Diese soll bereits zwei Wochen nach Erhebung der Klage stattfinden. Das ist sogar in einem Paragraphen des Arbeitsgerichtsgesetz festgehalten. Manchmal kann es aber doch bis zu sechs Wochen dauern, bis alle Parteien zusammenkommen.

Muss jedoch eine Einigung bei einem Kammertermin gefunden werden, kann sich so ein Verfahren auch schon mal ziehen. Das liegt zum einem daran, dass beide Parteien noch schriftliche Stellungnahmen und Erwiderungen einbringen dürfen, auf der anderen Seite die Terminkalender des Gerichts oft sehr voll sind. Dabei ist oft mit mehreren Monaten zu rechnen.

Eine Einigung in der Güteverhandlung wäre also schon von Vorteil. Wie läuft denn so ein Gütertermin ab?

Genau, eine Güteverhandlung soll die Parteien schnell zu einer Lösung führen. In so einem Termin ist von Seiten des Arbeitsgerichts nur der oder die Vorsitzende der Kammer anwesend. Die ehrenamtlichen Richter nehmen an diesem Termin nicht teil. Auch bei der Güterverhandlung bringen beide Parteien ihre Standpunkte zum Ausdruck. Im besten Fall einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dem Gütetermin auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und eine Abfindung für den Kläger. Im besten Fall ist der Prozess also schon zwei Wochen nach Klageerhebung erledigt.

Kann ich auch eine Klage einreichen, obwohl ich schon weiß, dass ich mich beruflich verändern will?

Sie können auch dann die Klage erheben, wenn man schon vorher weiß, dass man das Beschäftigungsverhältnis nicht aufrechterhalten will. Zwar ist das „offizielle“ Ziel einer solchen Klage die weitere Beschäftigung im bisherigen Arbeitsverhältnis, oft wird aber ein Abfindungsvergleich angestrebt.

Wo muss so eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden und kann ich das nur mit einem Anwalt machen?

Eine Kündigungsschutzklage muss immer bei dem zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden. Dafür muss man theoretisch keinen Anwalt beauftragen. Gewerkschaftsmitglieder haben zudem auch die Möglichkeit, sich von einem ge­werk­schaft­li­chen Rechts­se­kretär ver­tre­ten zu las­sen. Anders ist es, wenn das Arbeitsgericht in erster Instanz eine Entscheidung getroffen hat, gegen die eine der Parteien Berufung einlegt. In dieser sogenannten zweiten Instanz ist ein rechtlicher Beistand vom Gesetzgeber festgelegt.

Die Erfahrung zeigt aber, dass eine Klage erfolgreicher ist, wenn direkt ein Anwalt zu Rate gezogen wird. Zunächst mal ist das Kündigungsschutzgesetz trotz mehrerer Reformen kompliziert. Besonders bei der Darlegung des Sachverhalts kommt es auf eine genaue Formulierung an. Passieren dort Fehler, ist der Erfolg einer Klage oft schon aussichtslos, noch bevor man in Vergleichsverhandlungen einsteigen kann. Außerdem werden sich Arbeitnehmer in der Regel auf ihren rechtlichen Beistand verlassen. Es wird also keine Verhandlung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber geben, sondern zwischen Kläger und Anwalt. Da kann es auch passieren, dass ein Arbeitnehmer seine Klage verliert, obwohl er sachlich gesehen im Recht wäre.

Auch bei einem weiteren Punkt kann es sich lohnen, einen Anwalt an seiner Seite zu wissen – bei der Höhe der Abfindungssumme. Denn hier wird ganz oft „gepokert“ und dafür braucht es oft sachliche Distanz und ein professionelles Verhandlungsgeschick. Selbst Anwälte sind gut damit beraten, in so einem Fall einen Kollegen zu engagieren. Mit professionellem Abstand lässt sich oft mehr erreichen, als wenn man persönlich betroffen ist.

Der letzte Punkt, den ich dazu noch mitgeben möchte, ist das Risiko: Je länger man bei einem Unternehmen tätig war und je finanzkräftiger dieses ist, desto höher ist auch die mögliche Abfindungssumme. Bei einer Klage steht also finanziell einiges auf dem Spiel, sodass sich die Kosten für eine rechtliche Beratung schnell rechnen.

Ich möchte daher aus vielen Gründen empfehlen, sich bei einer Kündigungsschutzklage von einem Rechtsbeistand vertreten zu lassen.

Zum Abschluss noch eine finanzielle Frage: Wer trägt die Kosten einer Kündigungsschutzklage?

Bei den Kosten müssen wir differenzieren: Die Ausgaben für einen Rechtsbeistand trägt jede Partei selbst, unabhängig vom Ausgang des Prozesses. Bei den Gerichtskosten verhält es sich dagegen anders – die werden grundsätzlich dem Verlierer des Prozesses zugeschrieben. Kommt es zu einer Vergleichseinigung, werden die Gerichtskosten in der Regel mit eingerechnet.

Dogukan Isik, LL.M. MLE Rechtsanwalt